Diese Aufnahme von Wilhelm Fischer aus Seelbach zeigt den Abtransport der Familie von Kurt Maier – der kleine Junge mit der Aktentasche, der heute mit 90 Jahren in Washington lebt. Die Familie wurde mit einem Armeelastwagen abgeholt. Foto: Wilhelm Fischer

Geschichte: Vor 80 Jahren wurden 119 Juden aus dem damaligen Amtsbezirk Lahr deportiert

Lahr - Fast alle Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Baden und in der Saarpfalz wurden am 22. Oktober 1940 in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Zahlreiche Gedenkveranstaltungen erinnern an dieses Verbrechen.

Aus dem Gebiet des heutigen Ortenaukreises wurden vor 80 Jahren 366 jüdische Mitbürger Opfer der prestigesüchtigen Gauleiter Robert Wagner und Josef Bürckel, die als besonders führertreu galten. Im Anschluss an die nach ihnen benannte Wagner-Bürckel-Aktion konnten sie Adolf Hitler stolz vermelden, dass ihre Gaue als erste Gebiete des Deutschen Reiches nun "judenfrei" waren.

Die Opfer kamen aus 21 Gemeinden der Ortenau sowie aus Bühl und Rastatt. Aus dem damaligen Amtsbezirk Offenburg stammten 116 Opfer, aus dem Amtsbezirk Achern 58, aus dem Amtsbezirk Kehl 69, aus dem Amtsbezirk Lahr 119 und aus dem Amtsbezirk Wolfach vier. Der Aktion fielen in den beiden Gauen mehr als 5600 Menschen zum Opfer, die man in neun Sonderzügen in die südfranzösische, unbesetzte Zone abschob.

Der im Sachgebiet Auswanderung im Reichssicherheitshauptamt (auch Judenreferat genannt) verantwortliche Leiter, SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, war persönlich zugegen, als diese Sonderzüge die Demarkationslinie bei Chalon-sur-Saône zum sogenannten Vichyfrankreich überfuhren. Die Vichy-Regierung unter Marschall Petain wurde von dieser Aktion überrascht und brachte die Deportierten in einem Flüchtlingslager für spanische Freiheitskämpfer unter. Dort herrschten damals grausame Bedingungen.

Viele alte Menschen starben im Winter 1940/41 im Lager Gurs. Aufgrund der vollkommend unzureichenden Verpflegung verhungerten einige Menschen, andere kamen mit den Verhältnissen in den zugigen Holzbaracken nicht zurecht, und wiederum andere erlitten tödlich Infektionskrankheiten, da die Hygienebedingungen mehr als unzulänglich waren.

Nur wenige konnten sich in der Schweiz in Sicherheit bringen

Glücklicherweise gelang es einigen Häftlingen, mit einem teuren Visa aus dem Lager nach Süd- und Nordamerika zu emigrieren – oder sie wurden von Kinderhilfs- und Flüchtlingsaktionen aus dem Lager gerettet und teilweise in die Schweiz in Sicherheit gebracht. Doch das waren nur einige wenige, für die meisten gab es keine Rettung aus dem Lager Gurs.

Im August 1942 lieferte die Vichy-Regierung die restlichen in Gurs und in anderen Nebenlager Gefangenen der NS-Bürokratie aus. In vier Sonderzügen wurden sie zunächst ins Zwischenlager Paris-Drancy und zwei bis drei Tage später weiter ins KZ Auschwitz-Birkenau deportieret, wo sei sofort am Ankunftstag in der Gaskammer ermordet wurden.

In verschiedenen Gedenkveranstaltungen erinnern die Ortsvereine des Historischen Vereins für Mittelbaden in Kooperation mit der Fachgruppe "Jüdische Geschichte in der Ortenau" an den Deportationstag vor 80 Jahren und an das schreckliche Schicksal der vielen Opfer, die den Holocaust nicht überlebt haben und deren Asche namenlos in polnischer Erde verscharrt wurde.

Auch in Lahr gib es am heutigen Mittwoch eine Gedenkveranstaltung.

Kippenheim:

Vortrag von Christoph Kreutzmüller über "die öffentliche Deportation nach Gurs: Film- und Bilddokumente" in der ehemaligen Synagoge, Mittwoch, 19 Uhr

 Lahr:

Kranzniederlegung von OB Markus Ibert, Mittwoch, 19 Uhr, anschließend Gedenkveranstaltung im Pflugsaal in der Schillerstraße

Gengenbach:

Gedenkveranstaltung der beiden Kirchengemeinden und des Martha-Schanzenbach-Gymnasiums an drei Gengenbacher Stolpersteinen für die Gurs-opfer, Donnerstag, 17 Uhr

 Offenburg:

Sonderführung im Ritterhausmuseum durch die Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte, Donnerstag, 18.30 Uhr,

 Diersburg:

Gedenkgottesdienst in der evangelischen die jährlicheKirche mit Verlesung von Zeitzeugenberichten zur Deportation nach Gurs, Donnerstag, 19 Uhr.

Friesenheim:

Gedenkveranstaltung der beiden Kirchengemeinden und der Regionalgruppe Geroldseckerland am Gursdenkmal in Friesenheim, Donnerstag, 19 Uhr

Ettenheim:

Gedenkminute von Bürgermeister Bruno Metz bei einer Gemeinderatssitzung, Donnerstag, 19 Uhr,

Schwanau:

Gedenkveranstaltung mit Ausstellung über die Biografien der Opfer und Vortrag von Norbert Klein über das Schicksal der Nonnenweierer Juden. Diese für Donnerstag geplante Veranstaltung ist abgesagt worden. Mehr dazu auf der Seite Ried und Rhein in dieser Zeitung. Kehl: Verlegung von Stolpersteinen mit OB Toni Ventrano, Donnerstag