Vor dem Haus in Freiburg, in dem Familie Rosenberger nach dem Krieg lebte, wurden Stolpersteine verlegt. Foto: Klein

Serie (2): In Nonnenweier lebten Juden als Händler und Viehverkäufer / Ganze Familie wurde nach Theresienstadt deportiert

Lahr/Nonnenweier - Die Verschleppung aller badischer Juden jährte sich am 22. Oktober zum 80. Mal. Aus dem Amtsbezirk Lahr wurden damals 134 jüdische Einwohner ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. In dieser Serie werden NS-Opfer vorgestellt, die aus verschiedenen Gründen nicht nach Gurs kamen.

Sie war ein Opfer der katastrophalen Lagerbedingungen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Gemeinde Nonnenweier noch fast rein land-wirtschaftlich geprägt. Die Bauern bewirtschafteten ihre Felder mit Tabak- und Zicho-rienpflanzen für die Lahrer Fabriken. Die Männer der jüdischen Gemeinde hingegen waren Händler und Viehverkäufer. Heinrich Rosenberger war als Schuhmacher einer der wenigen, die ein Handwerk in Nonnenweier ausüben durften. Mit Jette ( geboren 1869), Jeanette (1870), Lazarus (1872) und Nathan (1874) hatte er vier Kinder, eine weitere Tochter war 1868 bei der Geburt gestorben.

Die jüdischen Familien lebten äußerst sparsam, weil sie ihren Kindern ein besseres Leben bereiten wollten. So verheiratete sich Jeanette nach Breisach, und die beiden Söhne zogen nach Freiburg, wo Nathan einen Schuhgroßhandel aufbaute. Lediglich Jette blieb in Nonnenweier und wohnte nach dem Tod ihrer Eltern in einem kleinen Häuschen in der Schmidtenstraße 114 (heute Hausnummer 14).

Als am 22. Oktober 1940 alle badischen Juden abgeholt wurden, um nach Gurs deportiert zu werden, waren auch Jette in Nonnenweier, Jeanette in Breisach und Lazarus in Freiburg betroffen. Jeanette (71) starb ein Jahr nach der Ankunft in Gurs; sie war ein Opfer der katastrophalen Lagerbedingungen. Jette und Lazarus hatten das Glück, wegen ihres hohen Alters durch die Hilfe von Rettungsorganisationen in südfranzösischen Altersheimen unterzukommen, wo man sie vergaß, als alle anderen badischen Opfer 1942 nach Auschwitz deportiert wurden.

Sie waren abgemagert bis auf die Knochen und durch zahlreiche Krankheiten geschwächt

Der Geschäftsmann Nathan Rosenberger war in der jüdischen Gemeinde in Freiburg ein angesehenes Mitglied, sodass er zum Vorsitzenden der großen Religionsgemein-schaft auserkoren wurde. Da die Nationalsozialisten für die Abwicklung der Hausverkäufe einen Ansprechpartner benötigten, wurde er als Gemeindevorsteher 1940 nicht nach Gurs deportiert.

Als Bevollmächtigter der NS-Stadtverwaltung unterstützte er die wenigen Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die aufgrund ihrer privilegierten Mischehe mit christlichen Ehepartnern ebenfalls nicht nach Gurs deportiert worden waren. Als äußeres Erkennungszeichen mussten auch die Freiburger Juden ab 1941 einen gelben Davidstern an ihren Kleidern tragen.

1942 wurde jedoch auch die verbliebene jüdische Gemeinde aufgelöst und Nathan mit seiner Frau Martha und seiner Tochter Rita (damals 17 Jahre alt) am 21. August 1942 in ihrer Wohnung verhaftet und ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Die drei überlebten das Lager, bis es auch als letztes Konzentrationslager am 8. Mai 1945 von den Russen befreit wurde.

Sie kehrten wieder nach Freiburg zurück, abgemagert bis auf die Knochen und durch zahlreiche Krankheiten geschwächt. Dort wurde Nathan vom Oberrat der Israeliten in Baden wieder zum Vorsteher der wiedergegründeten jüdischen Gemeinde in Freiburg ernannt und kümmerte sich nun um die Wiedereingliederung der zurückkehrenden Überlebenden.

Vor ihrem früheren Haus wurden Stolpersteine verlegt

Seine Schwester Jette hatte erfahren, dass Nathan überlebt hatte. So kam sie im Oktober 1946 zu ihm nach Freiburg. In einem Brief an den Nonnenweirer Bürgermeister Leppert gelang es Nathan, dass Jette 1947 wieder in ihr altes Häuschen in der Schmidtenstraße zurückkehren durfte, wo sie bis zu ihrem Tod am 24. Mai 1950 von der Kriegerwitwe Elise Roß und ihren Töchtern Margarete (sieben Jahre ) und Ursula (vier Jahre) liebevoll gepflegt wurde.

Auch Lazarus hatte in Südfrankreich überlebt, zog es aber vor, im jüdischen Altersheim Margora in Lengnau (Kanton Aargau) in der Schweiz seinen Lebensabend zu verbringen, wo er am 14. März 1963 im Alter von 90 Jahren starb. Sein jüngerer Bruder Nathan lebte mit seiner Familie in der Freiburger Hildastraße 49, in der Nähe des alten Wiehrebahnhofs, wo er als 78-Jähriger am 23. Mai 1953 starb.

Für ihn, seine Frau und seine Tochter Rita wurden am 10. September 2015 vor ihrem früheren Haus in der Hildastraße Stolpersteine verlegt.