Ein junger Igel im Laub: Erwachen die Tiere zu früh aus ihren Winterschlaf, finden sie oftmals keine Nahrung. Zudem zehrt die Nahrungssuche an den Kräften der stacheligen Säugetiere. Foto: Symbolfoto: Klaus-Dietmar Gabbert

Klimawandel: Tierheim nimmt 20 Igel auf / Säugetiere erwachen früher als sonst

Lahr - Anhaltende Plus-Temperaturen im zweistelligen Bereich stören den Winterschlaf von Igeln und Co. in der Region. Dies bekommt zurzeit auch das Lahrer Tierheim zu spüren.

Rund 20 kleine, stachelige Igel residieren zurzeit im Lahrer Tierheim. "Sprichwörtliche Sau-Igel", kommentiert Martin Spirgatis, Vorsitzender des Tierschutzvereins, mit Blick auf die Käfige: Das Futter liegt verstreut herum, der Boden sieht aus, als hätten die nachtaktiven Tiere mächtig die Sau rausgelassen. Dabei sollen sie nun erstmal aufgepäppelt werden. Denn aufgrund der konstant hohen Temperaturen vergangene Woche wollen die Tiere keinen Winterschlaf halten. Bei anhaltenden zweistelligen Temperaturen am Tag erwachen die Tiere und suchen nach Nahrung, die im Januar nicht zu finden ist. Nun werden die geschwächten Tiere erstmal wieder aufgepäppelt.

Normalerweise halten Igel in der Zeitspanne von November bis März Winterschlaf. Dieser Zeitraum könne sich aber zeitlich verschieben, wenn Insekten besonders knapp sind, erklärt Petra Rumpel, Geschäftsführerin des Umweltzentrums Ortenau. Denn: um die fünf Monate ohne Nahrung durchzuhalten, müssen die kleinen Säugetiere zuvor Unmengen an Insekten verzehren. Anschließend fahren sie ihren Stoffwechsel auf ein Minimum herunter und senken die Körpertemperatur ab. Ein zu frühes Aufwachen durch anhaltend hohe Temperaturen bedeutet für sie einen erhöhten Kalorienverbrauch und zehrt an den Kräften. Kommende Woche sinken die Temperaturen dann wieder, in der Nacht werden Minustemperaturen erwartet. Können die Tiere dann noch einmal einschlafen? Ja, sagt Rumpel. Dies wäre dann aber meist kein tiefer Winterschlaf mehr, sondern lediglich ein leichtes Dämmern, meint Udo Baum, Vorsitzender des Nabu Lahr. Und bei diesem leichten Dämmern verbrauche der Igel mehr Energie, als im Winterschlaf.

Laut Baum spielt nicht nur das Wetter eine Rolle beim Ausbleiben des Winterschlafs, auch die Helligkeit sowie schlechte Vorbereitung können entscheidende Faktoren sein. "Wenn die Speckschicht nicht stimmt, wird es kritisch." Aber nicht nur Igel, sondern auch die Ruhe von Mäusen und teilweise Eichhörnchen sowie heimische Amphibien wie Grasfrösche und Erdkröten sind durch die milden Temperaturen in ihrer Winterruhe gestört. Ab und an sehe man auch schon einmal eine Honigbiene herumfliegen, so Baum.

Auch auf die Flora wirkt sich der Klimawandel aus. "Es gibt viele Pflanzen, die früher häufig in unserer Region zu finden waren und nun eher im Norden zu finden sind. Baum nennt als Beispiele Fichten und Buchen, die in der Region mit Borkenkäfern sowie der anhaltenden Trockenheit zu kämpfen haben. Dafür sammeln sich nun Pflanzen an, die ursprünglich in Italien heimisch waren.

"Insgesamt gibt es das Problem, dass durch das veränderte Klima, zeitliche Abläufe aus den Fugen geraten", erklärt Rumpel. Sie vergleicht Flora, Fauna und das Klima mit Uhren, die früher perfekt aufeinander abgestimmt waren und mittlerweile "falsch gehen". Ein Beispiel dafür ist der Kuckuck: Wenn er im Frühjahr aus dem Süden zurückkehrt, wo er überwintert hat, und seine Eier in fremde Nester ablegen möchte, seien bereits viele Küken geschlüpft und der Kuckuck finde nur schwer Platz für den eigenen Nachwuchs. Aber auch die anderen Vögel trifft der Klimawandel. Teilweise würden sie erst später in den Süden aufbrechen, erklärt Baum.

Veränderungen im Fortpflanzungsverhalten stellt auch das Lahrer Tierheim fest: "Früher konnte man sich im Frühjahr und Spätsommer auf Katzenwürfen einstellen, mittlerweile muss man aber beinahe jederzeit mit Katzennachwuchs rechnen", sagt Martin Spirgatis. Faktoren, die dazu führen, könnten ebenfalls der Klimawandel und milde Winter sein, schätzt der Ettenheimer Tierarzt Markus Kollofrath.

Für Schwierigkeiten für die Tiere sorgen aber auch der Mensch und die Infrastruktur. "Manche Tiere würden sich aufgrund des Klimawandels gerne in andere Gebiete zurückziehen", erklärt Petra Rumpel, "aber ihr Weg endet dann oft an einer Mauer oder Straße. Das macht es für die Tiere zusätzlich schwerer."

Rührei für den Igel

Was kann man tun, wenn man jetzt auf einen Igel aufmerksam wird? Ein verletztes oder stark geschwächtes Tier sollte zum Tierarzt respektive ins Tierheim gebracht werden. Ansonsten kann man den Igel auch ein Schale mit Wasser sowie ein ungewürztes Rührei oder aber Katzenfutter anbieten.