Der SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch (links) sprach mit Rainer Hugelmann (Zweiter von links) und Michael Schmiederer (rechts). Das Gespräch war vom SPD-Landtagskandidaten Karl-Rainer Kopf (Zweiter von rechts) vermittelt worden. Foto: Schabel

Corona: SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch in Lahr / Chef der Werbegemeinschaft übt scharfe Kritik

Lahr - Der stationäre Handel braucht dringend Hilfe, mit dem perspektivlosen Lockdown darf es so nicht weitergehen. Das betonten Möbelhaus-Inhaber Rainer Hugelmann und Michael Schmiederer, Chef der Werbegemeinschaft, gegenüber Andreas Stoch.

Händler werden aus seiner Sicht von der Politik im Stich gelassen

Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl war am Mittwoch in Lahr, unterhielt sich erst mit Bürgermeister Guido Schöneboom über das städtische Konzept, Fachkräfte für Kitas zu gewinnen, danach hörte er sich die Sorgen der Einzelhändler an.

Diese Sorgen sind groß, die Ladenbesitzer leiden unter den verschärften Beschränkungen im Kampf gegen die Pandemie. Während der Onlinehandel boomt und auch Lebensmittelhändler gute Geschäfte machen, stürzte etwa der Textilhandel tief in die Krise, verdeutlichte Michael Schmiederer.

In den Regalen würde sich die Winterware stapeln, während die Frühjahrs- und Sommer-Kollektionen längst bestellt seien, so der Inhaber des Modehauses Feldmüller-Fank. Für die Modebranche sei der Lockdown ein Desaster, "ich muss Ware bezahlen, die ich nicht verkaufen kann", hob er hervor.

Der Vorsitzende der Lahrer Werbegemeischaft sagte Sätze, die man so von ihm noch nicht gehört hatte. "Wir erleben gerade das größte Politiversagen in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg", so Schmiederer. Dabei kritisierte er nicht die verordneten Geschäftsschließungen, sondern dass die Händler aus seiner Sicht von der Politik im Stich gelassen werden.

Vor allem ausbleibende Staatshilfen monierte er. "Wir Unternehmer tragen die Hauptlast", stellte er fest. Schmiederer gab auch einen Einblick in die dramatische Situation von Beschäftigten seines Unternehmens, denen das Kurzarbeitergeld kaum ausreichen würde, um ihre laufenden Kosten zu begleichen.

Dem SPD-Landesvorsitzenden gefiel Schmiederers Wortwahl teils nicht, vor allem am Verwurf des "Politikversagens auf allen Ebenen" störte sich Stoch. "Die Diskussionen mit Menschen, die wegen Corona einen Angehörigen verloren haben, laufen anders", sagte er zu Schmiederer.

Und: "Man macht Politik nicht, um jemandem zu schaden." Dann äußerte er aber doch Verständnis für Schmiederer: "Ich bin auch sauer darüber, dass Gewerbetreibende monatelang auf ihr Geld warten müssen."

Mit dabei war auch Peter Spindler. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden forderte, dass "zwischen gefährlichen und ungefährlichen Konkakten unterschieden werden soll". Dann könnten nämlich auch Geschäfte öffnen, die heute noch geschlossen sind.

Das "Lahrer Modell"

Entsprechend kam Gastgeber Rainer Hugelmann vor allem auf die großflächigen Verkaufsräume der Möbelbranche zu sprechen, in denen sich Abstandsregeln gefahrlos umsetzen ließen. "Wir haben hier 13 .000 Quadrateter Veraufsläche und im Schnitt 50 Kunden am Tag. Was soll da passieren", sagte Hugelmann und zeigte mit ausholendenr Armbewegung auf die Möbelausstellung.

"Die extrem einschneidenden Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung verlangen uns sehr viel ab und bringen uns teilweise bis an die Grenzen unserer Belastbarkeit", so Hugelmann. Er forderte, "alternative Konzepte zu entwickeln, um den Niedergang unseres Möbelhauses und des ganzen stationären Einzelhandels zu verhindern". Zum Beispiel seien Hausbesuche eines Verkaufsberaters beim Kunden erlaubt. Hugelmann wünscht sich, dass auch Kunden im riesigen Möbelhaus beraten werden dürfen. Denn dort ließen sich Infektionen viel besser verhindern als im privaten Bereich, argumentierte er. Nach diesem Konzept sollten Möbelhäuser wieder öffnen dürfen, forderte Hugelmann.

Andreas Stoch hatte sich bei seinem Lahr-Besuch am Mittwoch auch die Situation an Schulen und Kitas schildern lassen. Mehrere Esperten aus SPD-Kreisen diskutierten mit ihm und schilderten teils dramatische Situationen für Schüler und Eltern. Darüber werden wir noch gesondert berichten. Bürgermeister Guido Schöneboom informierte bei diesem Zusammentreffen auch über die Kampagne der Stadt, bei der Kräfte für die Kitabetreuung aus branchenfernen Bereichen qualifiziert werden (siehe Info).

SPD-Spitzenkandidat Andreas Schoch zeigte sich interesssiert am "Lahrer Modell", bei dem Quereinsteiger aus anderen Branchen in einem speziellen Projekt der Stadt und anderer Partner fit für den Einsatz als Kita-Kräfte gemacht werden.

Guido Schöneboom als Schulbürgermeister informierte den SPD-Mann über die ersten Erfolge. Wir hatten über das Projekt bereits mehrfach berichtet. Die Finanzierung dieses Modells läuft über die Stadt, doch diese Unterstützung lohne sich langfristig, meinte Schöneboom.

Stoch wollte über das Lahrer Modellprojekt noch mehr wissen und wird jetzt weitergehende Informationen im Nachgang bekommen. Es könnte auch für andere Kommunen interessant sein, regte der Ex-Kultusminister bei dem Gespräch im Vereinsheim des TV Dinglingen an.