Sehen und gesehen werden: Nach dem Programm im Parktheater hatten die Gäste viel Gelegenheit zum Austausch. Foto: Baublies

Neujahrsempfang: OB Müller sieht in Lahr ein "starkes Grundvertrauen" / Rekord an neuen Arbeitsplätzen

Die Stadt Lahr habe sich nach schweren Zeiten wieder nach vorne gearbeitet und stehe heute richtig gut da. Mit ihren Bürgern schöpfe sie Vertrauen und gehe gestärkt in die Zukunft. So lautete der Kern der Neujahrsrede von Oberbürgermeister Müller.

Lahr. Das Parktheater war am Samstag restlos gefüllt, der Andrang erwartungsgemäß groß. Kein Wunder: Es war der letzte Empfang, den OB Wolfgang G. Müller ausrichtete. Im Herbst geht er in den Ruhestand. Viele Zuhörer hatten erwartet, dass Müller einen Rückblick auf seine bald 22-jährige Dienstzeit in Lahr geben würde. Aber das war Müller noch zu früh. Er machte deutlich, dass er die verbleibenden neun Monate noch voll nutzen werde. Hier die Eckpunkte seiner Rede: Neues Vertrauen: Mitte der 90er-Jahre sei Lahr "eine verunsicherte Stadt" gewesen. "In den vergangenen 25 Jahren haben wir neues Vertrauen geschöpft. Wir haben uns nicht entmutigen lassen und Aufgaben einfach angepackt", meinte der OB. Lahr habe sich selbst neu erfinden und für die Zukunft positionieren müssen. Das sei gelungen. "Wir sind wieder aus dem Tal heraus gekommen". Auf Klinik aufpassen: Mahnende Worte richtete OB Müller an seine Gemeinderäte und Kreistagsmitglieder wegen des Lahrer Krankenhauses. Diese sollten "sehr wachsam sein", ob die im Landkreis getroffenen Beschlüsse für Lahr der Agenda 2030 auch tatsächlich so umgesetzt würden. "Einen Automatismus hierfür wird es nicht gegeben", warnte Müller. Es könne nicht sein, "dass zunächst stückweise tertiäre Kompetenzen abgezogen und dann auch noch medizinische Hauptabteilungen, in denen Lahr exklusiv führend ist, verschwinden oder innerhalb des Ortenau-Klinikums gedoppelt werden sollen", meinte Müller.

Er sprach damit unter anderem den Abzug der Klinik-Apotheke von Lahr an. Lahr habe zwar die Zusage, ein sogenanntes Haus der Maximalversorgung zu bleiben. Also auf Augenhöhe mit Offenburg. Aber ob dies auch künftig so bleiben werde, da streute Müller in seiner Rede deutliche Zweifel. "Wir werden diesen Bereich in den kommenden Jahren im Auge behalten müssen." So viele Jobs wie nie: Mit Beifall wurde von den Zuhörern aufgenommen, was Müller über die Wirtschaftskraft der Stadt sagte. Nach jüngsten Berechnungen habe sich gezeigt, dass die Zahl an Arbeitsplätzen in Lahr deutlich stärker zugenommen habe als in Bund, Land und Landkreis. Bundesweit habe die Zahl der Jobs um 4,8 Prozent zugenommen, im Land um 5 und in der Ortenau um 5,5 Prozent. Lahr hingegen sei bei den Jobs um 12,7 Prozent gewachsen. Und das habe nur zur Hälfte mit Zalando zu tun, merkte OB Müller an. Lahr habe in den vergangenen zwei Jahren 2744 neue Arbeitsplätze gewinnen können, jetzt seien es insgesamt rund 24 300. Rechne man die Mini-Jobs noch hinzu, komme man auf mehr als 29 000 Beschäftigungsverhältnisse in der Stadt.

Keine Wohnungsnot: In Lahr gebe es eine "klare Tendenz zur Wohnungsknappheit im unteren Preissegment, aber noch lange keine wirkliche Wohnungsnot", machte der OB deutlich. Das hätten aktuelle Studien der Städtischen Wohnbau gezeigt. Lahr müsse sowohl günstigen, als auch hochwertigen Wohnraum anbieten. LGS-Bilanz: Das Ergebnis der Landesgartenschau könne sich sehen lassen, fand Müller. Lahr habe sich "nicht nur nach außen glänzend präsentiert, sondern auch im Innern ein Halbjahr voller Freude und Zusammengehörigkeit erlebt." Und das alles, ohne neue Schulden aufnehmen zu müssen. Mit der LGS sei Lahr "endgültig den Schritt ins 21. Jahrhundert gegangen". Löblich sei, dass der Gemeinderat stets an das Vorhaben geglaubt habe. Stadtbild wandelt sich: In hohem Tempo verändere sich die Stadt, meinte Müller. Dabei gehe auch Vertrautes und Gewohntes verloren und mancher frage sich, wo denn das "gute, alte Lahr geblieben" sei. Doch Bewahren und Verändern gleichzeitig sei schwer. Letztlich müssten sich die Bürger selbst "durch ihr Leben und Wirken Heimat schaffen". Zukunft am Flughafen: Für das Startklahr-Areal stünden die Zeichen auf hochwertiger Vermarktung mit zukunftsträchtigen Technologien, kündigte Müller an. Chancen in China: Auch für mittlere Firmen aus Lahr und der Ortenau gebe es in China großes Potenzial. An diesem kontinentalen Land komme niemand vorbei. Die Stadt sei froh, dass mit dem chinesischen Start-Up-Center in Lahr eine Anlaufstelle für Wirtschaftskontakte eingerichtet worden sei. Aufruf an Kandidaten: Müller appellierte an die Bürgerschaft, sich für die anstehenden Wahlen als Kandidaten aufstellen zu lassen. Parteien und Wählervereinigungen hätten große Mühe, ihre Listen vollzubekommen. Streit ist gut: Auch in der Kommunalpolitik sei Streit wichtig. Allerdings dürfe nicht die Würde des Gegenübers angegriffen werden. Man sollte sich stets mit Respekt begegnen. Müller sprach damit an, dass Rathausmitarbeiter nach der Altenberg-Debatte heftigst persönlich angegangen worden sind. Mutige Moderation: Stadtarchivar Thorsten Mietzner moderierte den Abend und zeigte sich dabei Chef OB Müller gegenüber recht frech. Der konterte gewohnt schlagfertig und drohte schmunzelnd, weitere Gehaltserhöhungen zu stoppen. Mietzner: "Ha! Ich bin Ende des Jahres noch da. Sie nicht mehr!"