Ludwig Hillenbrand – Mundartautor und pensionierter Lehrer – befürwortet Hochdeutsch als Unterrichtssprache. Foto: Archiv

Bildung: Ex-Rektor des Max-Planck-Gymnasiums zur Forderung von Ministerin Eisenmann, auch im Dialekt zu unterrichten

Landeskultusministerin Susanne Eisenman (CDU) hat sich für die Mundart im Alltag und in den Schulen stark gemacht. Mit ihrem Appell für Dialekt im Unterricht erntet sie Widerspruch bei Ludwig Hillenbrand, langjähriger Rektor des Max-Planck-Gymnasiums – dabei ist er Mundartautor. Wir haben ihn befragt, wie er über Hochdeutsch und Dialekt in der Schule denkt.

Herr Hillenbrand, haben Sie in Mundart unterrichtet?

Nein, die Unterrichtssprache war immer Hochdeutsch. Natürlich mit regional gefärbter Intonation. Es ist ja Aufgabe der Schule, den Kindern und Jugendlichen korrektes Deutsch beizubringen. Und damit hatte man als Lehrer, zumal als Deutschlehrer, genug zu tun.

Außerdem muss ich ja als Lehrer von allen Schülerinnen und Schülern verstanden werden, auch von jenen, die nicht aus der Region stammen, oder die Deutsch nicht als Muttersprache haben. Man kann ja zum Beispiel von einem Kind aus Syrien nicht verlangen, dass es neben Deutsch auch gleich noch Alemannisch lernt.

Wenn nun einer Ihrer Schüler im Unterricht im tiefsten Alemannisch geantwortet hat – haben Sie ihn dann ermahnt, zum Hochdeutsch zu wechseln?

Wenn ich ein Kind, das aus dem Schuttertal oder vom Ried neu ans Gymnasium kam, "ermahnt" hätte, nicht so zu sprechen, wie es dies bisher gewohnt war, hätte ich es total abgeschreckt. Es wäre wohl in nächster Zeit im Unterricht verstummt. Als Mundartsprecher hatte ich ja den Vorteil, dass ich diese Kinder verstanden habe, wenn sie alemannisch gesprochen haben. Und mir war es dann wichtig, dass sie sich am Unterricht auch mündlich aktiv beteiligen, und da darf man sie nicht durch solche unpädagogischen "Ermahnungen" einschüchtern.

Was spricht denn dagegen, dass Lehrer mit ihren Schülern "alemannisch schwätzen"?

Gar nichts! Im persönlichen Gespräch stellt man sich ja auch immer auf seine Gesprächspartner ein. Und dies gilt auch für Lehrer. Außerhalb des Unterrichts kann man mit alemannisch sprechenden Schülern natürlich auch alemannisch reden. Das schafft Nähe und vielleicht sogar Vertrauen, ohne dass man kumpelhaft und aufdringlich wirkt.

Natürlich gibt es auch im Unterricht immer mal Situationen, in denen man sich in der Mundart mit einem Kind unterhalten kann. Und so lernen sie dabei auch, sein Sprechen der jeweiligen Situation und dem jeweiligen Gesprächspartner anzupassen.

Und weshalb soll Mundart dann nicht auch Unterrichtssprache sein?

Das Ziel ist eben die Beherrschung der hochdeutschen Standardsprache. Wenn es aber bedeutet, dass Kinder und Jugendliche Mundarten als erhaltenswertes Kulturgut schätzen lernen sollen, dann ist der Vorstoß der Kultusministerin zu begrüßen.

Mir scheint es wichtig, dass Schüler Sprache allgemein, also auch Mundarten, als etwas Lebendiges, historisch Gewordenes begreifen und schätzen lernen. Mundarten sind keine degenerierten, minderwertigen Abfallprodukte der Hochsprache. Das Alemannische hat ganz alte historische Wurzeln, während die hochdeutsche Normsprache sich erst spät aus den verschiedenen Mundarten entwickelt hat. Sie ist eigentlich eine Art praktische Kompromisslösung, damit sich die Menschen in ganz Deutschland verständigen können.

Eisenmann hat auf Bayern verwiesen, wo die Menschen viel selbstverständlicher in Mundart reden würden. Sollten  wir im Südwesten in diesem Punkt von den Bayern lernen?

Das könnten wir sicher! Wir Alemannen zeichnen uns halt nicht durch ein besonders ausgeprägtes sprachliches Selbstbewusstsein aus. Wir sind eher zögerlich im Gebrauch unserer Mundart und halten uns mit mundartlichen Äußerungen im öffentlichen Raum eher zurück. Bei unseren schwäbischen Nachbarn, glaube ich, muss dieses Selbstbewusstsein nicht mehr extra gefördert werden.

Denn schwäbische Politiker wie Kretschmann oder früher Lothar Späth, Manfred Rommel, Theodor Heuss und viele andere haben sich öffentlich immer viel selbstverständlicher zu ihrem "Schwäbischen" bekannt. Unser Alemannisch klingt nur bei Wolfgang Schäuble hörbar durch, oder auch bei Jogi Löw. Christian Streich jedoch verfügt souverän über dieses sprachliche Selbstbewusstsein, das die Kultusministerin erreichen möchte.

Sie sind ein großer Freund der Mundart. Was lieben Sie daran?

Die Farbigkeit, das Kernig-Kraftvolle, die Bildhaftigkeit unseres Dialekts. Vor allem die alten Begriffe, die oft auch auf andere europäische Sprachen verweisen, und die ganz konkreten, anschaulichen Redensarten, die wir im Alemannischen haben. Und Mundart ist Heimat! Schön fand ich neulich folgende Formulierung in einer Zeitung: "Dialekte sind wichtig, weil sie unsere kalte globalisierte Welt etwas wärmer machen."

Wenn nun aber nicht in Mundart unterrichtet werden soll, wie kann sie dann erhalten werden?

Indem man den Kindern und Jugendlichen Mut macht, zu ihrer Muttersprache zu stehen. Indem man ihnen deutlich macht, dass Sprache so etwas ist wie soziale und emotionale Heimat. Daher soll man sich unbedingt auch im Unterricht mit dem Thema Mundart beschäftigen.

Sie war immer wieder auch Gegenstand in meinem Deutschunterricht. Ich habe Brucker-Texte behandelt, auch mittelhochdeutsche Texte von Walther von der Vogelweide und dabei zu zeigen versucht, wie sich unsere Mundart aus sehr alten Sprachformen entwickelt hat und wie sie sich grammatikalisch und lautlich vom Neuhochdeutschen unterscheidet.

Als bekennender und praktizierender Mundartsprecher meine ich, dass Jugendliche ein Bewusstsein davon bekommen sollten, dass es von Vorteil ist, wenn man über verschiedene Varietäten und Ausdrucksformen des Deutschen verfügen kann.

Und zu diesen Varietäten gehören eben auch die Mundarten. Ziel müsste es sein, den Schülerinnen und Schülern das Bewusstsein zu vermitteln, dass es ein Vorteil ist, neben der Hochsprache auch einen Dialekt zu beherrschen. Ihnen sollte klar werden: Dialektsprechen ist kein Defizit, sondern ein Zuwachs an Sprachkompetenz!

Wie verbringen Sie diesen Pandemie-Sommer?

Mir wird es nicht langweilig: Arbeit im Garten, Mithilfe im Haushalt, Lesen, Schreiben. Als Schriftleiter der Vereinszeitschrift des TV Lahr bin ich gerade in diesen Corona-Zeiten besonders gefordert. Da monatelang kein Training, keine Wettkämpfe, keine Veranstaltungen, Ausflüge, Geburtstagsfeiern stattgefunden haben, musste und muss ich mir selbst was einfallen lassen und vieles selbst aus der Tastatur pressen, um die Hefte zu füllen.

Dann war ich als Jurymitglied tätig beim Schreibwettbewerb des Autorennetzwerks Ortenau/Elsass. Und als Mitglied der Jury zum Murre-Wettbewerb bin ich derzeit dabei, die anonym eingegangenen Texte zu sichten und zu prüfen. 

Info: Zur Person

Ludwig Hillenbrand, 1939 in Offenburg geboren und in Fessenbach aufgewachsen,  war von 1965 bis 2003 Lehrer für  Deutsch- und Englisch am Max-Planck-Gymnasium in Lahr. Von 1986 bis zur Pensionierung 2003 war  er dort auch Schulleiter. Hillenbrand ist ein erfolgreicher Mundartautor.