Manipulierte Abgassysteme kosten VW Milliarden Euro. Verbraucherschützer kämpfen für geschädigte Kunden. Foto: Archiv

Diesel-Skandal: Lahrer Anwälte bei Verhandlungen dabei / "Wir zocken nicht ab"

Lahr - Die Verhandlungen über einen Vergleich im Diesel-Betrug von VW sind geplatzt. Mit am Tisch saß Rechtsanwalt Ralph Sauer von der Lahrer Kanzlei Stoll & Sauer. Er lässt an VW kein gutes Haar mehr.

Fast halbe Million Geschädigte im Kampf gegen VW

Im Abgas-Skandal von Volkswagen fordern rund 450 000 geschädigte Kunden in einer so genannten Musterfeststellungsklage Schadensersatz von VW, weil deren Dieselfahrzeuge durch die Manipulation am Abgaskontrollsystem an Wert verloren haben.

Seit Jahren ist die Lahrer Kanzlei Stoll & Sauer mit diesem Thema befasst. Der Vergleich zwischen Volkswagen und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) scheiterte vor wenigen Tagen.

Live dabei war Rechtsanwalt Ralph Sauer. Ein Blick hinter die Kulissen des bundesweiten Verfahrens.

Weshalb sind die Verhandlungen gescheitert?

Der VW-Konzern stieg erst Ende 2019 in Verhandlungen ein. Es hätte einen Vergleich geben sollen. Im Raum stand eine Entschädigungssumme von 830 Millionen Euro. Doch dann platzte der Handel.

Für die Gründe gibt es unterschiedliche Sichtweisen. VW warf den Anwälten der Gegenseite überhöhte Honorarforderungen vor: insgesamt 50 Millionen Euro. Die Verbraucherschützer sehen das ganz anders. VW habe Minuten vor Ablauf einer Frist noch erklärt, mit den meisten Forderungen einverstanden zu sein. Dann sei urplötzlich über die Agenturen gemeldet worden, die Verhandlungen seien geplatzt.

Wie sieht es Anwalt Sauer?

"Wir wurden an der Nase herumgeführt. Ich bin überzeugt davon, dass das alles von langer Hand vorbereitet war", schimpft der Lahrer Anwalt. VW könne man nicht mehr über den Weg trauen. "Das ist mittlerweile unterirdisch."

Gibt es noch Vertrauen in VW?

Anwalt Sauer sagt nein. Er liefert eine weitere Begründung: VW habe in Hunderten, vielleicht gar Tausenden Einzelvergleichen mit Diesel-Besitzern abseits der Musterfeststellungsklage Einzellösungen gefunden und vor Gerichten rechtlich bindende Einzelvergleiche abgeschlossen.

VW habe sich bereit erklärt, den Kunden Geld zu bezahlen. Doch das komme nicht. Der Konzern verweigere einfach die zugesicherte Bezahlung. Kunden hätten reklamiert, dann Mahnungen geschickt, entsprechende Klagen auf Zahlung zustellen lassen, gegen die VW sich sogar verteidige. "Das ist extrem grenzwertig", findet Sauer. Das Vertrauen in VW? Dahin.

Sind die Diesel-Anwälte tatsächlich Abzocker?

"Völliger Quatsch!", sagt Sauer. 50 Millionen klinge zwar nach viel Geld. Auf den Einzelfall heruntergebrochen bedeute das aber nur rund 120 Euro pro Fall. Die anwaltliche Berufsordnung schreibe klare Sätze für die Gebühren vor und da sei dies vergleichsweise günstig kalkuliert. Schon ein sogenannter "einfacher Rat" bei einem Anwalt wegen einer juristischen Kleinigkeit komme auf 250 Euro.

Weshalb 50 Millionen?

"Wir hätten 450 000 Fälle bearbeiten müssen, mit eigens dafür zu entwickelnder Software, die alleine viele Millionen Entwicklungskosten verschlungen hätte. Wir hätten im Großraum Düsseldorf hunderte Mitarbeiter eingestellt, Räume gemietet und eingerichtet. Wir hätten die Ansprüche geprüft und die Menschen über Chancen und Risiken ihres Angebots aufgeklärt.

Wir wären auch für Rückfragen zur Verfügung gestanden und hätten das Geld an die Betroffenen ausgezahlt – ein riesiger Aufwand. Das war dem VZBV wichtig, weil wir die Verbraucher nicht alleine mit dem betrügerischen Konzern lassen wollten und eine intensive Kontrolle für die Verbraucher gewährleiten wollten. Kontrollieren will sich der VW-Konzern aber nicht lassen. Man fragt sich, warum."

Was bekommen die Kunden jetzt?

Laut VW soll eine Einmalzahlung zwischen 1350 und 6357 Euro pro Wagen bezahlt werden. Die Gesamtentschädigung von 830 Millionen soll weiterhin gelten.

Was rät Anwalt Sauer?

"Das sollte man sich im Einzelfall verdammt gut anschauen. Es kommt auf das Alter und die Fahrleistung an. Ohne Beratung laufen die Kunden schnell in eine Falle."

Info: Alles zurück?

Stoll & Sauer aus Lahr gehört gehört im Dieselskandal zu den bundesweit größten Kanzleien und betreut 15 000 Fälle. Nur ein Teil davon hängt an der Mustersammelklage. Für Mai wird erwartet, dass der Bundesgerichtshof die unklare Rechtslage klärt. Die Chancen stehen laut Sauer gut, dass es zu einem für Verbraucher sehr günstigen Ergebnis kommt: "Bestenfalls kriegen sie den vollen Kaufpreis ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung zurück."