Die traurige Nachricht am 16. Januar 1886 in der Lahrer Zeitung über den Waldarbeiter-Unfall zwischen Kippenheim und Sulz.Repro: LZ Foto: Lahrer Zeitung

Ein steinaltes Kreuz im Sulzer Wald, auf dem Wander- und Forstweg Richtung Haselstaude, gibt Rätsel auf. Warum steht es dort, mitten im Wald? Was ist seine Geschichte? Wir haben im Archiv der Lahrer Zeitung gestöbert und das Rätsel gelüftet.

Sulz. Es ist einer der schönsten Spazier- und Wanderwege im reich an Pfaden gesegneten Lahrer Stadtteil Sulz, der Weg entlang des Augrabens am Uhlsberg, der südlich zur Haselstaude auf Kippenheimer Gemarkung führt. In diesen Tagen leuchten uralte Buchen mit herrlich frischem Grün saftig grün in den Himmel. Viele Baumriesen mussten in den vergangenen Monaten dort weichen, Holzmacher haben kräftig eingeschlagen. Doch der Wald in diesem lieblichen Tal scheint noch sehr gesund zu sein. Ideal für Feierabendspaziergänge, Joggingrunden, Wochenendausflüge.

Wer war dieser L. Kalt?Und warum ein Kreuz?

Tatsächlich ist der Weg nicht nur bei Sulzern beliebt. Wer ihn geht und im prallen Buchengrün badet, übersieht leicht ein historisches Relikt, das da nach einigen Hundert Metern von Sulz aus gesehen am linken Berghang steht: ein Kreuz aus Eisen, gut erhalten, eingelassen in einen roten Sandstein und begleitet von weiteren Steinblöcken. Eine Inschrift ist zu erkennen, mit einem Datum längst vergangener Zeiten: 12. Januar 1886. Und darüber ein Kreuz und ein Name: "L. Kalt."

Was war hier los, weshalb ein Kreuz am Waldesrand? Da geht der erste Blick in die Sulzer "Heimatbibel", das Buch "Sulz und Langenhard" von Heimatforscher und Historiker Walter Caroli. Voriges Jahr, zum Dorfjubiläum, hat der Lahrer das Geschichtswerk veröffentlicht. Tausende Details zu Sulz findet man in den 631 Seiten des Caroli-Buches. Doch vom eisernen Kreuz im Augraben-Wald? Keine Spur.

Also ein Anruf bei Walter Caroli, denn dieser konnte längst nicht alles Wissen über Sulz in sein Buch pressen, wie er bei der Vorstellung gesagt hatte. "Ein Kreuz mitten im Wald am Augraben? Hm. Da weiß ich auch nicht weiter", meint der Sulz-Kenner – und ist natürlich angestachelt, der Sache auf den Grund zu gehen.

Nur wenige Tage später lüftet Walter Caroli dann das Geheimnis um das Sulzer Waldkreuz, unerwartet mit Hilfe der Lahrer Zeitung. Denn in deren Archivbestand findet sich der entscheidende Hinweis zu diesem Relikt, wie Caroli entdeckt.

"Ich habe die entsprechenden Zeitungsausgaben des Januar 1886 durchgeschaut und bin tatsächlich auf eine Begebenheit gestoßen, auf die das Kreuz im Sulzer Wald zurückzuführen sein dürfte", enthüllt der Historiker. Auf die alten LZ-Bände hat er Zugriff, sie sind aufwendig vom Stadtmuseum Lahr digitalisiert und damit nutzbar gemacht worden.

In der Ausgabe vom 16. Januar 1886, vor 135 Jahren, vermeldete die Lahrer Zeitung einen "traurigen Unglücksfall" in Kippenheim am "verwichenen Montag". So sagte man damals für "vergangenen" oder "vorigen" Montag. Dieser Begriff ist längst aus der heutigen Sprache verschwunden. Den Rest dieser winzigen Zeitungsmeldung, die man wie ein Spürhund auf der großen Zeitungsseite erst mal entdecken muss, versteht man aber problemlos. Ein 52-Jähriger war im Kippenheimer Gemeindewald beim Holzmachen von einem Baum erschlagen worden, vermutlich just an der Stelle des Kreuzes.

"Derart zerquetscht" sei er dabei worden, schildert die historische Meldung, "dass er alsbald seinen Geist aufgab". Das klingt makaber, diese Umschreibung nutzt man heute höchstens noch für Maschinen, Autos, aber nicht für Menschen. Auch werden längst die Namen von Verunglückten nicht mehr öffentlich genannt. Es sei denn, sie sind Personen des öffentlichen Lebens, Prominente. Ob Leopold Kalt dereinst ein solcher war? Kalt ist jedenfalls, das weiß Walter Caroli, ein Ur-Sulzer Name.

Mit diesem Fundstück aus dem LZ-Archiv kommt viel Licht ins Kreuz-Rätsel. Doch es gibt noch Fragen: Wer sorgt sich heute noch um das Gedenkkreuz für den vor 135 Jahren verunglückten Waldarbeiter? Die Fläche rund um das Kreuz ist stets gepflegt und gemäht, Büsche werden kleingehalten. Gibt es Angehörige? Walter Caroli weiß es nicht, vielleicht bringt dieser Text hier weitere Hinweise zutage. Klar ist jedenfalls, dass das Unglück nicht auf Sulzer, sondern schon auf Kippenheimer Gemarkung passierte.

Ein Blick in die restliche Meldung aus Kippenheim vom 16. Januar 1886 bringt dann am Rande noch einen weiteren Unglücksfall ans Licht. In selbiger Woche verunglückte noch ein weiterer Mensch schwer. Ein Landwirt, der von der Heubühne stürzte und sich dabei so schwer verletzte, dass er diesen Sturz wohl nicht überlebt haben dürfte. Jedenfalls schrieb der Redakteur seinerzeit, "dass an seinem Aufkommen gezweifelt" wurde. Traurige Nachrichten, längst vergessen – und nun erneut wieder in der Lahrer Zeitung.

Viele geschichtliche Einblicke über Sulz bietet Walter Carolis 2020 erschienenes Buch "Sulz und Langenhard – Tradition und Aufbruch", aus dem Verlag Ernst Kaufmann. Es ist zu beziehen über den Buchhandel und beim Autor, für 25 Euro.