Blick auf die Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen Foto: Seeger Foto: Lahrer Zeitung

Ermittlung: Nachwuchs soll rechtsextreme Inhalte versendet haben / Gewerkschaftschef fordert faires Verfahren

Rechtsextremes Gedankengut sollen angehende Polizeibeamte über einen geheimen Chat ausgetauscht haben. Die Konsequenzen können drastisch sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits.

Offenburg/Lahr. Sie sollen Nachrichten mit rechtsextremem Inhalt in einer geschlossenen Whatsapp-Gruppe ausgetauscht haben. Diese Chats haben nun drastische Folgen für sieben Polizeischüler aus dem Südwesten. Bereits am Mittwoch wurde bekannt, dass die Schüler der Polizeihochschule vom Dienst suspendiert wurden. Doch damit hat sich die Angelegenheit wohl noch nicht erledigt. Nun schaltet sich auch die Staatsanwaltschaft Offenburg ein und stellt Ermittlungen an. Es gehe um den Verdacht des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, teilte ein Sprecher der Behörde am Donnerstag mit.

Die Schüler hatten sich seit September 2019 in Lahr (Ortenaukreis) in der Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsdienst befunden. Inzwischen sind sie vom Dienst suspendiert und damit von der Ausbildung ausgeschlossen wegen erheblicher charakterlicher Mängel. Sie sollen endgültig aus dem Polizeidienst entfernt werden. Auch Polizeischüler stehen in einem Dienstverhältnis mit dem Land.

Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, legt besonderen Wert auf ein faires Verfahren und betont: "Zunächst gilt auch für angehende Polizeibeamte die Unschuldsvermutung. Wir müssen jetzt die Ermittlungen abwarten." Und das könne dauern, ließ die Staatsanwaltschaft bereits durchblicken. "Wir werden nun die Handyinhalte auswerten." Das werde einige Zeit in Anspruch nehmen.

Bei der Hochschule gilt der Grundsatz: hinschauen, wahrnehmen, reagieren

Auf die mutmaßlich rechten Umtriebe sei man durch Wahrnehmungen der Vorgesetzten und anderer Polizeischüler gekommen, teilte die Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen mit. "Wir sind in diesem Bereich hochsensibel, reagieren sofort und gehen konsequent Verdachtsmomenten nach, die Bestrebungen oder Gesinnungen zum Gegenstand haben, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten." Bei der Hochschule gelte der Grundsatz: hinschauen, wahrnehmen, reagieren.

Über die Herkunft der Verdächtigen macht die Polizei mit Hinweis auf ihre Persönlichkeitsrechte keine Angaben. Auch die Frage, wann die beschuldigten Polizeischüler damit begonnen haben sollen, Nazi-Gedanken zu äußern, lässt die Hochschule unbeantwortet, da dies Gegenstand der strafrechtlichen und dienstrechtlichen Ermittlungen sei.

Nun stellt sich die Frage: Sollte die Polizei ihre Ausbildung neu gestalten? "Erst mal muss dieser Fall sauber aufgearbeitet werden, ehe man konkrete Konsequenzen daraus zieht", erklärte ein Sprecher des Landes-Innenministeriums in Stuttgart und warnte vor unüberlegten Schnellschüssen. Dennoch scheinen die jüngsten Ereignisse bereits bei der Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz Gehör gefunden zu haben. Sie habe bereits die Idee eingebracht, das Thema rund um den Antisemitismus verstärkt in die Ausbildung zu integrieren, sagte der Behördensprecher. Hier wolle man nicht auf die Kompetenzen des Antisemitismusbeauftragten Michael Blume verzichten.

Derzeit befinden sich rund 4500 Auszubildende, einschließlich Praktikanten, bei der Polizei in Ausbildung, wie der Sprecher des Innenministeriums mitteilte. Davon sind allein mehr als 1000 am Standort Lahr in Ausbildung oder von dort aus im Praktikum. "Politische Einstellungen von Beamten werden in Baden-Württemberg nicht erhoben oder abgebildet." Sie müssten sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. "Sie müssen bereits bei der Einstellung nach entsprechender schriftlicher Belehrung eine Erklärung zur Verfassungstreue abgeben."

Einen direkt vergleichbaren Fall habe es an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg bisher nicht gegeben, hebt ihr Sprecher auf Nachfrage hervor. Im aktiven Dienst dagegen sieht die Lage anders aus: Dem Innenministerium sind laut einer Pressemitteilung, die unserer Zeitung vorliegt für das Jahr 2019 drei Fälle bekannt, in denen rechtsextreme Äußerungen zu disziplinarrechtlichen Prüfungen geführt haben. Zwei dieser Verfahren laufen aktuell noch, im dritten Fall zog der Betroffene Beamte selbst die Konsequenzen und hatte seine Entlassung beantragt.