Heiko und Saskia Moser mit ihren Kindern Felix (von links), Lea und Anna Foto: Reinhard

Auf den ersten Blick ist Anna ein normales, fröhliches Kind. Doch die Kleine hat in ihrem kurzen Leben schon einiges hinter sich. Die bald Zweijährige ist entwicklungsverzögert und das zweite diesjährige Bärenkind.

Hausach/Gutach – Anna ist das dritte Kind von Saskia und Heiko Moser aus Gutach-Turm. Ihre Geschwister Felix und Lea sind sieben und dreieinhalb Jahre alt. "Anna kam als Frühchen in der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt", erzählt Mutter Saskia. Bei einer Routineuntersuchung nach der Geburt wurde bei Anna festgestellt, dass sie hohen Bluthochdruck hatte. Sie wurde medikamentös eingestellt und durfte sechs Wochen nach ihrer Geburt nach Hause.

Unerklärlicher Bluthochdruck

Drei Monate später rief Saskia Moser in der Klinik an. Eine 24-Stunden-Blutdrucküberwachung stand an und sie hatte eine Nachfrage. Der Arzt am Telefon erklärte ihr, dass sie das Blutdreckmedikament sofort absetzen sollte und blieb auch nach mehrmaliger Nachfrage bei dieser Aussage. Als Anna dann in die Klinik kam, war ihr Blutdruck natürlich extrem hoch – so hoch, dass ein Akutsenker verabreicht werden sollte. Was weder ihre Eltern noch die Ärzte damals wussten: Anna reagiert auf solche Medikamente sehr sensibel. Sie bekam Herzrasen, wurde schlapp und schließlich versagte ihr Herz-Kreislaufsystem ganz. Dann ging alles sehr schnell, erinnert sich ihre Mutter, die zum dem Zeitpunkt allein mit ihrer Tochter im Krankenhaus war.

Anna musste 30 Minuten reanimiert werden

Papa Heiko passte zu Hause auf die anderen beiden Kinder auf. Anna musste reanimiert werden, 30 Minuten lang. Eine traumatische Erfahrung. Eine Stunde lang wusste sie nicht, was mit ihrem Kind los war und wurde mit ihrer Ungewissheit alleine gelassen. Anna wurde intubiert und musste sechs Tage lang ins künstliche Koma verlegt werden.

Folgeschäden

Im Koma erlitt die Kleine außerdem eine Blutvergiftung und ihre Nieren versagten. Doch Anna überlebte. Die Folgen des Vorfalls trägt sie bis heute. "Durch den Sauerstoffmangel während der Reanimation ist sie stark entwicklungsverzögert", erklärt ihre Mutter. Im Alter von einem Jahr und acht Monaten kann Anna laufen, wenn sie sich festhält oder festgehalten wird und nur wenige Worte sprechen. Auch beim Essen hat sie Probleme. Bei großen Stücken verschluckt sie sich; nur Babybrei kann sie recht gefahrlos verzehren. Dabei würde sie gerne essen wie die Großen und interessiert sich sehr für normales Nahrungsmittel.

Auch Annas Körperspannung ist geringer als bei Gleichaltrigen und sie leidet an einer Spastik. Wie ein MRT zeigte, ist vor allem das Sprachzentrum in Annas Gehirn beschädigt. Auch der Teil, der das Schlafhormon Melatonin produziert, funktioniert nicht richtig. Die Folge: Anna ist unruhig und hat Schwierigkeiten mit dem Einschlafen. Erst seitdem sie einen speziellen Schlafsaft bekommt, schläft sie besser.

Keine Prognose

Wie sie sich weiter entwickeln wird, steht in den Sternen. Weil Anna so jung ist, besteht die Hoffnung, dass andere Teile ihres Hirns ihre Beeinträchtigungen ausgleichen könnten. "Kein Arzt kann und will eine Prognose stellen", sagt Vater Heiko. "Sie ist eine Art Wundertüte."

Während Annas Familie nichts weiter tun kann, als abzuwarten wie sie sich entwickelt, muss sie weiter Medikamente bekommen und natürlich ärztlich wie therapeutisch begleitet werden. Viele Kinderärzte sehen sich aber nicht in der Lage, Anna zu betreuen. Es mangelt ihnen an Erfahrung mit solchen Fällen oder sie nehmen keine weiteren Patienten auf. "Wir haben eine Odyssee hinter uns, um einen Kinderarzt zu finden", berichtet Mama Saskia.

Dabei muss ein solcher Anna ja die Rezepte für die Medikamente ausstellen, vor allem für den Blutdrucksenker, denn Anna leidet immer noch an erhöhtem Blutdruck, die Ursache dafür konnte bis heute nicht gefunden werden. Erst eine Ärztin in Elzach erklärte sich bereit, Anna als Patientin bei sich aufzunehmen.

Anna hat Pflegegrad III, aber eine passende Betreuung zu finden, sei nahezu unmöglich, berichtet das Ehepaar. Momentan betreut Mama Saskia sie zu Hause. Anna geht zwar in den Kindergarten, aber sie sei sehr oft krank und müsse zu Hause bleiben. Aus diesem Grund macht sich die gelernte Finanzberaterin Saskia Moser gerade selbstständig, um flexibel arbeiten zu können. Papa Heiko arbeitet als KFZ-Mechaniker.

Verwechslung ist Grund für die fatale Anweisung

Für die fatale Anweisung des Arztes, das Blutdruckmedikament abzusetzen, gibt es mittlerweile eine Erklärung. Wie das Paar in Erfahrung bringen konnte, war der Grund eine Verwechslung mit einem anderen Patienten. Mittlerweile hat die Familie einen Anwalt eingeschaltet , das Verfahren kann sich aber über Jahre ziehen.

Anna als Bärenkind

Als Bärenkind vorgeschlagen wurde Anna von Maren Schmidlin, der Mutter des vorherigen Bärenkinds Lia. Erwin Moser, der Organisator der Aktion, nahm daraufhin Kontakt zur Familie Moser aus. "Wir haben uns dann Gedanken gemacht, ob es das Richtige für uns ist, vor allem weil Anna sehr unruhig ist und wir nicht wissen, wie sie die Teilnahme an Aktionen mitmacht", berichtet Mama Saskia. Aber da sie sowieso sehr offen mit Annas Schicksal umgehen, hätten sie sich schließlich für die Teilnahme entschieden.

"Wir hoffen auf mehr Akzeptanz, wollen zeigen, dass es eben solche Menschen wie Anna unter uns gibt und dass unser Schicksal jeden treffen kann – von jetzt auf gleich" , so die Mosers.

Info

Da die fünfköpfige Familie momentan recht beengt auf rund 80 Quadratmetern lebt, planen sie einen Anbau – und für Anna soll er gleich barrierefrei werden. Denn auch wenn die Bewegungstherapeutin von Anna davon ausgeht, dass sie irgendwann laufen lernen wird, ist aufgrund ihrer Spastik nicht vorhersehbar, wie gut sie das können wird. es ist möglich, dass es so kräftezehrend sein wird, dass Anna dennoch eine Rollstuhl oder Gehhilfe benötigt. "Dafür könnten wir die Spendengelder gut gebrauchen", erklärt Saskia Moser. Bei der Bärenkind-Aktion wird jedes Jahr ein behindertes oder krankes Kind aus dem Kinzigtal unterstützt, indem für es Spenden gesammelt werden.