Die Bluttat von Rat am See, für die sich ein Ex-Lahrer verantworten muss, wird ab Montag in Ellwangen verhandelt. Foto: Archiv

Ehemaliger Lahrer muss sich wegen Bluttat in Rot am See verantworten.

+++Update von 12:37 Uhr+++

Vor dem Landgericht Ellwangen hat am Montag der Prozess zum  Sechsfachmord in Rot am See vom Januar begonnen, der einem 27jahrigen ehemaligen Lahrer vorgeworfen wird. Die Mutter, der Vater, zwei Halbgeschwister sowie eine Tante und ein Onkel des Angeklagten waren getötet worden. Unerträglich lange Minuten schilderte der Staatsanwalt beim Vorlesen der Anklageschrift die Details des blutigen Massaker in der Gaststätte, wo Adrian S. seine Verwandten mit einer Pistole niedergestreckt haben soll. Es waren geradezu Hinrichtungen, mit gezielten Kopfschüssen. 

Der Beschuldigte hat zu Beginn der Verhandlung umfangreich ausgesagt. Seine Mutter habe ihn seit seiner Kindheit in Lahr vergiften wollen, mit künstlichen weiblichen Hormonen. Sie habe lieber ein Mädchen haben und ihn später auch zu einer Geschlechtsumwandlung überreden wollen. 

Er habe, gab der jetzt 27-Jährige vor Gericht an, Selbstjustiz verüben wollen und habe deshalb die Polizei über die vermeintliche Vergiftung nicht informiert. Er habe auch mal den Plan gehabt, die Mutter zu foltern, verfolgte das dann aber nicht. Schließlich sei der Plan gereift, die Mutter zu erschießen. Deshalb sei er in einen Schützenverein eingetreten, um Schießen zu lernen. Kurz vor der Tat kaufte er sich dann eine Pistole, legal, mit Waffenbesitzkarte, ergaben die Ermittlungen. Die Ermordung seiner Eltern und der Halbschwester hatte er gegenüber diesen angekündigt, gab er an. 

Adrian S. war zu Beginn des Prozesses mit einer Jacke über dem Kopf in den Gerichtssaal geführt worden. Er war für die zahlreich anwesenden Bildreporter nicht zu erkennen. Nach dem Beginn der Verhandlung kam ein Mann mit langem, wuscheligen Haar zu Tage, er trägt eine Brille mit Metallgestell. Seine Stimme war fest und er gab bereitwillig Auskunft über sich und die Situation. 

Der Prozess geht noch sechs Tage weiter. Geklärt werden muss vor allem, ob der Angeklagte schuldfähig ist. Ein Gutachter wird dies einschätzen. Das Urteil soll am 19. Juli fallen. Bei einer Verurteilung droht  Adrian S. lebenslange Haft. 

Der Artikel zu den Hintergründen:

Lahr/Ellwangen - Vor der Schwurgerichtskammer des Ellwanger Landgericht muss sich ab Montag ein ehemaliger Lahrer (26) verantworten. Ihm wird vorgeworfen, in Rot am See sechs Menschen getötet zu haben. Ob er schuldfähig ist, soll der Prozess zeigen. Die Bluttat vom 24. Januar schockierte im ganzen Land, besonders aber die Menschen im kleinen Ort Rot am See im Kreis Schwäbisch Hall und in Lahr. Sechs Menschen soll Adrian S., der mutmaßliche Täter, mit Heimtücke ermordet haben, gezielt und geplant, mit einer Pistole, die er sich eigens für die Tat legal beschafft hatte.  

Der Prozess: Auftakt für die Verhandlung vor dem Ellwanger Landgericht ist am Montag um 9 Uhr. Sieben Prozesstage hat das Gericht für den Fall angesetzt. Je nach Verlauf der Hauptverhandlung soll am 10. Juli das Urteil gesprochen werden.  

Die Anklage: Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass Adrian S. sechsfachen Mord sowie zweifachen versuchten Mord mit gefährlicher Körperverletzung begangen hat. Anlässlich einer Trauerfeier sei die Familie in Rot am See zusammengekommen. Das habe der Angeklagte geplant genutzt, um seine Mutter und Halbschwester zu töten. Schon längere Zeit habe er diesen Plan gehabt, sagen die Ermittler.

Die Tat: Seine Mutter, seinen von ihr getrennt lebenden Vater und seine Halbschwester soll Adrian S. gezielt mit Kopfschüssen getötet haben. Sein Halbbruder, eine Tante und ein Onkel starben durch weitere Kugeln. 30 Schüsse soll der mutmaßliche Täter abgegeben haben. Zwei weitere Verwandte wurden schwer verletzt, überlebten aber die Schüsse. Zwei Jugendliche sollen bedroht worden sein, konnten aber fliehen. Nach der Bluttat stellte sich der 26-Jährige der Polizei. Drei der sechs Toten stammen aus Lahr. Auch der getötete Vater lebte einst hier.

 Die Erklärung: Im Verhör mit der Polizei soll Adrian S. angegeben haben, dass seine Mutter ihn schon in seiner Jugend habe vergiften wollen, mit der Halbschwester als Komplizin. Sowohl physisch als auch psychisch sei er von der Mutter außerdem misshandelt worden, erklärte er laut Staatsanwaltschaft.   Der Angeklagte: Mehrere Jahre hatte Adrian S. in Lahr bei seiner Mutter gelebt. 2012 machte er am Clara-Schumann-Gymnasium Abitur. Später zog er zu seinem Vater nach Rot am See, der dort eine Gaststätte betrieb. In diesem Gebäude fielen die tödlichen Schüsse. Bis zu seiner Festnahme war der 26-Jährige strafrechtlich nicht aufgefallen. Er soll zuletzt Arbeit gesucht und ein Fernstudium absolviert haben. Bekannte der Familie schilderten ihn gegenüber der Lahrer Zeitung als eher introvertiert und wenig herzlich.

 Die Schuldfrage: Liegt beim Angeklagten eine psychische Störung vor? Das soll die Verhandlung klären, Gutachter werden ihre Einschätzung darlegen. Möglicherweise ist der junge Mann dann nicht oder nur vermindert schuldfähig.  

Das Strafmaß: Dem Ex-Lahrer droht wegen der sechs mutmaßlichen Morde eine lebenslange Freiheitsstrafe. Frühestens nach 15 Jahren kann die lebenslange Haft zur Bewährung ausgesetzt werden. Würde bei ihm eine psychische Störung nachgewiesen, würde dem Angeklagten statt Gefängnis eine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung bevorstehen.

Medieninteresse

Der Sechsfachmord von Rot am See sorgt für großes Medieninteresse. Alle großen Nachrichtenagenturen, bundesweite und regionale Zeitungen, Fernsehen und Hörfunk werden über den Prozess berichten. Plätze wurden teils im Losverfahren vergeben. Die Lahrer Zeitung ist bei der Verhandlung dabei. Wegen Corona ist der Platz im Gerichtssaal begrenzt. Lediglich zehn Zuhörer bekommen Zutritt zur Verhandlung. Film- und Tonaufnahmen des Prozesses sind während der Verhandlung nicht erlaubt, lediglich kurz vor Beginn.