Kommunikationsberater Holger Hagenlocher checkt Internetseiten. Foto: Privat

Lahr/Kinzigtal - Wie gut und überzeugend präsentieren sich die Lahrer Landtagswahl-Kandidaten im Internet? Für die LZ hat Kommunikationsprofi Holger Hagenlocher sieben Online-Seiten mal gecheckt.

Internetauftritte überzeugen Kommunikationsexperten nicht

"Wenn ich mir die verschiedenen Auftritte anschaue, verwundert es mich nicht, dass so vieles in der Politik durchschnittlich und nicht gerade innovationsgetrieben ist. Die meisten der Online-Auftritte, also im Internet und in den sozialen Medien, sind wenig überzeugend und zum Teil erschreckend inhaltslos.

Und das in Zeiten von Corona, in denen der persönliche Kontakt, der Straßenwahlkampf oder Wahlkampfveranstaltungen nicht möglich sind. Hier hätte ich mehr erwartet", erklärt Holger Hagenlocher. Der Coach und Dozent aus dem südbadischen Singen lehrt unter anderem als Lehrbeauftragter für Public Relations an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und lehrte Public Affairs Management an der EH Freiburg. Als Kommunikationsberater beschäftigt er sich mit der Kommunikation von Unternehmen, Vereinen und Parteien.

Welchen Einfluss haben politische Inhalte auf Wahlkämpfe? Dazu hat Hagenlocher eine klare Meinung: "Wahlkämpfe werden immer mehr von der Außendarstellung der Kandidaten geprägt. Inhalte treten zugunsten der eigenen Markenpositionierung in den Hintergrund und werden allenfalls zur Abgrenzung vom politischen Gegner eingesetzt, meist reduziert auf eine minimale polarisierende Aussage. Was wir im großen Stil im US-Wahlkampf gesehen haben, zeigt sich immer mehr auch in Landes- und Kommunalpolitik."

Keine Live-Veranstaltungen, kaum Marktstände in Lahr und den Umlandgemeinden: Wie entscheidend ist dieses Mal die Darstellung im Internet und in den sozialen Medien? "Diese ist in Corona-Zeiten doppelt wichtig, da Wahlkampfveranstaltungen mit vielen Besuchern und ein Straßenwahlkampf nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. Dabei ist der Online-Wahlkampf herausfordernd. Denn es gilt, sich authentisch und nahbar darzustellen sowie Leidenschaft und Empathie zu vermitteln. Virtuell ist das kein leichtes Unterfangen. Dass der Dialog gesucht wird und der Kandidat ein offenes Ohr für die Probleme der Bürger hat, muss ebenfalls deutlich werden. Auch in der Landespolitik. Wer im Internet nur noch seine Inhalte in einem Wahlprogramm aneinanderreiht, wird im Online-Wahlkampf nicht überzeugen können", ist Hagenlocher überzeugt.

Wie kann die Kommunikation im Online-Wahlkampf gelingen? "Wichtig ist, dass die Kandidaten dem Wahlvolk suggerieren, dass sie etwas bewegen und die Zukunft gestalten können, zugleich aber Erfolge bewahren und an Bewährtem festhalten. Zu diesem Spagat gehört, aktuelle Trendthemen wie Klima, Nachhaltigkeit oder die Bekämpfung der Pandemie glaubwürdig anzusprechen. Inhaltliche Tiefe und Vollständigkeit sind dabei weniger gefragt als es für jeden leicht verständlich zu formulieren und es auf polarisierende Slogans zu verkürzen."

Regina Sittler: Mit einem eigenen Internetauftritt präsentiert sie sich. Ein großformatiges Foto zeigt sie am Haus am See. Eine textliche Begrüßung findet nicht statt. In einem sehr professionell produzierten Video beschreibt, unterlegt mit dramatischer Musik, warum jeder Einzelne in der Politik den Unterschied machen könne. Als Schwerpunkte benennt sie Digitalisierung, Bildung und Umwelt. Die Themen werden in kurzen Appetithappen mit Schlagworten angerissen.

Auch ihren Zweitkandidaten stellt sie vor. Der Link zu Instagram ist leider zur Partei und nicht zu ihrem eigenen Auftritt verbunden. Würde der eigene Instagram-Auftritt zu viel Persönliches zeigen? Denn dort findet sich ein bunter Mix aus Parteiwerbung und persönlichen Fotos, auch in halterlosen Strümpfen oder sportlich an der Pole-Dance-Stange. In Facebook zeigt sie sich allerdings deutlich aktiver mit einer Art Online-Tagebuch des Wahlkampfs.

Marion Gentges: Beim Aufruf der Internetseiten der Abgeordneten springt den Besuchern ein klickbarer Bereich ins Auge, der auf die Landtagswahl verweist. Beim Klick darauf öffnet sich ein Youtube-Video mit schönen Bildern und emotionaler Musik. Die Aussage des Videos fasst im Video selbst zusammen: "Ich bin stolz auf unsere Heimat und die Menschen, die hier leben." Ansonsten schafft sie das Kunststück, in 2:43 Minuten keinerlei Informationen zu ihren politischen Zielen oder Überzeugungen kundzutun.

Welches politischen Weichen sie in Stuttgart künftig stellen will, verschweigt sie dem Online-Publikum. Ansonsten informiert Gentges auf der Internetseite über die Regierungsarbeit und ihre Arbeit im Landtag, wo sie Obfrau im Untersuchungsausschuss "Baden-Württemberg Haus" (Expo Dubai) war. Auf Facebook postet sie neben einem Unterstützungsvideo einer Parteikollegin, einige Wahlkampftermine.

Sandra Boser: Die Grüne gewann 2016 das Direktmandat im Wahlkreis Lahr. Entsprechend begrüßt sie Interessierte beim Aufrufen der Internetseite in persönlichen Worten. Sie möchte über ihre Arbeit im Landtag, als Vize-Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin informieren. Interessanterweise geht sie dabei nicht auf die Landtagswahl ein, die sich lediglich an der Fülle der (Wahlkampf-)Termine und deren Themen erkennen lässt.

Bildung ist das Kernthema Bosers und so widmet sich die Internetseite mit einem eigenen Menüpunkt diesem Thema. Beim dessen Aufrufen findet sich allerdings ein bunter Mix aus diversen Themen. Hier ging der Internetredaktion wohl ein wenig die Orientierung verloren. Dafür gibt es unter "Termine" einen Überblick über Wahlkampf-Aktivitäten. Neben Links zu Facebook, Instagram und Youtube veröffentlicht sie auch ihre WhatsApp-Verbindung, damit für Besucher ein direkter Kontakt möglich ist.

Reinhard Neudorfer: Der Kandidat der Linken macht es geheimnisvoll. Wer Informationen zu ihm online finden will, muss schon intensiv suchen, um zur Website https://reinhardneudorfer.in-den-landtag-bw.de/ zu gelangen. Der in München geborene Neudorfer lebt im württembergischen Waiblingen.

Auf der Website fordert Neudorfer einen radikalen sozial-ökologischen Wandel, wobei die Schwerpunkte "Gute Arbeit ermöglichen", "Preiswerten Wohnraum schaffen" und "Klimawandel stoppen" hervorgehoben werden. Interessierte erfahren zudem, dass der Verwaltungswirt Mitglied bei Verdi, im Landesverband der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie bei der Antifa ist.

Social Media-Links verweisen auf den Kreisverband Rems-Murr (Facebook), auf den dortigen Pressesprecher (Twitter) oder auf Die Linke Rems-Murr (Instagram). Hier fehlte wohl die Motivation, für die Landtagswahl die Angebote seiner Parteifreunde in Lahr zu verknüpfen.

Karl-Rainer Kopf: Der Schornsteinfegermeister und Vorsitzende der SPD im Ortenaukreis zeigt, dass Online-Auftritte im Wahlkampf persönlich gestaltet werden können. Mit Video und Text stellt er sich Besuchern vor und erklärt in verständlichen Worten, was seine politischen Ziele sind, für die er sich im Landtag einsetzen möchte.

Im Video nennt er vor allem die Bildung und dass er sich als Anwalt der Region für den ländlichen Raum sehe. Entsprechend führt er Beispiele wie die Ortsumfahrungen von Kippenheim und Haslach an und legt sich dabei auf konkrete Positionen fest.

Im politischen Allerlei eine wohltuende Orientierungshilfe. Der Auftritt in den sozialen Medien zeigt ihn bei Facebook und Instagram engagiert im Wahlkampf – beim Verteilen von Flyern oder mit einer ganzen Reihe an Veranstaltungen und Aktivitäten. Die Möglichkeiten, die Live-Streams in der Kommunikation mit den Zielgruppen bieten, setzt er bei Instagram ein.

Johannes Erling: Ein großformatiges Foto zeigt den 33-jährigen AfD-Kandidaten mit Schlips und Anzug. Darunter begrüßt er die Mitbürger und Wähler, die Bürgerinnen und Wählerinnen lässt er außen vor. Die Begründung dafür lässt sich im Menüpunkt Programmatik finden, wo er fordert, den "Gender-Wahn" zu beenden. Im Begrüßungstext verpasst er die Gelegenheit, seine persönliche Motivation und Leidenschaft in der Sache zu zeigen.

Anstatt einer individuellen Erklärung lesen sich die Zeilen eher nach einer vorformulierten Einführung der Partei. Dabei wäre es interessant gewesen, weshalb der in Kasachstan geborene technische Fachwirt, der heute als Dozent der IHK arbeitet, sich in der Politik als Landtagskandidat engagiert. Auch findet sich auf der Internetseite viel AfD-Programmatik und so gut wie nichts von dem, was sich als Schwerpunktthemen von Erling herausfiltern ließe. Transparent ist, dass er auf seine Antworten bei Abgeordnetenwatch verlinkt.

Sophie Richter: Man könnte sagen, fast schon klimaneutral präsentiert sich die Kandidatin der Klimaliste im Internet und in den sozialen Medien. In nur wenigen Zeilen beschreibt die 20-jährige Freiburger Studentin auf der Website der Klimaliste, dass für sie Klimaschutz ein allumfassendes Anliegen sei. Mehr zu ihren Beweggründen und ihren persönlichen Plänen und Zielen gibt sie von sich auf dieser Plattform nicht preis.

Ressourcenschonend verzichtet sie auch auf eigene Auftritte in den sozialen Medien. So bleibt sie für die Wählenden im Wahlkreis Lahr und Kinzigtal online weitgehend unbekannt. Dass Wahlen auch immer Personenwahlen sind, scheint sie und die Klimaliste nicht zu kümmern. Bei so viel Zurückhaltung kommen Zweifel an der Ernsthaftigkeit auf. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Klimaliste selbst wenige Wochen vor der Landtagswahl noch kein Wahlprogramm verabschiedet hat.