Wolfgang Hoffmann bei der Nestpflege – hier beim Storchennest auf der alten Schule in Niederhausen. Foto: privat Foto: Lahrer Zeitung

Umwelt: Naturschützer über erstes Jungtier seit Jahren auf dem Lahrer Wahrzeichen

Lahr. Nach 45 Minuten Beobachtung ist der erste Jungstorch auf dem Storchenturm in der Innenstadt plötzlich und sicher losgeflogen, erzählt Storchenbetreuer Wolfgang Hoffmann. Im Gespräch mit unserer Zeitung spricht der Experte über ungüstige Brutstätten, die Herkunft der Störche und die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch in den kommenden Jahren wieder Störche in Lahr niederlassen.

Herr Hoffmann, erstmals seit 53 Jahren ist auf dem Storchenturm ein Jungstorch ausgeflogen. Was bedeutet das?

Das zeigt vor allem, dass der Populationsdruck angestiegen ist. Durch die Bestandsstützungsmaßnahmen seit den 1980er-Jahren hat sich die Zahl der Störche wieder stark erhöht. Da aber ihr Lebensraum nicht im gleichen Maß gewachsen ist, nehmen sie nun auch suboptimale Stellen an.

Der Storchenturm ist so eine suboptimale Stelle?

Ja, seit das Gelände, auf dem heute Mosolf ist, bebaut wurde, ist den Lahrer Störchen der wichtigste Nahrungslebensraum entfallen. Normalerweise wollen Störche ihr Futter in unmittelbarer Nähe um das Nest suchen und es dabei auch im Blick haben. Auch das ist in Lahr nicht möglich, da der Storchenturm ja in der Stadtmitte liegt.

Sind Sie überrascht, dass sich dennoch Störche in Lahr niedergelassen haben und einen Jungstorch aufgezogen haben?

Nicht wirklich. Ich hatte damit gerechnet, vorausgesetzt, dass genügend günstige Umstände zusammenkommen. In diesem und im letzten Jahr waren das Wetter und damit die Umstände günstig.

Störche mögen die Hitze?

Nein, es geht um die Zeit von Mai bis Anfang Juni, wenn die Jungstörche heranwachsen. Die Kombination aus Nässe und gleichzeitiger Kälte über mehrere Tage tötet sie. In diesem Jahr war es zwar teils sehr kalt, aber nicht gleichzeitig nass. Das hat den Störchen geholfen, und eventuell der Umstand, dass es in der Stadt nicht ganz so kalt war.

Werden auch in den kommenden Jahren Jungstörche auf dem Storchenturm aufgezogen?

Das wird ein Wechselspiel bleiben. Es ist ja auch in diesem Jahr nur ein Jungstorch durchgekommen, aber immerhin. Die Störche, die dieses Mal auf dem Storchenturm gebrütet haben, werden wohl dem Standort treu bleiben wollen.

Gibt es etwas, was Menschen tun können?

Nein, man sollte es auch unterlassen, Futter anzubieten. Das würde sie nur abhängig vom Menschen machen. Naturnaher Lebensraum, insbesondere feuchte Flächen sind Mangelware – da sollte etwas getan werden!

Wo ernähren sich die Lahrer Störche?

Sie fliegen teilweise weite Strecken, vielleicht auch Richtung Wittenweier oder Unterwassermatten. Das LGS-Gelände ist als Ersatznahrungslebensraum nicht geeignet.

Wie geht es mit den Störchen in Lahr weiter?

Das Junge ist jetzt flügge, aber das Nest wird noch bis Anfang September nachts zum Schlafen genutzt. Dann ziehen die Störche üblicherweise wieder nach Süden. Vielleicht bleiben einige aber auch über den Winter in der Region, vielleicht in der Orangerie in Straßburg, wo gefüttert wird.

Wo kommen die diesjährigen Störche in Lahr her?

Über das Weibchen in Lahr kann ich nichts sagen, weil es nicht beringt ist. Das Männchen ist aber ein anderes als im Vorjahr. Das diesjährige kommt aus Griesheim bei Offenburg. Das konnte ich der Ringnummer entnehmen, die ich mit einem starken Teleobjektiv abgelesen habe.

Was sagen Sie dazu, dass in Lahr wieder ein Jungstorch aufgezogen wurde?

Auf einen Storchenturm gehört eben ein Storch – das ist ein Hingucker. Aber natürlich gehen sie auch ein Risiko ein, dass ihre Brut nicht durchkommt.

Sie betreuen seit 1992 Störchennester. Ist das noch ein Hobby?

Es ist eher eine Leidenschaft. Mit dem Nest in Ettenheim hat 1992 alles angefangen, seitdem habe ich insgesamt mehr als 20 Storchennester betreut. Das ist natürlich mit sehr viel Arbeit verbunden und macht auch nicht immer Spaß. Aber Störche sind eben meine Leidenschaft, weil sich immer wieder die Gelegenheit ergibt, eng mit den Wildtieren zusammen zu arbeiten. Als ich noch beringte, musste ich die Jungvögel ja anfassen und auch die technische Unterstützung durch die Drehleitern der Feuerwehren oder die Hubsteiger der Stromversorgeruntenehmen machen die Sache spannend.   Fragen von Felix Gieger

Seit dem Jahr 1985 ist Wolfgang Hoffmann im Naturschutzbund tätig, seit 1992 ist er zudem ehrenamtlicher Storchenbetreuer in der Region. In dieser Zeit hat er über 20 Storchennester in der Region betreut Hoffmann ist 67 Jahre alt und wohnt in Ettenheim. Bevor er in Rente ging, arbeitete der Storchenbetreuer bei Janoschka in Kippenheim.