Der Abschied vom "Merlin" fällt ihnen nicht leicht: Martina Kindle und Jürgen Bartunek. Foto: Decoux-Kone

Kultur: Martina Kindle und Jürgen Bartunek geben das Tanzcafé Merlin auf / Gebäude in Orschweier steht zum Verkauf

Orschweier - Nach knapp mehr als 25 Jahren wird das "Merlin" Geschichte sein: Da Martina Kindle und Jürgen Bartunek nicht glauben, ihr Tanzcafé in absehbarer Zeit wieder so öffnen können, wie es vor Corona war, ziehen die beiden nun einen Schlussstrich.

"Corona hat unsere Entscheidung definitiv beschleunigt", sagen der 63- und die 57-Jährige. Eigentlich wollten die beiden erst in einem Zeitraum zwischen zwei und vier Jahren aufhören. Warum jetzt schneller als gedacht Schluss ist, hat vor allem wirtschaftliche Gründe.

Seit zehn Monaten ist das Tanzcafé geschlossen. Aber es ist nicht nur der Lockdown, der dem Modell Tanzbetrieb zusetzt. "Wenn wir ihn nicht mehr so öffnen können, wie es vor Corona war, lohnt sich’s nicht mehr", so die beiden. Ihr Gebäude in der Gottfried-Daimler-Straße wollen sie nun verkaufen.

Entsprechende Erfahrungen hatten die beiden im Oktober gemacht, als sie das Merlin kurzfristig unter Corona-Bedingungen öffnen durften. Damit das möglich wurde, hatten sie ein paar Tausend Euro investiert, um die Auflagen erfüllen zu können.

Ausgezahlt habe es sich unterm Strich aber nicht. Das Merlin ist auf bis zu 400 Gäste ausgelegt, erlaubt waren unter Corona Bedingungen maximal 150 Gäste. Man habe nur als Bar öffnen dürfen, wegen des Tanzverbots war die Tanzfläche mit Stühlen abgesperrt gewesen.

Darunter habe auch die Atmosphäre gelitten. An einem der drei Wochenende im Oktober hatten Kindle und Bartunek mit Gästen das 25-jährige Bestehen gefeiert – es sei kein Vergleich zur Jubiläumsfeier des 20-jährigen gewesen. Fazit: Eine Diskothek als Bar zu führen, gehe so nicht.

Entschluss aufzuhören, tut dem Ehepaar weh

Mit den Coronahilfen könne man gerade mal so die Fixkosten decken. Im Gegensatz zu anderen Betreibern, die Pacht zahlen müssen, stehen die beiden vergleichsweise noch gut da – das Gebäude gehört ihnen.

Mit Verweis auf ihr eigenes Tanzcafé und die schwierigen Umstände glauben Kindle und Bartunek nicht, dass alle Diskotheken und Tanzclubs Corona überstehen werden. Der Entschluss aufzuhören, tut weh, zumal Bartunek und Kindle mit Leib und Seele in der Gastronomie arbeiten, sie sind darin hineingewachsen.

Jürgen Bartunek kommt aus Pforzheim und hatte nebenher als Türsteher in einer Diskothek gejobbt – wobei ihm sein Hobby Kampfsportarten zugute kam. Er sei in dem Bereich hängen geblieben, obwohl "Disco eigentlich nicht mein Ding war".

Vom Türsteher hat er sich im "Atlantis" in Niefern bei Pforzheim bis zum Geschäftsführer hochgearbeitet. Sieben Jahre blieb er dort, ehe er auf der Suche nach einer neuen Stelle als Geschäftsführer dann ins Badische kam.

Mehr als 13 Jahre lang hatte der den "Flügel" im Altdorf gepachtet, dort lernte er auch seine zweite Ehefrau Martina kennen; seit 31 Jahren sind sie zusammen, seit 25 Jahren miteinander verheiratet.

Spender mit Desinfektionsmitteln sind nicht erst seit Corona Thema

Mit "Blick aufs Alter" wollten die zwei etwas Eigenes. Weil ihm der Kaufpreis für den "Flügel" zu hoch war, entschlossen sich die zwei zum Umzug ins Orschweierer Gewerbegebiet, in der Gottlieb-Daimler-Straße bauten sie das Merlin.

Dessen Stil könne man weder mit Diskothek oder Tanzcafé treffend beschreiben, sie bezeichnen ihn eher mit "Tanz Disco", auf ihrer Homepage nennen sie’s als "Badens größtes Wohnzimmer", in dem sie eine "gepflegte Tanz- und Musikatmosphäre" bieten.

Zum Konzept gehört ein ausgeklügeltes Soundsystem: Nur auf der Tanzfläche ist die Musik dominierend. In den Sitzbereichen ist die Musik gerade so zu hören, dass sich die Gäste auch gut miteinander unterhalten können. In Teilen der Sitzbereiche ist der Boden mit Teppich ausgelegt.

Spender mit Desinfektionsmitteln sind nicht erst seit Corona Thema. Generell habe man stetig ins Ambiente und die bauliche Substanz investiert, um das Gebäude gut in Schuss zu halten, zur Lüftung ist auch eine Klimaanlage installiert.

Über die Jahre haben die beiden auch in viel Eigenarbeit immer mal renoviert und umgestaltet, zudem boten sie mit wechselnden Dekorationen immer mal was anderes für’s Auge. Mit Atmosphäre und Musik haben die zwei ein bunt gemischtes Publikum angesprochen, Ziel war, dass sich nicht nur die 20-, sondern auch die 40-jährigen Gäste wohlfühlen.

Beleibte Veranstaltungen seien etwa Tanz in den Mai oder auch Cocktailnächte gewesen

Musikalisch haben weder Foxtrott noch Techno das Programm bestimmt. Zu hören war auch Funk, Black Music, Hip Hop und Freestyle. Und wenn’s den Gästen gefiel, hat der DJ Deutsch Rap aufgelegt, auch wenn es Jürgen Bartunek hinterm Tresen in den Ohren weh tat.

Willkommen waren immer Gäste "so wie wir", auf einen gepflegten Umgang Personal/Gast und umgekehrt habe man großen Wert gelegt. Wer es nicht so sah, kam nicht rein oder wurde hinauskomplimentiert. Dementsprechend war das Merlin Jürgen Bartunek zufolge auch nicht für Schlägereien bekannt.

"In den 25 Jahren hatten wir drinnen gerade mal drei Schlägereien gehabt", sagt er stolz. Wenn er die Polizei rufen musste, weil draußen vor der Tür ein Gast "blöd gemacht hat, mussten die uns suchen, weil sie nicht wussten, wo wir sind", hat er öfters erfahren.

Die Gäste haben es Martina Kindle und Jürgen Bartunek gedankt: "Die kamen zu uns und nicht in den Laden". Viele aus dem bunt gemischten Multi-Kulti-Publikum sind seit Jahren Stammgäste, etwa 80 Prozent der Personals ist "fast von Anfang an dabei".

Gut angekommen seien auch Veranstaltungen wie etwa der Tanz in den Mai, Weihnachten oder auch Cocktailnächte. Ganz früher hat man auch Shows angeboten, als die angesagt waren.

Erfolgreich war man auch mit extra Tanzabenden für Menschen mit Behinderungen, dazu gehörten seit vier fünf Jahren auch die größeren Veranstaltungen für sie.

"Corona wird vieles verändern"

Dass das Merlin gut lief, schreiben Kindle und Bartunek nicht nur dem vielen Herzblut und Eigenengagement zu, zugute kam beiden auch die kaufmännischen Ausbildungen, die sie absolviert haben.

Bartunek ist gelernter Kaufmann in der Inneneinrichtung, Kindle hat in Kippenheim Großhandelsfrau gelernt und mehrere Jahre in ihrem Beruf gearbeitet. Der Schritt jetzt aufzuhören, tut beiden sichtlich weh. Es sind nicht nur die persönlichen Beweggründe.

Auch die allgemeine Entwicklung der Discos seit vielen Jahren hat sie dazu bewogen, in diesem Sinne verstehen sie den Schritt, als mit der Zeit gehen. "Corona wird vieles nachhaltig verändern."