Der Waschbär: putzig, aber gefährlich.Symbolfoto: Vichra Foto: Lahrer Zeitung

Natur: Spuren des Raubtiers im Mahlberger Wald entdeckt / "Große Bedrohung für heimische Tierwelt"

Er sieht drollig aus, ist in Wahrheit aber ein gefährlicher Räuber: Im Mahlberger Wald wurden Spuren eines Waschbären entdeckt. Der zuständige Jagdpächter ist alarmiert – er will den ungebetenen Gast lieber heute als morgen wieder loswerden.

Mahlberg. Frank Krause ist seit neun Jahren Jäger und als solcher im vierten Jahr zuständig für ein 275 Hektar großes Revier in Mahlberg. Dort machte er vor Kurzem eine Beobachtung, die sein Herz hat höher schlagen lassen: ein Wiedehopf-Paar. Der Singvogel ist in den hiesigen Gefilden sehr selten, in ganz Deutschland sollen nur gut 400 Paare brüten. "Das war etwas ganz Besonderes, das mich sehr berührt hat", sagt Krause im Gespräch mit der LZ.

Umso sorgenvoller machte den 50-Jährigen eine zweite Entdeckung kurze Zeit später: Auf dem vom Regen aufgeweichten Boden des Mahlberger Auwalds stieß er vor rund zwei Wochen auf die frische Fährte eines Waschbären. Krause weiß: "Wenn der das Nest des Wiedehopfs entdeckt, ist es um den Nachwuchs geschehen."

Der Waschbär ist ein Allesfresser. Aus dem Fernsehen kennt man Aufnahmen, die zeigen, wie die Tiere in Siedlungen Mülltonnen nach Futter durchwühlen. Im Wald zeige sich das katzengroße Tier ebenfalls wenig wählerisch, sagt Krause: "Von Krebsen über Hasen bis zu Singvögeln – nichts ist vor ihm sicher." Mit seiner behänden, flinken Art gelange der Räuber gleichermaßen in Höhlen wie auf Bäume. "So putzig er auf den ersten Blick wirkt, so groß ist die Gefahr, die vom Waschbär ausgeht. Er packt alles, was er kriegen kann."

Für Jäger Krause war es nur eine Frage der Zeit, bis die schwarzbebrillte Bedrohung in seinem Revier auftaucht: "Schon vor einigen Jahren wurde der Waschbär im Gebiet rund um Allmannsweier und Altenheim gesichtet, zwischenzeitlich wurde dort auch ein Exemplar erlegt." Nun hat der Waschbär offenbar den Mahlberger Wald für sich entdeckt. "Mit dem Kapuzinergraben findet er hier optimale Bedingungen vor", weiß Krause. Der Waschbär heißt nämlich nicht Waschbär, weil er sich selbst ständig reinigt, sondern seine Beute – am liebsten direkt unter fließendem Wasser. Wie viele der Raubtiere durchs Mahlberger Unterholz streichen, vermag Krause nicht zu sagen. "Ich gehe aber davon aus, dass es kein Einzelgänger ist. Früher oder später hat er eine Gefährtin im Schlepptau."

Bürgermeister Dietmar Benz lobte Krause am Montag vor dem Gemeinderat als "engagierten Jagdpächter", der "eifrig dabei" sei, Lebensraum für die heimische Tierwelt zu schaffen. Ein Lob, das der 50-Jährige gerne hört – und das ihn in seiner Vorgehensweise bestätigt. Mit dem "niedlichen Killer", der im Mahlberger Forst sein Unwesen treibt, werde er deshalb nicht zimperlich umgehen. "Ich weiß, dass ich mich damit in der breiten Öffentlichkeit nicht unbedingt beliebt mache, aber ich werde den Waschbären im gesetzlich erlaubten Rahmen scharf bejagen und dabei auch nicht vor möglichem Nachwuchs Halt machen. Er gehört hier nämlich nicht her."

Der Procyon lotor, wie der Waschbär mit lateinischem Name heißt, ist eine invasive Art. Einst aus seiner Heimat Nordamerika nach Europa gebracht (siehe Info), hat er sich hierzulande zu einer regelrechten Plage entwickelt. Nicht zuletzt weil er sehr anpassungsfähig ist und keine natürlichen Feinde hat. Laut dem Wildtierbericht des Landes breitet sich kaum ein anderes Tier so rasant aus.

Zahl der Tiere hat sich in kurzer Zeit vervielfacht

2017/18 wurden 2447 Waschbären von Jägern als geschossen oder überfahren gemeldet – 80 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Ende der 90er waren es gerade mal ein paar Dutzend. Deshalb empfehlen selbst Artenschützer schon seit Längerem, Jagd auf den Räuber zu machen. "Es ist schwer, dem Waschbären Herr zu werden", sagt Krause. Unversucht will er es aber nicht lassen. Bekämpfen oder arrangieren, sei hier nicht die Frage: "Die Biotope für unsere Tiere werden durch Klimawandel und exzessive Landwirtschaft ohnehin immer spärlicher. Da braucht es nicht noch einen eingeschleppten Fressfeind." Anders als von manchen behauptet, "regelt die Natur nämlich nicht alles selbst".

1934 wurden in der Nähe von Kassel zwei Waschbär-Paare ausgesetzt – "zur Bereicherung der heimischen Fauna", wie es damals hieß. Einige Jahre später entkamen rund zwei Dutzend Waschbären aus einer Pelzfarm in Brandenburg. Bereits Anfang der 60er-Jahre soll sich die Population hierzulande auf mehr als 600 Tiere vermehrt haben. Dass Reichsmarschall Hermann Göring, gleichzeitig Reichsjägermeister, persönlich für das Aussetzen der Waschbären verantwortlich zeichnete, wurde mittlerweile widerlegt. Allerdings hielt sich die Legende so lange, dass der europäische Waschbär in England bis heute "Nazi Racoon", also "Nazi-Waschbär", genannt wird.