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Wie ein Sportrechtler und Funktionäre mögliche Szenarien im Fall eines Saisonabbruchs sehen. Verbände haben keine Erfahrungswerte

Der Sport ist zum Stillstand gekommen, kaum einer glaubt an eine baldige Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Die große Frage: Was passiert dann mit den Tabellen? Wie wird gewertet? Ein Überblick über mögliche Szenarien.

Unterhält man sich mit Trainern, Funktionären und Sportinteressierten darüber, wie es im Sport in und nach der Corona-Krise weitergehen könnte, fällt oft ein Wort: "Rattenschwanz". Es gibt in diesen Tagen wohl kaum eine Entscheidung, die nicht Konsequenzen für die Zukunft hätte – auch im Sport.

Dabei spielt es keine Rolle, ob es um die Bundes- oder die Kreisliga geht – mal abgesehen von den Finanzen. Auch im Amateursport müssen die Verbände wohl bald weitreichende Entscheidungen über den Spielbetrieb treffen.

Doch was passiert, wenn der Coronavirus eine Wiederaufnahme der laufenden Saison nicht zulässt? Darf der Spitzenreiter aufsteigen, muss das Schlusslicht runter? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.

Haben die Verbände einen Notfallplan für den Fall eines Saisonabbruchs?

Nein. Noch liegen in den Schubladen des Südbadischen Fußball- und Handballverbands keine Szenarien für den Fall der Fälle. "Wir sind auf so eine Situation nicht vorbereitet", sagt Christian Dusch, Vizepräsident des Südbadischen Fußballverbands (SBFV). Ähnliches sagt auch Christian Forcher, Vizepräsident Recht beim Südbadischen Handballballverband (SHV). Es gebe für einen solchen Fall keine Erfahrungswerte und keine klare Aussage im Regelwerk.

Welche Szenarien gibt es für den Fall eines Abbruchs im Amateursport?

Im Prinzip die selben, die derzeit auch im Profisport diskutiert werden, sagt der Sportrechtler Jan F. Orth im Gespräch mit unserer Zeitung. Diese reichen vom Einfrieren der Tabelle und der Wertung bei diesem Stand, über Abbruch und Fortführung zu einem späteren Zeitpunkt, der Annullierung der gesamten Saison bis hin zu Play-off-Spielen, um über Auf- und Abstieg zu entscheiden.

Wer entscheidet im Amateurbereich, wie es mit dem Spielbetrieb weitergehen soll?

Im Prinzip liegt die Entscheidung bei den spielleitenden Stellen der jeweiligen Landesverbände. "Ziel und Wunsch wäre, eine bundeseinheitliche Lösung zu treffen", sagt aber SBFV-Vizepräsident Dusch. Auf selbiges hofft man auch beim Handballverband, wie Forcher bestätigt. Heißt: Im besten Fall geben DFB und DHB eine Lösung vor, die dann von der Bundes- bis zur Kreisliga angewendet werden kann.

Bedeutet einheitlich, dass für jede Liga im Fall des Abbruchs die gleichen Regelungen gelten?

Nicht unbedingt. "Gleichberechtigung kann ungerecht sein", sagt Orth. Heißt: Führt ein Team seine Liga mit Abstand an, könnte man bei Saisonabbruch entscheiden, dass dieses Team aufsteigen darf. Liefern sich in einer anderen Klasse hingegen mehrere Mannschaften ein Kopf-an-Kopf-Rennen an der Spitze, ist es eher nicht möglich, aufgrund der Tabellensituation einen Aufsteiger zu benennen.

Wie könnte das konkret aussehen?

Zwei Beispiele aus der Praxis: In der Männer-Südbadenliga zweifelt wohl keiner mehr daran, dass der TuS Steißlingen seinen Vorsprung ins Ziel bringt, die "Verfolger" Hofweier und Altenheim haben einen zu großen Rückstand. In der Landesliga Nord der Herren hingegen trennen Baden-Baden auf Platz eins und den TuS Ottenheim als Zweiter gerade einmal zwei Minuspunkt, zudem hat Ottenheim bislang ein Spiel mehr absolviert. Eine Entscheidung zugunsten von Baden-Baden wäre in diesem Fall wohl schwierig zu begründen. Sportrechtler Orth sagt, dass man es "ligenabhängig regeln" solle, indem die Beteiligten an einen Tisch kommen.

Wann führt jemand die Tabelle mit ausreichendem Vorsprung an?

Genau das wird dann in den entsprechenden Gremien zu klären sein. Orth spricht daher von "sehr sportbezogenen Fragen", die man "mit der Turnhose an" klären müsse.

Und am Tabellenende?

Grundsätzlich kann man hier genauso verfahren. Ein anderes Szenario, das bereits diskutiert wurde, ist, dass es keine Absteiger gibt. Einige Ligen – wie zum Beispiel die Oberliga, in die im Handball drei Teams aufsteigen – könnten dadurch größer werden, die Teams hätten in der kommenden Saison dann mehr Spiele. Durch eine größere Zahl an Absteigern könnte das in der Folgesaison ausgeglichen werden.

Gibt es Unterschiede zwischen den Sportarten?

Vermutlich schon. Die Handballsaison ist schon deutlich weiter fortgeschritten als die Spielzeit der Fußballer. "Gewisse Leistungsnachweise sind erbracht", sagt auch SHV-Vize Forcher. Allerdings habe man sich noch keine Gedanken gemacht, wie im Falle eines Abbruchs die Saison spiel- und regeltechnisch zu bewerten sei. Gleiches gilt für den Fußball. Die nächsten Tage werde man daher dazu nutzen, "um in allen Szenarien zu denken", so Dusch.

Und wenn die Runde doch weitergehen kann?

Auch wenn es derzeit schwer vorstellbar ist und auch viele Vereinsverantwortliche nicht mit einer Fortsetzung rechnen, ist das natürlich möglich. Je später allerdings der Spielbetrieb wieder einsetzt, desto schwerer wird es für Vereine und die Planung der Spieltage. Partien müssten dann unter der Woche ausgetragen werden, im Handball wären es sogar ganze Heimspieltage. Das könnte zur Problemen bei der Hallenbelegung führen. Bei längeren Auswärtsfahrten würden Teams auch unter Umständen in Personalnot geraten. Im Fußball wären es nur drei Wochenspieltage – vorausgesetzt, Anfang April kann wieder gespielt werden. Verlängert sich die Pause – eine Neubewertung der Lage will man beim SBFV rechtzeitig vor dem 31. März veröffentlichen – verschiebt sich möglicherweise auch das Saisonende nach hinten.

Kann die Saison auch verkürzt werden?

In einem solchen Fall könnte das Szenario der Play-off-Spiele helfen. Unter der Voraussetzungen, dass Spiele mit Blick auf die Gesundheit möglich sind, könnten Auf- und Absteiger in Final-Foul-Turnieren ermittelt werden. Alle Teams, die im Mittelfeld der Tabelle stehen, hätten dann Pause, sportliche Entscheidungen würden auf dem Platz ausgetragen.