Vier Unbekannte sprengten am Donnerstag den Sparkassen-Würfel in Sulz und erbeuteten Bargeld in unbekannter Höhe. Foto: Braun

Brachialer Überfall am frühen Donnerstagmorgen in Sulz / Täter entkommen mit der Beute

Vier unbekannte Männer haben am frühen Donnerstagmorgen den Geldautomaten der Sparkasse in Sulz gesprengt. Sie entkamen nach spektakulärer Flucht über den Langenhard und Kuhbach. Die Polizei fahndet nach ihnen.

Lahr. Eine regelrechte Räuberpistole sorgte am Donnerstagmorgen gegen halb drei Uhr für einen Großeinsatz der Polizei. Vier noch unbekannte Männer hatten das freistehende kleine Gebäude der Sparkasse Offenburg-Ortenau ins Visier genommen und den Geldautomaten brachial geplündert. Viele Sulzer Bürger diskutierten am Morgen nach der Tat über den Vorfall. Die Ganoven sind nach Polizeiangaben noch immer auf der Flucht. Sie entwischten dem Großaufgebot der Polizei nur um Haaresbreite. Die Chronologie dieses aufsehenerregenden Überfalls:

Früher Donnerstagmorgen. In der Sulzer Ortsmitte, am Rathaus, herrscht Schlafesruhe. Nur in der benachbarten Bäckerei sind die Inhaber schon wach. Sie hören kurz vor halb drei erst einen dumpfen Schlag. So, wie wenn dicke Zeitungspakete heftig auf den Boden gepfeffert werden. Auch andere Anwohner, die nur wenige Schritte vom Geldautomaten-Häuschen entfernt wohnen, wachen auf und wundern sich über die nächtliche Ruhestörung. Die Bäckersleute sind verunsichert, was denn da draußen vor ihrem Haus wohl vor sich geht. "Da stand ein Auto und mehrere Leute drum herum", berichtet eine Anwohnerin. Komisch, denkt sie sich und ruft vorsorglich die Polizei an.

Polizei ist schnell vor Ort

Die ist zu dieser Zeit bereits alarmiert. Die Täter hatten sich offenbar zunächst Zugang zur Rückseite des kleinen Würfels verschafft und dabei die stille Alarmanlage ausgelöst. Eine Wachdienstfirma wird automatisch über den Überfall auf die Sparkassen-Filiale informiert, diese alarmiert umgehend die Polizei. Sofort rücken mehrere Streifenwagen aus.

Die Gauner gehen derweil mit Routine und offenkundig reichlich Erfahrung zu Werk. Sie sprengen den außen am Gebäude angebrachten Geldautomaten kurzerhand aus der Wand. Er knallt mit lautem Getöse auf die Straße. Weitere Anwohner schrecken auf. Die Täter schnappen sich die freigelegte Geldkassette des Automaten, stopfen diese ins wartende Fluchtauto, einen dunklen VW Phaeton, die Luxus-Limousine von Volkswagen. Sie geben Gas und wollen verschwinden.

Wilde Verfolgungsfahrt

Die Polizei ist jedoch schon fast am Tatort und erkennt das Fahrzeug mit den flüchtenden Ganoven. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt. Die Täter rasen mit Vollgas von Sulz aus hinaus auf den Langenhard und von dort aus weiter Richtung Kuhbach. Mehrere Streifenwagen sind ihnen dicht auf den Fersen. Doch dann werfen die Täter plötzlich Krähenfüße aus dem Auto, also gebogene, spitze Stahlteile, die sich in Autoreifen bohren und die Fahrzeuge lahmlegen. Mit platten Reifen bleiben mehrere Polizeiwagen stehen, wird die Polizei später berichten.

Ein Hubschrauber wird aus Stuttgart angefordert, die Großfahndung beginnt. Mehr als ein Dutzend Streifen rücken aus der ganzen Gegend an und jagen die Gangster. Diese sind zwischenzeitlich in Kuhbach angekommen, wenden und drehen ab Richtung Burgheim. Der Polizei gelingt es dann, die Täter mit ihren eigenen Waffen auszubremsen: Spezielle Nagelbretter, die von der Polizei ausgelegt wurden, durchlöchern die Reifen des Fluchtwagens und lassen langsam die Luft entweichen. Die Gangster kommen noch bis kurz vor Burgheim, dann sind auch ihre Reifen platt. Sie schnappen sich die Geldkassette und fliehen weiter zu Fuß. Dann verliert sich ihre Spur. Auch der Hubschrauber mit seiner Wärmebildkamera dreht wieder ab. Er hat lediglich eine Rotte Wildschweine im Wald ausmachen können.

Derweil sichert die Polizei in Sulz den Tatort. Spezialisten der Kriminalpolizei gehen auf Spurensuche. Mitarbeiter der Sparkasse kommen und nehmen den Schaden in Augenschein. Der kleine rote Würfel in der Sulzbergstraße, direkt neben dem Rathaus, ist völlig zerstört. Die Verkleidungsteile des schicken Quaders sind bei der Explosion in alle Richtungen weggeflogen.

Schadenshöhe noch unklar

Die Tür zum Gebäude hat es aus den Angeln gehoben und der eigentliche Geldautomat liegt auf der Straße. Im Innern des Gebäudes hängen Leitungen und Elektronik traurig in der Gegend, der Schaden dürfte mehrere Zehntausend Euro betragen. Die genaue Höhe wird nun noch ermittelt, genau wie die Höhe der Beute der Gangster.

Eine Summe kann die Polizei zu Beginn ihrer Ermittlungen noch nicht nennen, heißt es von der Presseabteilung des Polizeipräsidiums Offenburg auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Bank müsse erst noch nachprüfen, welche Mengen an Bargeld seit der letzten Füllung von Kunden abgehoben wurden. Erfahrungsgemäß halten sich Ermittler und Banken in solchen Fällen mit der Nennung genauer Summen eher zurück, um nicht weitere Nachahmungstäter auf den Plan zu rufen.

Überfall ist Dorfthema

In Sulz ist der spektakuläre Fall bei Tagesanbruch längst Dorfgespräch. Die Spurensicherung der Kripo hat den Automaten-Würfel mit Absperrband abgesichert, Passanten bleiben stehen und wundern sich, diskutieren und zeigen sich erschreckt über die Brutalität, mit der die Ganoven vorgingen.

Die "Lahrer Zeitung" berichtet online schon am späten Vormittag über den Vorfall, doch es dauert bis zur Mittagspause, bis die Polizei den Fall von sich aus öffentlich macht. Sie ruft mögliche Zeugen auf, Beobachtungen zur geknackten Bank-Filiale bei ihr zu melden.

Dann wird klar, dass die Ganoven in Sulz in dieser Nacht bereits das zweite Mal zugeschlagen haben. In Waldkirch war mutmaßlich dieselbe Täterschaft ebenfalls bei einem Geldautomaten-Knacken im Einsatz, nur kurze Zeit vor der Tat in Sulz.

 INFO

Hintergründe zum Überfall

> Sparkassen-Würfel: Die markanten roten Quader der Sparkasse Offenburg-Ortenau stehen nur an zwei Standorten des Geldhauses, in Sulz und in Offenburg bei einem Baumarkt. Vor drei Jahren haben Täter im Götzmann in Mietersheim den Automaten eines Bankpavillons gesprengt und kamen so an Bargeld. In derselben Nacht gab es ähnliche Fälle in Willstätt und Offenburg.

> Der Fall in Waldkirch: Eine halbe Stunde vor dem Fall in Sulz, gegen 2 Uhr morgens, schlugen mutmaßlich dieselben Täter in Waldkirch in einem Industriegebiet zu, berichtet die dortige Polizei. Ihr liegen Videoaufnahmen vor, die das Fluchtauto zeigen, wie in Sulz ein dunkler VW Phaeton. Die kurz nach der Alarmierung eingetroffenen Beamten der Polizeireviere Waldkirch und Freiburg-Nord konnten vor Ort nur noch feststellen, dass versucht worden war, den Automaten mit einem Sprengmittel zu öffnen. Es entstand ein geschätzter Schaden im hohen fünfstelligen Bereich. Bargeld konnte im Gegensatz zum Sulzer Fall nicht entwendet werden. Die Kripo Emmendingen hat die Ermittlungen übernommen.

>  Viele Spuren: Da die Täter ihren Fluchtwagen und wohl auch weitere Utensilien bei ihrer Flucht hinterlassen haben, hat die Polizei vergleichsweise viele Ansatzpunkte, die Täter zu ermitteln, hieß es aus dem Polizeipräsidium.

> Polizei sucht Zeugen: Wer hat nachts einen verdächtigen VW Phaeton in und um Sulz herum gesehen? Sah jemand die Männer am Tatort oder nach ihrer Flucht über den Langenhard? Wer hat sonst etwas beobachtet? Und wer hat möglicherweise in Burgheim oder Umgebung festgestellt, dass Unbekannte Unterschlupf gesucht haben, als der Polizeihubschrauber über dem Ort kreiste? Die Polizei hofft auf Hinweise aus der Bevölkerung, um der Ganoven schneller habhaft werden zu können.


Kommentar von Jörg Braun

Schock in Sulz

Der brutale Sprengstoff-Angriff auf den Geldautomaten in Sulz war am Donnerstag Tagesgespräch im Dorf. Die Bürger zeigten sich geschockt über die Tat und das dreiste Vorgehen der Gangster. In aller Seelenruhe wickelten sie ihren Überfall ab, selbst, als sich Anwohner schon bemerkbar machten. Das lässt den Schluss zu, dass es sich um eine professionelle Bande gehandelt haben muss, die schon öfter auf derlei Beutezügen war.  Für die aufgeschreckten Sulzer ist dies keine Beruhigung. Sie haben nun deutlich gespürt, dass die brutale Kriminalität buchstäblich über Nacht in jedem  Dorf einfallen kann. Erste Bürger haben sich schon Gedanken um mehr Einbruchsschutz ihrer Häuser gemacht, wurde in Gesprächen deutlich. Bei allem Schaden und aller Sorge ist allerdings festzuhalten, dass zum Glück niemand verletzt wurde. Bei der halsbrecherischen und filmreifen Flucht der Gangster hätte das leicht passieren können. Nicht nur den hinterherjagenden Polizisten, sondern auch unbeteiligten Bürgern.