Bettina Waidele berät einen Flüchtling: Integration während Corona, sagt die Sozialarbeiterin, ist kaum möglich. Foto: Schubert

Soziales: Für Flüchtlinge ist es derzeit kaum möglich, sich in der Stadt zu integrieren

Lahr - In Lahr Fuß fassen, während das gesellschaftliche Leben komplett heruntergefahren ist? Flüchtlinge haben es nicht leicht, sich im Lockdown in der neuen Heimat einzuleben. Die derzeitige Situation stellt sie vor noch größere Herausforderungen.

Beengte Wohnverhältnisse der Asylunterkünfte

"Wer will denn jetzt schon mit jemandem, der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt, eine neue Freundschaft schließen? Das sucht vermutlich keiner", skizziert Sozialarbeiterin Bettina Waidele vom Landratsamt die isolierte Lage von Flüchtlingen im Lockdown.

Deutsch lernen, soziale Kontakte zu Einheimischen knüpfen – also die eigene Integration vorantreiben, all das sei momentan fast unmöglich. "Man könnte sagen, dass die, die im Lockdown ankommen, jetzt keine Möglichkeit zur Integration haben", sagt Waidele besorgt. Integration entwickele sich durch gesellschaftliche Teilhabe, doch wenn Freizeitangebote und andere Aktivitäten wegfallen, sei das sehr schwierig.

Eine eigene Wohnung hat nur die Minderheit der Flüchtlinge, die Waidele im Alltag betreut. Die meisten – in Lahr sind das in der Ge-roldsecker Vorstadt und in der Willy-Brandt-Straße hauptsächlich junge Männer – leben in Mehrbettzimmern.

Kochen und duschen ist nur in gemeinschaftlich genutzten Räumen möglich. Auf die Bank geschobene Projekte realisieren, wie das so manch einer im Lockdown versucht hat? In den beengten Wohnverhältnissen der Asylunterkünfte quasi unmöglich.

"Wir beschäftigen uns in unserer Wohnung und ziehen uns gemütlich zurück, das haben die Geflüchteten nicht, sie haben ihre Zwei- bis Drei-Bett-Zimmer im Asylbewerberwohnheim", sagt Waidele. Als Rückzugsorte seien die nicht sehr angenehm.

Deutsche Sprache in der Lockdown-Zeit zu erlernen sei schwierig

Ob es durch das beengte Wohnen viele Infektionen mit dem Coronavirus gegeben hat? "Es gab keine schlimmeren Vorfälle, in dem Sinne, dass es eine massenhafte Ansteckung gegeben hätte, gar nicht, da sind wir gut daran vorbeigeschlittert", blickt Waidele auf die vergangenen Monate zurück. Wenn es einen Infektionsfall gab, habe man die betroffene Person schnell isolieren und nach Offenburg in ein eigens für Infizierte freigehaltenes Haus bringen können.

Vom Freundeskreis Flüchtlinge, die Menschen in Lahr beim Ankommen unterstützen, kämen nun merklich weniger Ehrenamtliche vorbei – "durch die Corona-Ängstlichkeit, da es auch eher ältere Leute sind", vermutet die Sozialarbeiterin. Doch möchte sie nicht ausschließen, dass es Freundschaften zwischen Ehrenamtlichen und Geflüchteten gibt, wo die Unterstützung auch während der Pandemie weiterlaufe.

Die deutsche Sprache in der Lockdown-Zeit zu erlernen sei schwierig, sagt die Sozialarbeiterin. Dabei sei der Spracherwerb essenziell: "Es ist der Schlüssel zur Integration und der Schlüssel dafür, dass man Aufgaben selbstständig erledigen und selbstwirksam in Deutschland werden kann."

Die sonst im Mehrgenerationenhaus veranstalteten Sprachkurse finden derzeit nicht mehr statt. Wenn überhaupt noch Sprachkurse abgehalten werden, dann online, was eine Hürde sei, denn die Mehrzahl der Flüchtlinge besitze keinen Laptop.

Auch offene Sprechstunden, in denen die Anliegen der Neubürger bearbeitet werden, gebe es nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form. Das Risiko, dass sich dabei zu viele Menschen ansammeln könnten, sei zu hoch, erklärt die Sozialarbeiterin.

Alternativ gebe es nun Terminsprechstunden, wie bei vielen anderen Ämtern auch. Beraten werde dort mit Mundschutz und hinter Plexiglas. Weiterhin gut funktionieren würde die Eingliederung in den Arbeitssektor, Zeitarbeitsfirmen würden Geflüchteten weiterhin helfen, Arbeit zu finden und sie gezielt an Firmen vermitteln.

Info

In den Lahrer Asylbewerberunterkünften soll Flüchtlingen ab kommender Woche das Angebot gemacht werden, sich zweimal pro Woche auf Corona testen zu lassen, sagt Sozialarbeiterin Bettina Waidele. Für all jene, die in Gruppenunterkünften leben und arbeiten, bestehe bereits die Möglichkeit, sich gegen das Virus impfen zu lassen. Durch regelmäßige Tests und Impfungen erhofft sich Waidele, dass möglichst bald wieder Deutschkurse und andere Projekte angeboten werden können.