Guido Schöneboom sprach über seine Sicht der Ereignisse im Herbst 1989. Foto: Haberer Foto: Lahrer Zeitung

Mauerfall: Guido Schöneboom spricht über Herbst 1989 in Leipzig / Am 9. November sah er "Der Exorzist"

Im Vorfeld zum 30. Jahrestag des Mauerfalls hat die VHS am Mittwochabend zu einem Zeitzeugengespräch mit Bürgermeister Guido Schöneboom geladen. Rund eine Stunde lang skizzierte er seine Sicht der Ereignisse im Herbst 1989.

Lahr. Guido Schöneboom hat sich als Fan des singenden Baggerfahrers Gerhard Gundermann aus der Lausitz geoutet. Er hat den 1998 verstorbenen Liedermacher zwar nur ein einziges Mal getroffen. Gundermann ist aber der einzige, von dem er jemals ein Autogramm erbeten hat.

In Wechselschicht an Demos teilgenommen

Die Zeit des Mauerfalls hat der erste Beigeordnete der Stadt Lahr als junger Lehrer in Leipzig erlebt. An "Montagsdemos" im Oktober 1989 haben Schöneboom und seine Frau in Wechselschicht teilgenommen. Jeweils einer der beiden hat zu Hause die Kinder gehütet.

Am 9. November, am Tag des Mauerfalls, sind sie dann nach Berlin gefahren und in das bunte, pulsierende Leben auf dem Kurfürstendamm eingetaucht.

Am Ende des Tages seien sie in einem Kino und in dem Film "Der Exorzist" gelandet. "Wir haben gar nicht geschaut, was auf dem Programm steht", erinnert sich Schöneboom an den geschichtsträchtigen Tag. Er ist weit davon entfernt, die Zeit des geteilten Deutschlands zu verklären, die ehemalige DDR in nostalgisch geschönten Bildern wieder aufleben zu lassen. Seine Erinnerungen ließen aber durchaus eine ambivalente Sichtweise erkennen.

"Die innerdeutsche Grenze war eine Systemgrenze", unterstrich Schöneboom. Als junger Oberschullehrer, habe er seinen Schülern wenige Monate vor dem Mauerfall noch erläutert, warum die Menschen in der BRD vor allem auch Geiseln des Kapitalismus seien. Eine "Republikflucht" stand bei Guido Schöneboom und seiner jungen Familie nie auf der Tagesordnung, auch wenn in der Messestadt Leipzig vieles offener und durchaus auch kritischer gesehen wurde als in anderen Teilen der DDR.

Gorbatschow als Hoffnungsträger

Die Generation des 1965 geborenen Bürgermeisters, ist mit dem sozialistischen System groß geworden, hat sich trotz Westfernsehen und anderen Einflüssen notgedrungen mit ihm arrangiert. Eine Wiedervereinigung und den rasanten Systemwechsel, hatte auch im Herbst 1989 kaum einer auf der Agenda, wie Schöneboom betonte.

Die von Michail Gorbatschow eingeleitete "Perestroika" wurde vor allem mit der Hoffnung auf Reformen verknüpft. Der Widerstand der SED hat gleichzeitig die Furcht genährt, das Regime könnte wie in China die Panzer auffahren lassen. In Schönebooms Erinnerungen blühen die kleinen Freiheiten im Privaten und die tägliche Auseinandersetzung mit der Mangelwirtschaft auf. Kinderbetreuung und Bildung, das Gesundheitswesen waren in der DDR vorbildlich, viele Strukturen am Alltag der Menschen ausgerichtet, so der Bürgermeister.

Schöneboom betrachtete den rasanten Wirtschaftsumschwung durchaus auch kritisch. Er habe viel zu viele "Verlierer" produziert. In seinem Vortrag tauchen aber auch Bilder auf, die von sportlichen Erfolgen der DDR erzählen, an die gesamtdeutsche Solidarität nach der Hochwasserkatastrophe in Dresden und an das "Sommermärchen 2006" erinnern.

Der im Anschluss gezeigte Film "Gundermann" erzählt die Geschichte des singenden Baggerfahrers und Liedermachers Gerhard Gundermann. Zum Jubiläum "30 Jahre Mauerfall" hat Guido Schöneboom "Die Seilschaft", die ehemalige Band Gundermanns, zu einem Konzert, am Samstag, 9. November, in den Schlachthof eingeladen. Beginn ist um 20 Uhr. Um 19 Uhr ist ein weiteres Zeitzeugengespräch mit einigen Bandmitgliedern angesetzt.