Kommissar Facebook: Die Polizei nutzt alle Kanäle, um die Öffentlichkeit für den Fall zu sensibilisieren. Screenshot: Facebook Foto: Lahrer Zeitung

Brandserie: Fallanalytiker über mögliches Motiv, Verdachtsmomente und Erfolgschancen

Lahr und Region. Seit September sind in der Region 22 Autos in Flammen aufgegangen. Die Polizei fahndet mit Hochdruck nach dem Brandstifter, ist aber weiter ohne heiße Spur. Auch für Andreas Tröster, Leiter der operativen Fallanalyse beim Landeskriminalamt, ist der Fall kein alltäglicher. Warum es so schwer ist, dem Täter auf die Schliche zu kommen und es trotzdem Hoffnung gibt, dass die Serie irgendwann ein Ende hat, erklärt der Erste Kriminalhauptkommissar im Gespräch mit der Lahrer Zeitung.

Herr Tröster, mit wem haben wir es in der südlichen Ortenau zu tun – einem frustrierten Einzelgänger, der schon dreimal durch die Führerscheinprüfung gerasselt ist?

Gut analysiert, das ist durchaus denkbar. Nein, im Ernst: Die Erfahrung zeigt, dass die Motivation in solchen Fällen sehr vielschichtig ist. Meistens steckt mehr als ein Grund dahinter. Es ist oft ein Mix aus Aggressivität, Ärger, Neid, Faszination, Neugierde und Aufmerksamkeit, der Menschen dazu treibt, Feuer zu legen.

Das heißt, je häufiger wir berichten und die Leute über ihn reden, desto stärker wird in dem Täter der Drang, das nächste Auto anzuzünden?

Keine Frage, das öffentliche Rampenlicht darf man in solchen Fällen nicht unterschätzen. Die Aufmerksamkeit kann bei einem, der sonst nicht viel hat im Leben, durchaus eine Triebfeder sein.

Sie analysieren seit 20 Jahren Täter und ihre Taten. Hatten Sie es schon einmal mit einem ähnlichen Fall zu tun?

Dieser Fall ist natürlich etwas Besonderes, schon allein wegen der schieren Zahl: 22 Fahrzeuge in fünf Monaten. Allerdings muss man auch festhalten, dass er nicht die Ausnahme darstellt. So eine Serie kommt alle paar Jahre vor. Sie tritt aus heiterem Himmel auf, dauert eine gewisse Zeit und kann dann aber genauso plötzlich wieder enden.

Einfach so, ohne Zutun der Polizei?

Im besten Fall fassen die Ermittler den Täter natürlich. Das ist aber, wie Sie ja gerade mitbekommen, per se sehr, sehr schwierig, wenn es keine Täter-Opfer-Beziehung gibt. Dennoch sind solche Serien häufig Kurzzeiterscheinungen in einem zumeist engen geografischen Raum. Es kommt nicht selten vor, dass sich die Motivationslage, die Lebensumstände oder das Umfeld des Täters ändern und er plötzlich keinen Drang mehr verspürt, ein Feuer zu legen.

Also gilt nicht: einmal Pyromane, immer Pyromane?

Nein, nein. Die Pyromanie wurde von Studien mittlerweile als Mythos entlarvt. Das Krankheitsbild, dass jemand Entspannung und Befriedigung verspürt, wenn er ein Feuer legt, es ansieht und vielleicht sogar noch beim Löschen hilft, ist die absolute Ausnahme. Meistens ist es viel banaler, wie ich es vorhin schon beschrieben habe. Manchmal ist es einfach Übermut, der Menschen zu solchen Taten treibt. Übrigens sagen wir auch nicht Feuerteufel, sondern Brandstifter.

Wenn wir beim Thema Begrifflichkeiten sind: Darf ich Sie eigentlich Profiler nennen?

Am Anfang haben wir uns etwas dagegen gesträubt. Der Begriff Fallanalytiker beschreibt unser Aufgabengebiet besser. Wir erstellen nicht nur Täterprofile, sondern erarbeiten zum Beispiel auch Vernehmungs-, Medienstrategien und Motivbewertungen. Aber man soll ja auch wissen, wer wir sind. Und der Begriff Profiler ist vor allem durch die Medien mittlerweile hoffähig geworden. Deswegen passt das schon.

Es klingt, als könnten auch die Kollegen in der südlichen Ortenau von Ihrem Know-how profitieren. Warum sind Sie nicht in den Fall eingebunden?

Wir sind eine Service-Dienststelle. Das heißt, wir kommen, wenn man uns ruft. Das ist hier nicht geschehen. Die Kollegen in Offenburg werden sicher geprüft haben, ob wir ihnen derzeit von Nutzen sein könnten. Grundsätzlich ist es so, dass wir nicht ermitteln, sondern analysieren. Und so wie sich der Fall für mich aus der Ferne darstellt, gäbe es für uns momentan wenig Täterverhalten zu analysieren.

Sie sprechen es an: Der Täter steckt die Vorderreifen an und macht sich dann aus dem Staub. Dafür braucht er nur ein paar Sekunden. Wie groß ist denn die Chance, den Brandstifter zu fassen?

So traurig es klingt: Im Grunde genommen kann jeder weitere Fall ein kleines Puzzleteil sein auf dem Weg, den Täter zu stellen. Vielleicht gibt er irgendwann ein bisschen mehr von sich preis oder macht einen Fehler, der schlussendlich dazu führt, ihn zu entlarven.

Der Täter lebt unter uns. Woher weiß ich, dass es nicht mein Nachbar ist?

Das weiß man nie. Auch ich würde mir nicht zutrauen, durch die Stadt zu laufen und zu sagen: Der kommt infrage und der nicht. Überspitzt formuliert: Die Täter sind in den seltensten Fällen die Buckligen mit der Warze auf der Nase, sondern meistens die Unscheinbaren und Unauffälligen, denen man es am wenigsten zutraut.

Was raten Sie Menschen, die einen Verdacht haben?

Es ist immer ein schmaler Grat zwischen Nichtssagen und Verleumdungskampagne. Aber wem wirklich etwas merkwürdig vorkommt, der sollte zur Polizei gehen. Die kann den Einzelfall dann prüfen. Man muss sich bewusst sein: Der Brandstifter hat es in der Regel nicht im Griff, dass nur genau das abbrennt, was er will. Es geht nicht nur um Sachwerte, sondern um Menschenleben. Die Fragen stellte     Felix Bender.

Die operative Fallanalyse des LKA ist nicht mit der Brandserie in der südlichen Ortenau betraut. Weshalb, erklärt der Offenburger Polizeisprecher Patrick Bergmann: "Es war natürlich Thema, die Kollegen hinzuzuziehen, aber momentan ist die Erkenntnislage nicht so, dass wir das für erfolgsversprechend halten." Noch habe der Täter nicht genug von sich preisgegeben, sagt Bergmann und bestätigt damit die Einschätzung von Fachmann Tröster. "Selbstverständlich halten wir uns alle Möglichkeiten offen. Wenn sich die Situation ändern sollte, bleibt weiter die Option, die Fallanalyse zu Rate zu ziehen", so Bergmann.