Foto: Braun Foto: Lahrer Zeitung

Verhandlungen über gigantischen Millionen-Deal laufen still und leise im Hintergrund,

Lahr - Chinesische Investoren haben großes Interesse daran, den Lahrer Flugplatz zu kaufen. Nach Informationen der Lahrer Zeitung gibt es dazu bereits Gespräche und ein konkretes Angebot: 200 Millionen Euro soll der Flugplatz bringen. Und mehr Flüge.

Während der OB-Wahlkampf noch lau plätschert und sich die fünf Kandidaten um kleinere Sorgen und Nöte in den Dörfern, Vereinen und sozialen Einrichtungen kümmern und diese im Stechschritt bei Besuchen abklappern, kocht hinter den Kulissen ein gigantischer Deal, der die Zukunft der Stadt langfristig und grundlegend verändern könnte. Ein Handel, der die Stadt mit einem Schlag reich machen würde, aber aus heutiger Sicht unabsehbare Folgen haben würde. Ein Handel, über den in der Stadt nur ganz wenige informiert sind und der mutmaßlich während des Oberbürgermeisterwahlkampfs unter der Decke gehalten werden soll.

Was ist bekannt?

Offiziell gar nichts. Der Deal ist Chefsache in Lahr und liegt bei OB Wolfgang G. Müller auf dem Schreibtisch. Nur ganz wenige Akteure sind eingeweiht und die halten bislang dicht.

Was weiß der Lahrer Gemeinderat?

Im Gemeinderat war das Thema noch nicht, zumindest nicht öffentlich. Doch auch inoffiziell wurden die Ratsmitglieder noch nicht über die Pläne informiert. Hinter den Kulissen des Gremiums wird jedoch schon mächtig getuschelt und nach Informationen gesucht. Viel scheinen die Kommunalpolitiker aber bislang noch nicht zu wissen.

Was ist geplant?

Aus sicheren Quellen erfuhr unsere Redaktion bei den Recherchen zu diesem Geheimprojekt: Es geht um den Flugplatz, der städtisches Gelände ist. Chinesische Investoren haben großes Interesse, diesen zu kaufen und in ihr Mega-Projekt der "Neuen Seidenstraße" zu integrieren, ein die halbe Welt umspannendes Infrastruktur-Vorhaben für optimale Handelswege von China nach Europa und in andere Kontinente.

Um wie viel geht es?

Wie unsere Redaktion erfuhr, sollen 200 Millionen Euro für das Flughafenareal aufgerufen sein. Dieses Angebot stehe konkret im Raum. Für die große Fläche der Start- und Landebahn, die Technik drum herum und weitere Bereiche des Areals.

Was würde das bedeuten?

Lahr wäre mit 200 Millionen Erlös plötzlich reich und schuldenfrei. Regulär muss die Stadt derzeit mit einem 160 Millionen-Haushalt auskommen, aus Steuereinnahmen.

Was wollen die Chinesen?

Die Infrastruktur des Flugplatzes, für Fracht- und Passagierflüge. Außerdem Raum für mögliche Hotels, um neue Fluggäste in Lahr unterbringen zu können.

Heißt?

In Lahr könnten nach einer chinesischen Übernahme plötzlich wieder regelmäßig große Flugzeuge starten und landen. Mit Flugfracht made in China, die vom Logistik-Drehkreuz Lahr weiterverteilt wird. Und auf dem Rückflug könnten die Flieger Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse nach China transportieren. Die Neureichen im Land der Mitte gieren nach europäischen Lebensmitteln.

Und Touristen?

Auch die sollen über einen neuen China-Stützpunkt Lahr kommen. Anziehungspunkte: der Schwarzwald und das Elsass – und vor allem sicher auch der Europa-Park mit seinem neuen Riesenbadepark. Erste Zahlen, die durchsickern, lassen staunen: Mit jährlich mehreren Millionen Touristen aus Fernost am Airport Lahr sei zu rechnen.

Also mehr Verkehr?

Ziemlich sicher. Direkt neben dem Flugplatz soll bekanntlich das neue Güterverkehrszentrum (GvZ) entstehen. Planungen unter Federführung von StartkLahr (IGZ) laufen, Investoren werden gesucht. In einigen Jahren sollen dort nach dem Ausbau von Rheintalbahn und Autobahn Lastwagen be- und entladen werden. Lahr würde zum riesigen Logistik-Drehkreuz für Straße, Bahn und Flugfracht.

Ist der Flugplatz intakt?

Ja, der Betrieb läuft. Auch wenn die Startbahn schon mehrere Jahrzehnte alt ist, hält sie noch eine ganze Weile, sind sich Fachleute sicher. Alles wird regelmäßig gewartet. Doch in absehbarer Zeit stehen ganz sicher Millionen-Sanierungen an. Dafür hat die Stadt aber kaum Geld übrig.

Wie steht die Stadt zu chinesischen Investitionen?

Grundsätzlich mehr als offen. OB Müller ist ein großer China-Fan und reiste mit Lahrer Delegationen schon mehrfach ins Riesenland, um dort Werbung für Lahr zu machen. Bei der Gründung eines eigenen China-Büros in Lahr stand er Pate. Auf dessen Homepage wirbt Müller offensiv für den "hervorragen Standort" und Lahrs Potenzial beim Projekt der weltweit durchaus umstrittenen "Neuen Seidenstraße". Das Lahrer China-Büro will nach eigenen Angaben "dabei helfen, dass die Stadt Lahr ein Knotenpunkt" dieses Verkehrs- und Handelsprojektes der Chinesen wird. Noch vor drei Jahren, bei einer China-Werbetour des OB, hatte dieser ausdrücklich erklärt, dass ein Verkauf des Flugplatzes nicht beabsichtigt sei. Das hat sich nun wohl geändert.

Deshalb wollen die Chinesen den Flughafen

Zalando und andere Logistiker sind ganz nah

Lahrs Flugplatz ist mittlerweile ein Tummelplatz vieler Logistik-Unternehmen. Der größte von ihnen ist der Modehändler Zalando mit 1300 Arbeitsplätzen. 140 Millionen Euro hat er dort investiert. Er hätte in seinem Riesenbau direkt neben der Startbahn noch reichlich Platz für eine Erweiterung. Zu finden sind am Flugplatz auch das Unternehmen Lahr-Logistics, das in zwei Hallenkomplexe 31 Millionen Euro investierte, Fiege Logistik, DHL, DSV Air & Sea Lahr und weitere Logistiker.

China-Center lockt Investoren nach Lahr

Seit mehr als einem Jahr hat China in Lahr eine direkte Anlaufstelle für interessierte Unternehmer aus Asien: das China Start-up-Center Lahr im Zeitareal. Es soll chinesische Investoren anziehen, chinesischen Unternehmen bei Ansiedlungen helfen und beraten. Auf der Internetseite macht das Büro mit seinen sechs Mitarbeitern schon kräftig Werbung für Lahr und den Flugplatz mit deren "optimaler Lage" und "hervorragender Infrastruktur mit Anbindung an die Autobahn A 5."

Frachtflüge ohne Einschränkungen

Die Stadt Lahr hat 2012 die 201 Hektar große Flugbetriebsfläche – inklusive der technischen Ausstattung – und 2013 auch die Lizenzen für den Luftverkehr gekauft. Auf der Landebahn, die eine Länge von 3000 Metern hat, kann jedes Flugzeug der Welt landen. Der Lahrer Flugplatz ist als "Sonderflughafen für Fracht" klassifiziert. Frachtflüge sind ohne Einschränkungen möglich. Frühere Betreiber wie Wiggins aus England haben jedoch freiwillig auf Nachtflüge verzichtet.

Neue Handelswege für die Volksrepublik

Die "Neue Seidenstraße" soll China neue Handelswege eröffnen. Unter dem Motto "One Belt, One Road" geht es der Volksrepublik darum, "Handels- und Infrastruktur-Netze" mit mehr als 60 Ländern in Afrika, Asien und Europa zu knüpfen. Beispiele für Investitionen und Kooperationen innerhalb der EU sind der Hafen von Piräus in Griechenland oder der Duisburger Hafen (Foto). Die Bezeichnung "Neue Seidenstraße" stellt die Verbindung zur historischen Seidenstraße her.

Martin Herrenknecht sichert Flugbetrieb

Der Flugbetrieb auf dem Gelände wird durch den Unternehmer Martin Herrenknecht gesichert. Er unterhält seit einigen Jahren den laufenden Betrieb mit eigenen Mitteln, jährlich mehreren Hunderttausend Euro. Damit können auf dem Flugplatz Privatmaschinen starten und landen, was Herrenknecht für seine eigene Firma in Anspruch nimmt. Auch viele andere Unternehmen nutzen die Lahrer Startbahn, etwa die Europa-Park-Familie Mack und der SC Freiburg.

Sonderlizenz für den Europa-Park

Seit 2006 hat der Flughafen eine beschränkte Passagierfluglizenz für Besucher des Europa-Parks. Dabei war vor allem an Touristen aus England gedacht. 2010 wurden die Europa-Park-Flüge nach und von Lahr mangels Bedarf eingestellt. Auf Einzelanforderung ist jeder Passagierflug möglich. Der Airport war bereits Ausweichflughafen für Straßburg und wurde für Regierungsflüge wie beim Nato-Gipfel in Kehl oder beim Papst-Besuch im Jahr 2011 genutzt.        Fotos: Braun, Weber, Archiv