Amtsgericht: Urteil trifft 58-jährige Hartz-IV-Empfängerin empfindlich

Lahr. Das Lahrer Amtsgericht hat eine 58-jährige Frau verurteilt, die bei einer Personenkontrolle Polizeibeamte bespuckt und getreten hat. Die Angeklagte ist körperlich behindert, hat eine kleine Rente und bezieht als Aufstockerin Hartz IV. Die Geldstrafe von 960 Euro trifft sie deshalb empfindlich. Das Verfahren hätte aber auch mit einer Freiheitsstrafe enden können, sagte Tim Richter, der die Strafprozesse am Lahrer Amtsgericht leitet.

Im Oktober wurden die zwei Beamten, die auch als Zeugen fungierten, als Verstärkung wegen eines anderen Vorfalls in die Schwarzwaldstraße gerufen. Ein Streit sei eskaliert, es habe eine "unübersichtliche Situation" geherrscht. Die Beschuldigte sollte als mögliche Tatbeteiligte vernommen werden. Doch die Frau habe sich widersetzt, als ihre Personalien aufgenommen werden sollten. Daraufhin wollten die Beamten mit der Beschuldigten zum Einsatzfahrzeug gehen.

Mehrfach nach dem Beamten getreten

Sie hätten sie an beiden Seiten an den Armen gehalten. Dabei habe die Frau mehrfach nach dem einen Beamten getreten. In der Nähe des Fahrzeugs hat einer der Beamten die Frau auf den Boden gezwungen und beide haben der Frau Handschellen angelegt. Bei dem Vorgang soll die Frau einem Beamten zweimal ins Gesicht gespuckt haben. Außerdem soll sie gerufen haben, dass sie HIV-Positiv sei und Hepatitis C habe.

Die Frau schilderte die Situation anders. Sie könne sich nicht erklären, warum die Beamten plötzlich Gewalt angewendet haben. Sie sei nach einem Herzinfarkt auf der rechten Seite gelähmt, daher seien die Handschellen auf dem Rücken sehr schmerzhafte gewesen. "Ich bin eine Frau, wiege 50 Kilo, warum legen die sich auf mich?"

Sie hatte auf einen Anwalt verzichtet. Daher stellte sie den Aussagen der Polizisten wiederholt ihre eigenen Aussage gegenüber. Dass sie hier Fragen stellen müsse, wie der Richter immer wieder erklärte, war ihr erst bei der zweiten Zeugenaussage klar geworden. Sie stellte dann auch die Frage, warum man ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt hatte und warum man sie auch auf dem Revier gefesselt gelassen hatte. Der eine Beamte erklärte, dass eine Fesselung der Hände auf dem Rücken in so einem Fall die Regel sei. So sei gewährleistet, dass Widerstand nicht mehr möglich sei. Dass die Frau eine Behinderung hatte, haben die Beamten bei der Festnahme nicht wahrgenommen. Da hatte Steffen Vogt als Vertreter der Staatsanwaltschaft nachgefragt. Beide Beamte sagten aus, dass die Frau mit dem rechten Bein wiederholt getreten hatte. Das räumte die Frau dann ein, ebenso die – allerdings verheilte – Hepatitis. "Das mit Aids ist Blödsinn."

Aufgrund des Strafregisters machte Tim Richter der Verurteilten klar, dass er die Zeugenaussagen der Beamten für glaubhaft halte. Er folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Die Höhe reduzierte er aber von den geforderten 20 Euro auf die im Fall von Hartz IV üblichen acht Euro.