Alt-OB Wolfgang G. Müller und seine Ehefrau Elke Oberg wurden zum neuen Baronspaar der Reichenbacher Fasent gekürt. Der Zunftabend (rechts oben: Gerd Furtwängler von der Gruppe "Die Neuen") wurde per Livestream übertragen. Moderiert wurde der Abend von Thomas Fischer (rechts unten). Foto: Vögele, Schergässler

Brauchtum: Digitaler Zunftabend der Reichenbacher Schergässler wird zum großen Erfolg / Alt-OB Müller in einer tragenden Rolle

Reichenbach - Die Schergässler haben ihren traditionellen Zunftabend nicht ausfallen lassen, sondern ins Internet verlegt. Dafür war das Zunftlokal "Nörgler" in ein Studio verwandelt worden. Auch Alt-OB Wolfgang G. Müller hatte seinen großen Auftritt.

Souverän, als wäre er im Fernsehen daheim, moderierte Oberzunftmeister Thomas Fischer den Abend. Mit sichtlicher Freude kündigte er ein Programm an, das den gewohnten Zunftabenden in der Geroldseckerhalle wenig nachstand.

Die Musikkapelle hatte etwa in mühevoller Puzzle-Arbeit den Reichenbacher Fastnachtsmarsch, den die Musiker zuhause einzeln eingespielt hatten, zu einer Collage zusammengefügt – dieses "Musikvideo" wurde zur Eröffnung eingespielt.

Identität des neuen Baronspaares

Eines der Geheimnisse, die beim Zunftabend traditionell gelüftet werden, ist die Identität des neuen Baronspaares. Viele Zuschauer daheim dürften nicht schlecht gestaunt haben, als sie erfuhren, dass der Alt-OB und seine Gattin als Baronspaar Wolfgang Gustav I. und Elke Oberg II. in diesen besonderen Corona-Zeiten die Reichenbacher Fasent regieren.

Dem langjährigen Rathauschef und seiner Frau standen die Baronsmäntel gut zu Gesicht – sie dankten mit einer launigen Rede für die Ehre ("Ihr spürt die Aura, die Noblesse/Gestatten: Baron und Baronesse"), wobei Müller auch Persönliches preisgab ("Jahrzehnte den Rennwagen Lahr gelenkt/Dann von hundert auf fast null gesenkt/Diese Vollbremsung fand mein Herz bescheuert/Drum haben die Ärzte es runderneuert").

Müller lebte in seiner Inthronisationsrede monarchische Träume aus ("Ibert und Scherer werd’ ich nicht feuern/Solang’ sie ihre Unterwerfung beteuern"), während die neue Baronin aus dem heimischen Nähkästchen plauderte ("Wie war mein Leben doch wunderbar/Als Wolfgang Gustav noch berufstätig war/Doch nun da läuft es ziemlich dumm/Er schwänzelt dauernd um mich rum").

Seit Jahrzehnten gehört Tanja Mühlhaus zu den Protagonisten der Zunftabende. Seit sie 14 Jahre alt ist, singt sie temperamentvoll und nimmt in den Couplets auf die Schippe, was sich im Dorf und in der Welt ereignet hat. Die musikalischen Arrangements stammten von Reiner A. Kammerer.

Wie gewohnt zauberte das Buurequartett mit seinen Mitgliedern Patrick Bohy, Martin Dosch, Harry Gysler, Timo Haag und Daniel Moser die ganz besondere Stimmung, die zur Reichenbacher Fasent dazugehört. Ihre Ohrwürmer und Kalauer erzeugten eine Stimmung zwischen Nonsens und purer Lebensfreude.

Seit 25 Jahren mischen "Die Neuen" bei diesen Abenden mit, die zwar nicht mehr ganz so neu sind – aber ihre frappierenden und fantasievollen Einfälle sind es allemal.

Patrick Decker, Thomas Fischer, Armin und Gerd Furtwängler, Jürgen Glatz und Beate Maier schlüpften in eine ihrer Lieblingsrollen. Bei einem Kasperletheater eigener Art widmeten sie sich mit viel Situationskomik aus dem Alltag auch einigen Reichenbacher Baustellen- und Verkehrsproblemen.

Werbespots Reichenbacher Firmen

Besonders gut gelungen waren die Werbespots Reichenbacher Firmen. Über den Einfallsreichtum und schlagenden Humor von Patrick Bohy und Jürgen Glatz konnte man nur staunen. Vom großen technischen und zeitlichen Aufwands aufgrund der Pandemieeinschränkungen hatten sie sich nicht bremsen lassen.

Rolf Hügel als "Lahrer hinkende Bote" sprach unterhaltsam über politische, gesellschaftliche und kommunale Themen, wobei er wohl so manchem Zuschauer am Bildschirm aus der Seele sprach.

Als einzige Konserve wurde der Schergässlertanz zu den Klängen des Marsches "Unterm Doppeladler" eingespielt – dieser Tanz gehört zu den geheiligten Traditionen der Schergässler, auf die nicht verzichtet werden kann.

In einer Talkrunde wurden OB Markus Ibert, "de Hämme" Helmut Dold, Christiane Kupfer von der Seelbacher Eulenzunft und Karikaturist Andreas Krellmann, der den diesjährigen Fasentorden, den "weinenden Schergässler" erfunden hat, eingespielt.

Am Ende des Abends gab Oberzunftmeister Thomas Fischer bekannt, dass ab dem Schmutzigen Donnerstag, 11. Februar, ein "Fasentpfad" mit 18 Stationen durch Reichenbach führen wird. Der vier Kilometer lange Weg ist in zwei Schleifen aufgeteilt, die mühelos begangen werden können, wie zu hören war. Fischer kündigte manche Überraschungen an, auch ein Gewinnspiel werde es geben.

Online Zunftabend

Wie sehr die Reichenbacher an der Fasent hängen, zeigte die Einschaltquote: 846 Haushalte verfolgten den ersten digitalen Zunftabend am heimischen Rechner, eine Belohnung für die Arbeit, die sich die Schergässler und das Team Beinert bei der Übertragung gemacht hatten. Das närrische Publikum war bei der Übertragung sogar teils auch zu sehen, konnten doch mit dem Mobiltelefon geschossene Bilder an eine Hotline gesendet werden. Der "Blick ins Wohnzimmer" mit knapp 200 Aufnahmen zeigte, dass auch ein Zunftabend in digitaler Form viel Freude bereiten kann.