Paul Schuler als Mitglied der Pfadfinder-Gruppe Foto: Schwarzwälder Bote

Reihe: Paul Schuler erinnert sich an seine Kindheit in den Kriegsjahren und danach in Oberwolfach

Voller Bescheidenheit und Einfachheit fristeten Oberwolfacher Kinder wie auch Altersgenossen in der Umgebung während der Nachkriegszeit ein karges Dasein. Davon zeugen Erinnerungen von Paul Schuler, gebürtig aus Oberwolfach.

Oberwolfach. Kaum ein Motorfahrzeug ratterte oder tatterte damals über die Landstraße. Fast ungestört konnte mit Geißel und Tanzknopf gespielt werden. Und zum "Schlupfis"- Spielen ging es in den Hofpausen von der Volksschule (heute Volksbank) hinüber in die Schöpfe der Grünacher. Auch die Schweine-, Geißen- und Hühnerställe dienten damals als Versteck.

Nicht ganz so vergnüglich erwies sich der Schulunterricht, denn es herrschte mitunter militärische Strenge. Tatzen und Strafarbeiten gehörten zur alltäglichen Züchtigung. Mitunter gab es auch Arrest im Keller der Lehrerfamilien Klisch und Siefert. Eine Schülerin, die sich beim draußen tobenden Gewitter aus lauter Angst in Tränen ergoss, handelte sich zusätzlich noch den Zorn der weniger schreiblustigen Burschen ein. Grund: Der Lehrer gab spontan das Aufsatzthema aus: "Gerda hat geweint!" – "Du plärrsch numol, wenn’s blitzt und duret!" kam unterdrückt fauchend die wutentbrannte Drohung aus der hinteren Reihe der "Bubenseite".

Tücken der gestrickten Strümpfe und Pullover

Quälend "beißend" insbesondere an den wärmer werdenden Tagen im Frühjahr die handgestrickten langen Strümpfe, die man unter der "Bleylehos" tragen musste. Ähnlich qualvoll konnte sich auch so mancher Pullover auswirken, dessen eingenähte Ärmel – je nach Strickkunst der älteren Schwester oder der Mutter – spitz in die Höhe standen. An kälteren Tagen war in den großen Schulsälen oft so eingeheizt worden, dass die einen mit hochrotem Kopf schläfrig um den Ofen herum saßen, während andere an den zugigen Fenstern bibbernd eisiger Kälte widerstehen mussten. Mitunter wurden ganze Klassen während der morgendlichen Schulzeit zum Holztragen für die Lehrerwohnungen eingespannt. Allerdings war jede Handarbeit weit abwechslungsreicher und beliebter als das eintönige Lesen, Schreiben oder Rechnen. Einmal passierte es dabei auch, dass einer auf dem Dachboden beim vermeintlichen Lichteinschalten Sirenenalarm auslöste. "Hosespannis" war die gnadenlose Strafe für den unvorsichtigen "Lichtanknipser".

Sehr unterschiedlich spielte sich der Nachmittag ab. Während die einen bei der Arbeit auf den Höfen eingespannt waren, konnten andere recht viel Freiheit genießen. Da ging es dann Richtung Hofhalde, Frohnbach oder Pavillon, um "Räuber und Gendarm" zu spielen. Mit im Spiel waren manchmal auch scharfe Waffen, die von der Kriegszeit herrührend vor allem im Wald zu finden waren und herumstehende Wracks von ausgeschlachteten Militärfahrzeugen.

Neidisch hat man als Zehn- bis 13-Jähriger zu jenen "Halbstarken" aufgeschaut, die sich schon Zigaretten leisten konnten. Aber für die lief auch nicht immer alles ganz so glatt. Weil sie selbst in der Öffentlichkeit noch nicht rauchen durften, haben sie Jüngere, vor allem unbedarfte Mädchen, zum Zigarettenholen ins Fechters, Reinauers oder Welles geschickt.

Verkehrszählung war die Sonntagsbeschäftigung

Was für ein erbostes Geschrei jedoch, als eine von ihnen statt mit den ersehnten Glimmstängeln mit einer Packung Zichorie zurückkam.

Beliebtes Freizeit-Vergnügen war vor allem an den Sonntagen die Verkehrszählung auf dem Bänkle am Bach bei "‘s Geigers", von wo man die Landstraße von "‘s Ortsdieners" bis zu "‘s Krämer-Welles" überblicken konnte. Dabei wurde fachmännisch geschätzt, mit wie viel "Sache" ein jeder unterwegs war.

Paul Schuler, kürzlich in seiner Wahlheimat München 85 Jahre alt geworden, erlebte die Kriegs- und Nachkriegszeit auf dem Grünach in einer kinderreichen Familie besonders intensiv. Er hat sich in den 70er- Jahren in der Fremde hingesetzt und seine Kindheits- und Jugenderinnerungen auch im Blick auf das dörfliche Geschehen mit viel Herzblut zu Papier gebracht. In den nachfolgenden Teilen dieser losen Reihe wird ausführlich daraus zitiert – unter anderem wie der Krieg die Familie unmittelbar traf oder die Soldaten in Oberwolfach ankamen.