Lahr - Die Bombenfunde am Hohbergweg haben den Blick auf den 19. Februar 1945 gelenkt – damals waren die Sprengkörper wohl abgeworfen worden. Bei LZ-Leser Peter Zahs hat unsere Berichterstattung darüber alte Erinnerungen wachgerufen.

Zahs sitzt in seinem Wohnzimmer in Sulz und hat die Lahrer Zeitung vom vergangenen Freitag aufgeschlagen. In dieser Ausgabe haben wir unter dem Titel "Der Tag, an dem, die Bombe fiel", über den verheerenden Angriff auf die Serre-Kaserne berichtet. Grundlage waren Informationen, die Norbert Klein vom Historischen Verein zur Verfügung gestellt hatte.

Der heute 83-jährige Zahs kann über die Kriegszeit sprechen, als wäre sie gestern gewesen. Sogar das Geräusch des Fliegeralarms kann er nachmachen, der ab Herbst 1944 häufig in Lahr ausgelöst wurde – "meist waren es Langstreckenbomber, die in großer Höhe Richtung Osten flogen, um etwa München anzugreifen." Am 19. Februar 1945 war es anders, "das waren zweimotorige Mittelstreckenmaschinen, die tiefer flogen", so Zahs. Hier schildert er, was er, damals neuneinhalb Jahre alt, an dem Tag erlebt hat:

"Es war ein Montag, ein heller, klarer Wintertag. Der Schulbetrieb war seit Herbst 1944 der vielen Fliegeralarme und der Jagdbomber-Angriffe wegen eingestellt. Den Schulbetrieb haben dann die Mütter zu Hause weitergeführt. An diesem Tag spielte ich im hinteren Hof unserer damaligen Wohnung in der oberen Weiherstraße in Lahr. Nahezu jeden Tag war Fliegeralarm. An diesem Tag, so gegen Mittag, dröhnten wieder Flugzeuge über meinem Kopf. Sie flogen viel tiefer als sonst und es waren bedeutend weniger, so zirka 15 bis 20 Stück.

Ich sah, wie sie über der Oststadt Bomben auslösten. Wenige Sekunden danach war ein schriller Pfeifton zu hören. Ich stürzte ins Treppenhaus und rief "Bomben, Bomben". Die Frauen im Haus, Mutter, Großmutter, Schwester und die Nachbarinnen – die Männer waren ja im Krieg oder beim Volkssturm – rannten in unseren bescheidenen Luftschutzkeller. Das Haus wackelte bedenklich, waren doch die Erschütterungen riesengroß. Mutter drückte den Kopf von meiner Schwester und von mir in ihren Schoß, um so den Riesenlärm abzumildern und um etwaige Gesteinsbrocken von der Kellerdecke mit ihrem Körper aufzufangen.

Wir hatten Glück im Unglück. Später haben wir erfahren, dass die Flugzeuge, die über der Oststadt, also dem Kasernenareal, ihre Bomben auslösten, zuvor über dem Friedensheim einen Teil ihrer tödlichen Fracht abgeworfen hatten. Der schrille Pfeifton waren die Bomben über dem Friedensheim. Dadurch, dass die obere Weiherstraße zirka 20 bis 30 Meter tiefer liegt als das Friedensheim, ging der Luftdruck über unser Haus hinweg. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätten die Piloten ein bis zwei Sekunden später auf ihre Auslösetaste gedrückt.

Im Friedensheim waren leider viele Frauen, Kinder und ältere Männer als Tote und auch als Verletzte zu beklagen. Auch auf dem Kasernenareal gab es Opfer. Das Friedensheim war nach meiner Einschätzung deshalb im Fadenkreuz der Flugzeuge, da einerseits auf dem großen Dach der heutigen Malerfachschule das Lazarettzeichen, das große Rote Kreuz auf weißem Grund, aufgemalt war, und zum anderen die angrenzenden niederen Gebäude als militärische Unterkünfte angesehen wurden. Anderntags ging meine Mutter mit mir zu Fuß auf den Langenhard, um bei einem Bauern eine sichere Bleibe zu suchen. Welche wir, nach langem Suchen, auch fanden. Ein hilfsbereiter Bauer vom Langenhard holte dann mit einem Kraftfuhrwerk unsere wichtigsten Habseligkeiten nach oben, wo wir in relativer Sicherheit das Kriegsende erleben durften."

"Ich habe Glück gehabt", sagt Zahs heute. Seine Familie – Vater, Mutter, Schwester – hat den Krieg überlebt. Der Vater war als Soldat in Norddeutschland eingesetzt und kam im September 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Obwohl er in Kriegszeiten aufgewachsen ist, habe er keine unglückliche Kindheit gehabt, betont Peter Zahs, "auch wenn wir im Vergleich zu den Menschen heute sicherlich bettelarm waren". Später war er 30 Jahre als gelernter kaufmännischer Angestellter in leitender Funktion bei Stihler Apparatebau in Lahr beschäftigt und hat sich ein schmuckes Eigenheim in Sulz gebaut, in dem er mit seiner Frau lebt.

Info: Gedenktafel erinnert an Opfer

In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs wurden 30 Luftangriffe auf Lahr geflogen – der erste am 10. August 1944, der letzte am 17. April 1945. Dabei kamen – wie Norbert Klein vom Historischen Verein berichtet – insgesamt 128 Zivilisten und 46 Soldaten ums Leben, 160 Menschen wurden verletzt. 130 Gebäude in der Stadt waren zerstört, 275 schwer beschädigt. An die zivilen Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnert ein Gräberfeld auf dem Bergfriedhof, das westlich des Haupteingangs zu finden ist. Es sind 62 Sandsteinplatten mit teils verwitterten und kaum noch lesbaren Inschriften. Später ist dort noch eine Gedenkplatte mit dem Namen, Geburtstag und Todestag der Verstorbenen angebracht worden. Am häufigsten vertreten ist das Todesdatum 19. Februar 1945, an dem die Alliierten den folgenschwersten Angriff auf Lahr flogen – 27 Menschen kamen an dem Tag ums Leben.