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Corona: Todesfall in Sankt Hildegard in Seelbach, Durch hohe Sicherheitsvorkehrungen droht Vereinsamung der Bewohner

Seelbach/Lahr - Das Coronavirus kann für alte und kranke Menschen zur tödlichen Gefahr werden, Alten- und Pflegeheime im Raum Lahr stehen deshalb vor großen Herausforderungen. Ein Bewohner des Heims Sankt Hildegard in Seelbach ist an Covid-19 gestorben. Der Mann, mehr als 80 Jahre alt, war ins Krankenhaus eingeliefert worden, wo er positiv auf Corona getestet wurde. Die Ärzte konnten ihn nicht mehr retten (wir haben berichtet).

Sankt Hildegard in Seelbach: In dem Caritashaus hat es den ersten positiven Corona-Test am 23. März gegeben, und zwar bei einem Mitglied des Personals, teilt Mirko Poetzsch aus dem Vorstand des Caritasverbands Lahr auf Nachfrage mit. Wenige Tage später wurden Bewohner mit Symptomen der Lungenkrankheit in die Kliniken in Lahr und Kehl gebracht.

Spur der Infektion bislang unklar

Insgesamt fünf Bewohner erkrankten an Corona. Es gab einen Todesfall, drei Bewohner befinden sich in Kliniken, ein weiterer wird im Heim isoliert. Außerdem haben sich zwölf Mitarbeiter aus Pflege und Verwaltung angesteckt, die sich in häuslicher Quarantäne befinden. Poetzsch steht in Kontakt mit ihnen und teilt mit, dass sie teils leichte, teils aber auch stärkere Krankheitssymptome aufweisen.

Es sei nicht mehr nachzuvollziehen, wie das Coronavirus ins Haus gekommen ist, stellt Poetzsch fest. Niemand aus dem Personal habe sich zuvor in einem Risikogebiet aufgehalten.

Mitarbeiter aus anderen Heimen müssen einspringen

Insgesamt hat das Heim rund 65 Mitarbeiter. Die nun entstandene Lücke beim Personal hat der Caritasverband dadurch geschlossen, dass er Mitarbeiter aus seinen anderen drei Pflegeheimen nach Seelbach verlegt hat. Die Belegschaft mache das Beste aus der schwierigen Situation und unternehme alles, um den Bewohnern den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, so Poetzsch.

Für die Bewohner ist nun vieles anders. Das gemeinsame Frühstück und Mittagessen gibt es nicht mehr, die 45 Senioren speisen in ihren Zimmern, um Ansteckungen auszuschließen. Zu dem Zweck tragen die Mitarbeiter in der Pflege Mund-Nasenschutz-Masken, Handschuhe und Kittel. Poetzsch ist froh, dass zwei Mitarbeiterinnen der Seelbacher Dorfhelferinnen täglich vorbeikommen, sodass die Bewohner soziale Kontakte haben. Auch Spaziergänge im Hausgarten, bei denen die Bewohner sich die Beine vertreten und frische Luft schnappen können, gibt es.

 Die weiteren drei Pflegeheime des Caritasverbands Lahr: Auch in Sankt Elisabeth und Sancta Maria in Lahr sowie in Sankt Marien in Ettenheimmünster sind die Sicherheitsvorkehrungen hoch. Die drei Häuser – in denen es keine positiv auf Corona getesteten Bewohner gibt – verfügen zusammen über rund 250 Betten, die voll belegt sind. Doch auch hier müssen die Senioren sich umstellen, denn am 12. März hat die Landesregierung ein allgemeines Besuchsverbot für Pflegeeinrichtungen erlassen. Seither dürfen auch die Häuser der Lahrer Caritas nicht mehr zu Besuchszwecken betreten werden.

Kontakt nur über Telefon möglich

Eine Maßnahme, die die Bewohner hart trifft – Menschen, die ohnehin oft sehnlichst auf die Besuche ihrer Kinder oder Enkelkinder warten. Um mit ihren Angehörigen in Kontakt zu bleiben, können sie telefonieren. Außerdem will der Caritasverband Videoanrufe per Skype ermöglichen, sodass die Bewohner ihre Lieben auch sehen können. Dafür werden die Tablets, auf denen sonst Pflegedaten dokumentiert werden, umfunktioniert. Poetzsch betont, dass man alles tut, um den Bewohnern in der schwierigen Lage zu helfen.

Doch die Heime brauchen auch selbst Unterstützung. Denn Pflege ohne körperliche Nähe ist nicht möglich, deshalb hat das Thema Schutzausrüstung eine hohe Priorität. "Bei den Masken wird es eng", so Poetzsch. Am Montag dieser Woche habe man vom Gesundheitsamt zwar 20 Masken für Sankt Hildegard erhalten, am Dienstag dann noch insgesamt 90 für die anderen drei Häuser. Doch das reiche nicht. Deshalb ist Poetzsch dankbar, dass die beiden Lahrer Häuser der Caritas am Mittwoch 2000 Schutzmasken über die Stadt Lahr erhalten haben.

In den Pflegeheimen des Caritasverbands Lahr tragen nicht nur die Mitarbeiter in der Pflege, sondern auch sämtliche Verwaltungsangestellten während der Arbeit Schutzmasken.

Personal und Bewohner unter besonderer Belastung

Im Gespräch mit unserer Zeitung hebt Poetzsch die derzeitige Belastung des Pflegepersonals hervor. Man wolle alles tun, um den Mitarbeitern den Rücken freizuhalten, sie bestmöglich unterstützen und schützen. Deshalb müsse die notwendige Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werden.

Pflegeheime Kenk: Edgar Kenk betreibt in Lahr, Herbolzheim, Mahlberg und Ettenheim sechs Pflegeheime, in denen insgesamt 300 Bewohner von 370 Mitarbeitern versorgt und betreut werden. "Wir sind vom Coronavirus bisher Gott sei Dank verschont worden", atmet er auf.

Seine größte Sorge gelte der Gesundheit der Bewohner und des Personals, deshalb trage er die Maßnahmen der Landesregierung – etwa das Besuchsverbot – voll mit, so Kenk. Die Mitarbeiter würde er "sensibilisieren", damit sie sich auch privat verantwortungsvoll verhalten und kein Ansteckungsrisiko eingehen. "Denn eins ist klar: Wenn das Virus jetzt in eines unserer Heime kommt, dann nur von außen", verdeutlicht er.

Angst nehmen und Bewohner schützen

Im Gespräch mit den Bewohnern gelte es jetzt, den richtigen Ton zu treffen, so Kenk: Man wolle ihnen die Angst vor Corona nehmen, sie aber auch "dringlichst" davon abhalten, Spaziergänge außerhalb der Heime zu unternehmen. Frische Luft schnappen könnten die Bewohner in den Hausgärten, wo sie vor einer Ansteckung sicher seien.

Sehr wichtig sei es jetzt, der Vereinsamung der Bewohner entgegenzuwirken, hebt Kenk hervor. Zu diesem Zweck habe man Videotelefonate eingeführt, "Besuche am Fenster", bei denen sich Familienmitglieder sehen können, und das "Corona-Café". Hier können Bewohner und ihre Angehörigen an Tischen im Freien sitzen und sich unterhalten – in gebotener Distanz.  

Haus im Münchtal: Auch die Pflegeeinrichtung im Münch-tal ist laut Leiter des Hauses Reinhard Buchner derzeit "corona-frei". Dennoch gebe es auch dort Planungen für den Fall der Fälle. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Virus auch den Weg zu uns findet", stellt Buchner klar. Um bestmöglich vorbereitet zu sein, habe das Haus seine Schichtpläne "sehr ausgedünnt". Ein Teil des Personals sei nur noch auf Abruf verfügbar. Dieses würde im Notfall zum Einsatz kommen, sollte es einen Verdachtsfall oder einen bestätigten Fall im Haus geben. Doch am Ende braucht man auch Glück, sagt Buchner.  

Awo-Seniorenzentrum Ludwig-Frank-Haus: Von Glück spricht auch Stefan Naundorf, Einrichtungsleiter des Ludwig-Frank-Hauses. Derzeit gebe es in seinem Haus keine Covid-Erkrankten und somit auch keine Quarantäne-Maßnahmen. Deshalb verlaufe der Alltag der rund 140 Mitarbeiter insgesamt "sehr geregelt und normal". Zu schaffen macht Naundorf und seinen Kollegen die Abgeschottenheit der Bewohner.

Da der Großteil der Veranstaltungen abgesagt sowie die Caféteria vorüberhend geschlossen worden ist, fehle die Ablenkung. "Manchmal kommt da schon ein bisschen Langeweile auf", sagt Naundorf. Zehn Betreuungsassistenten versuchten genau diese Langeweile auf ein Minimum zu reduzieren. Mit Gesprächen und Gemeinschaftsaktivitäten im Wohnbereich unterhalten sie die Bewohner. Dabei achten die Mitarbeiter strikt auf die Maßnahmen wie Abstand halten und Hände desinfizieren.

Schutzausrüstung könnte schnell knapp werden 

Doch gerade bei der notwendigen Schutzausrüstung komme auch das Ludwig-Frank-Haus an seine Grenzen. Zwar seien Schutzkleidung und Handschuhe noch in recht guter Menge vorhanden, doch bei Desinfektionsmitteln und beim Mundschutz sehe das anders aus. Würden jetzt ein bis zwei Bewohner am Virus erkranken, würden die Schutzmasken im Haus "vielleicht für eine Woche reichen", gibt Naundorf zu. Es gebe aber auch Licht am Ende des Tunnels: Die Engel-Apotheke versorge das Haus mit eigens hergestelltem Desinfektionsmitteln. Und auch bei Winzern versuche Naundorf Alkohol für das Herstellen von Desinfektionsmitteln zu bekommen.

 Spital in Lahr: Im Spital werden zurzeit 75 Menschen von rund 70 Mitarbeitern betreut, die sich zum Teil in Teilzeit befinden. Infizierte oder Verdachte gibt es keine. Dem Spital stehen nur begrenzte Mengen am Schutzausrüstung zur Verfügung.

Dies sei ein Grund dafür, dass man derzeit nicht voll belegt ist, sagt Michael Krupinski, Leiter des Spitals. Zudem bestehe seit zwei Wochen ein Besuchsverbot, um die Ansteckungsgefahr weiter zu mindern. Auch habe man die Wohnbereiche separiert und die Pflege einzelner Bewohner einem möglichst kleinen Kreis von Mitarbeitern anvertraut. Anwärter für die Kurzzeitplege müssen sich in eine zweiwöchige Quarantäne begeben.

Die Angehörigen vermissen den direkten Kontakt zu den Bewohnern und bringen immer wieder kleine Aufmerksamkeiten wie Briefe und Postkarten vorbei, erzählt Krupinski.