Historie: Oberwolfacher gehen als "typische Schwarzwaldfamilie" auf Postkarten um die Welt

Welche Ansichtskarte schafft es, um die 110 Jahre im Umlauf zu sein und bei den Ansichtskartensammlern offensichtlich immer noch höchst begehrt zu bleiben? Es handelt sich um ein Motiv aus dem Wolftal.

Oberwolfach. Die als "Schwarzwälder Bauernhaus bei Wolfach" oder auch "Schwarzwälder Bauernhaus und Tracht bei Wolfach" titulierte Ansichtskarte wurde als Kupferdruckkarte Nr. 4, Nr. 8 und Nr. 11 vom Kunstdruckverlag Franz Walter in München herausgegeben. Sie findet noch immer öffentliches Interesse.

Zuletzt ging eine der Karten 1962 von Freudenstadt nach Köln. Interessant der Vermerk auf einer anderen Karte, die laut Poststempel um 1920 von einem "Nerven-Kurort" aus ebenfalls nach Köln geschickt wurde: "Gell, die Tracht ist schön. So laufen etliche in Freudenstadt herum."

Offenbar war die Karte in ganz Deutschland als typische Familien- und auch Schwarzwaldkarte beliebt. Unter anderem ging sie als Feldpostkarte 1918 von Norderstedt an den Soldaten Georg Neumayer in Neu-Ulm. Verschickt wurde sie in jenen Jahren auch innerhalb Bayerns. Aktuell wurde ein Exemplar sogar in Ungarn ausfindig gemacht.

Gegenwärtig liegen 25 Exemplare vor. Eine inzwischen arg abgegriffene Karte wurde innerhalb der Familie weitergegeben. Sie trägt auf der Rückseite mit Bleistift geschrieben den Vermerk in Sütterlinhandschrift: "A. Abt Mahnheim Sittenheimerstr. 32 Photograf". Die Deutung der einzelnen Sütterlin-Textbuchstaben ist allerdings unsicher. Die Recherche nach diesem Fotografen blieb ebenso wie nach dem Kunstdruckverlag in München bisher erfolglos.

Weitgehend geklärt ist indes, wer 1912 vor dem stilgetreu erhaltenen Häuschen im Frohnbach für den Fotografen Aufstellung nahm. Es sind dies von links die Schwestern Hermine, Luise, Rosina und Amalia. Hinten dürfte als weitere Schwester Anna Maria (Marianne genannt) und die Mutter mit Enkelin Gisela sein. Rechts oben sieht man wohl den Nachbarn mit Nachnamen Brosemer. Dessen Haus wird noch heute ’s Äckerleburgers genannt. Demzufolge gibt es hier auch die Gewannbezeichnung "Äckerle".

Zur kinderreichen Familie, die durch die weit verbreitete Karte ungewollt zu einer "Schwarzwälder Musterfamilie" im frühen 20. Jahrhundert wurde, gehörten auch noch die Schwestern Karoline und Pauline sowie die Brüder Fridolin, Karl, Johannes und Gottfried, die wohl beim denkwürdigen Fotografen-Termin ebenso wie Vater Gallus entweder nicht zu Hause weilten oder nicht aufs Bild kommen wollten oder sollten. Stiefvater Gallus musste mit seinen beiden Stiefsöhnen Fridolin und Karl danach noch in den Ersten Weltkrieg ziehen. Karl kehrte nicht mehr in seine geliebte Heimat zurück.

Motiv findet im frühen 20. Jahrhundert weite Verbreitung

Vorhanden ist noch ein Dankschreiben von der Front für Speck und Wurst aus der "alte Wolfe". Sohn Gottfried ist in jungen Jahren im Sägewerk Heinzelmann in Halbmeil tödlich verunglückt.

Die Töchter auf dem Foto verheirateten sich ebenso wie die zwei verbliebenen Söhne in Wolfach, Oberwolfach und im oberen Kinzigtal und sorgten dafür, dass es heute noch Ur-Ur-Enkel des einstigen Wölflebauern in der Region gibt. Eines der abgebildeten Mädchen wanderte in die USA aus, wo es ebenfalls mehrere Nachfahren der Bonaths vom Oberwolfacher Wölflehof gib. Unter anderem hat ein Enkel als Hochschullehrer an einem populären mehrbändigen Geschichtswerk für Studenten (Erwin Grieshaber: Documents in World History) mitgeschrieben.