Foto: Arbeitsgemeinschaft Wasserkraft Foto: Schwarzwälder Bote

400 Jahre lang freuten sich Wanderer und Spaziergänger über den Stausee bei der "Schwarzen Säge" in Görwihl. Damit soll jetzt Schluss sein. Der Abriss des Stauwehrs steht unmittelbar bevor. Der Streit der Beteiligten ist aber noch nicht vom Tisch

Görwihl - Idyllisch liegt er da: der kleine Stausee im Lindauer Tal inmitten der Wasserkraftanlage Schwarze Säge. Auf den ersten Blick deutet nichts auf ein baldiges Ende dieser Idylle. Doch die Wahrheit sieht anders aus: Anfang August soll das Stauwehr 1 abgerissen werden. Heißt: Der sportplatzgroße See und der Oberwasserkanal werden voraussichtlich austrocknen und längerfristig komplett verschwinden.

Für Richard Eschbach, seit 2015 Eigentümer der "Schwarzen Säge", ist der bevorstehende Abriss des Stauwehrs ein harter Schlag. Gemeinsam mit seiner Frau Lenore renovierte er das alte Wohnhaus und die Säge im Südschwarzwald. Fünf Jahre später soll dem Areal mit seinen denkmalgeschützten Wasserbauten und der Ossberger Turbine als letzte bestehende Anlage ihrer Bauart, jetzt das Wasser abgedreht werden. Wie konnte es so weit kommen?

Rückblick: Nachdem Eschbach 2015 mit seiner Frau Lenore das Grundstück "Schwarze Säge" mit Wohnhaus und früherem Sägewerk erworben hat, erfahren sie von einem notariellen Fehler, wonach das Land Baden-Württemberg das Vorkaufsrecht auf die Gewässeroberfläche besitzt. Dieses nimmt das Recht 2018 für die Wasseroberfläche und die Wehranlagen auch in Anspruch. Die Folge: Das Stauwehr soll verschwinden, damit das Schwarzenbächle wieder einen naturnahen Gewässerverlauf bekommt. 

Die Verantwortlichen des Naturschutzreferats des Regierungspräsidiums (RP) in Freiburg berufen sich bei ihrer Entscheidung, das Stauwehr abzureißen auf die europäische "Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie" (FFH). "Die Maßnahmen dienen selbstverständlich dazu, die bestehenden Naturschutz- und FFH-Gebiets an diesem Bachlauf wiederherzustellen", rechtfertigt RP-Sprecherin Heike Spannagel das Vorhaben. Von Zerstörung könne daher auch keine Rede sein. Spannagel bekräftigt zudem, dass das Renaturierungsprojekt erst auf den Weg gebracht wurde, "nachdem die untere Wasserbehörde im Landratsamt Waldshut die zukünftige Waasserkraftnutzung an dem Standort ausgeschlossen hatte".

Richard Eschbach sieht den entstandenen Lebensraum in Gefahr

Der Teilrückbau des Wehr 1 soll laut RP in drei Schritten erfolgen: Zunächst sollen die Holzbohlen aus dem Wehr gezogen werden, ein drei bis 3,5 Meter tiefer Einschnitt in den Boden vorgenommen sowie das Sohlepflaster entnommen werden. Dann soll das Einlaufwerk zum Oberwasserkanal verschlossen werden. Zum Schluss wird der bisher eingestaute Bereich vor dem Einlaufbauwerk überschüttet werden. In diesem Zuge soll der Oberwasserkanal nicht beseitigt werden. Indes muss er einmalig abgelassen werden, um die vorhandenen Fische zu bergen. Bauschmerzen bereitet Eigentümer Eschbach, dass der in den 400 Jahren am Schwarzenbächle entstandene Naturraum jetzt gefährdet ist. "Durch den Abriss des Stauwehrs wird die Fließgeschwindigkeit des Schwarzenbächles deutlich schneller", prognostiziert er. Das wäre dann für die Kleinlebewesen "nicht förderlich", so der Elektromeister.

Er ärgert sich vor allem über die vom RP zu Rate gezogenen europäischen FFH-Richtlinien. Darin würde nirgends geschrieben stehen, dass "eine ökologische Verbesserung" auch auf Kosten eines funktionierenden Lebensraums erreicht werden sollen. Dementsprechend hält der Eigentümer die Auslegung der FFH-Richtlinien für den bevorstehenden Abriss des Stauwehrs "schlichtweg für unwahr".

Außerdem hätte sich Eschbach eine Offenlegung der Planungen gewünscht. Die hat es laut ihm aber nie gegeben. Dem widerspricht das RP. Bei einem Vorort-Termin seien dem Eigentümer die notwendigen Schritte im Einzelnen vorgestellt worden, wehrt sich Spannagel. Eschbach sieht das anders: "Die haben mir nur mitgeteilt, dass das komplette Wehr abgerissen werden soll". Genauere Information habe es nicht gegeben.

Die Verantwortlichen sehen im Schwarzenbächle durch das Stauwehr eine Unterbrechung eines ansonsten "idealen Lebensraumes für die standorttypische Fischfauna", die geschützte Fischart Groppe. Solange die Wasserkraft zum Antrieb der früheren Säge genutzt wurde, habe der natürliche Bachabschnitt unterhalb des Wehres "die meiste Zeit trocken" gelegen, erklärt Spannagel. Mit der Wiederherstellung des Gewässerlaufs soll sich das in Zukunft also ändern.

Unterstützung bekommt Eschbach von Julia Neff, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke. Dort ist der Elektromeister Mitglied. Für die Geschäftsführerin erschließt sich die Argumentationsweise der Naturschutzbehörde nicht. "Die beziehen sich auf irgendeinen Sachverhalt. Das ist nicht haltbar", sagt sie. Neff hat kein Verständnis für den Abriss, da es in diesem Falle "um keinen dauerhaften Betrieb der Wasserkraftanlage" mehr geht. Dieser wurde nämlich bereits 2014 eingestellt. Seither nutzt Eschbach die Anlage nur noch für den Schaubetrieb am Tag des Denkmals in Abstimmung mit den Behörden. Er entziehe also kein Wasser aus dem Schwarzenbächle.

Die Geschäftsführerin verweist außerdem auf die Kooperationsbereitschaft von Eschbach.

Wasserwerke unterstützen den Eigentümer

Seit längerer Zeit habe er bereits eine Fischtreppe als mögliche Alternative ins Spiel gebracht, um einen Abriss des Stauwehrs zu verhindern. Doch diesen Vorschlag lehnt das RP strikt ab, weil Fischtreppen nur dann gebaut werden, wenn ein Rückbau des bestehenden Wehrs nicht möglich ist. Das sei in dem vorliegenden Falle aber möglich. Der Rückbau stelle zudem "aus ökologischer Sicht die beste Variante" dar, um den "naturnahen Zustand des Bachs herzustellen", so Pressesprecherin Spannagel.

Das Ringen zwischen Eschbach und dem RP sieht dabei fast schon ein wenig paradox aus. Beide Parteien haben eigenen Angaben zufolge das Wohl der Natur im Fokus. Doch beide sehen sich im Recht. Wer hat also Recht? Das lässt sich nicht final beantworten. Geschäftsführerin Neff sieht Vorgehen des RP wie im Fall der "Schwarzen Säge" zuletzt häufiger. "Wir haben das Gefühl, dass die Ämter im RP verstärkt unterwegs sind, um Wasserrechte in Frage zu stellen", sagt sie. Ein weiteres aktuelles Beispiel sei etwa die Schattenmühle in Löffingen.

Egal wie stark und intensiv sich Eschbach und Neff bemühen, eine andere Lösung als der bevorstehende Abriss des Stauwehrs ist nicht wirklich in Sicht. Dennoch erhofft sich der Eigentümer durch die zuletzt stärkere Medienpräsenz mehr Aufmerksamkeit. "Das öffentliche Interesse ist schön", sagt er. In letzter Zeit habe er zahlreiche E-Mails und Anrufe zur "Schwarzen Säge" bekommen. Wirklich weiter bringt ihn das aber auch nicht. Deshalb denkt er bereits über eine mögliche Petition nach. "Das muss man sich schon überlegen".

Ihm wäre es aber lieber, wenn er ein politisches Zeichen aus Stuttgart bekommt und die Interessensparteien doch noch zu einem Konsens finden. Mit dem politischen Signal rechne er in den nächsten 14 Tagen. Der Abriss soll laut RP-Sprecherin Spannagel noch im August beginnen.