Krankenschwester Miriam Schneider vom Wolfacher Klinikum war eine der ersten, die im Lahrer Impfzentrum immunisiert wurden. Jetzt wird der Kreis der Berechtigten erweitert. Foto: Fischer

Corona: Lahrer Impfzentrum fährt hoch – doch nicht alle profitieren / Probleme bei Terminen in Eigenregie

Lahr - Das Lahrer Impfzentrum legt den Turbo ein: Ab kommender Woche sollen bis zu 560 Menschen täglich immunisiert werden. Doch an der ein oder anderen Stelle hakt es noch – die einen wollen zu viel, die anderen bekommen zu wenig.

Was im Schneckentempo begann, wird langsam aber sicher zum Vollsprint: Zum Start des Kreisimpfzentrums in Lahr vor gut einem Monat wurden in der Rheintalhalle 35 Impfdosen täglich verabreicht. Sukzessive wurden es mehr, sodass bis dato gut 1500 Menschen in Lahr immunisiert wurden, etwa 200 schon zum zweiten Mal.

Ab kommender Woche sollen pro Tag 560 Coronaschutz-Spritzen gesetzt werden. Das hat die LZ bereits am Dienstag berichtet und wurde nun vom Landratsamt offiziell bestätigt. Damit nähert man sich der Kapazitätsgrenze von 750 Impfungen pro Tag an. Ganz rund läuft es aber noch nicht, wie Recherchen zeigen.

Zweiter Impfstoff angekommen

Neben dem Vakzin von Biontech wird in Lahr künftig auch der von Astrazeneca gespritzt. Das Land erwartet bis Mitte März bis zu 450.000 Dosen. "Damit können wir unsere Impfangebote deutlich erhöhen", sagt Diana Kohlmann, Chef-Organisatorin der Kreisimpfzentren.

In Lahr gingen sodann bis zu sechs Impfstraßen in Betrieb. Immunisiert werden nun nicht mehr nur über 80-Jährige und Mitarbeiter von Pflegeheimen und Kliniken, sondern auch andere medizinische Beschäftigte mit einem hohen Infektionsrisiko, Menschen mit einer geistigen Behinderung und auch Lehrer und Erzieher sowie Haus- und Zahnärzte.

Problem mit dem Alter

Die Sache hat aber einen Haken. Denn die Neu-Berechtigten werden auf Beschluss der Regierung nur mit Astrazeneca geimpft – und dieser Wirkstoff ist in Deutschland derzeit nur für Menschen unter 65 Jahren zugelassen. Heißt: Ältere Lehrer, Ärzte und Erzieher schauen in die Röhre.

Ein Pädagoge aus der südlichen Ortenau wandte sich am Donnerstag an die LZ und machte seinem Ärger Luft: Diese Entscheidung sei schlicht ein "Skandal". Matthias Biegert von der Lehrer-Gewerkschaft GEW in der Ortenau geht so weit nicht. Doch kann er den Frust nachvollziehen. "Für diese Kollegen ist es doppelt bitter, weil sie ja schon zur Corona-Risikogruppe gehören."

Nach Angaben des Offenburger Schulamts sind 24 Lehrer in der Ortenau Ü 64. Gymnasial- und Berufsschullehrer nicht mit eingerechnet. Deren Zahl dürfte sich in ähnlicher Größenordnung bewegen. Biegert hätte sich vom Land mehr Flexibilität gewünscht, "etwa indem man älteren Lehrern ausnahmsweise Zugang zu Biontech gibt".

Der Gewerkschafter kündigte gegenüber der LZ an, das Thema "an der richtigen Stelle" anzusprechen. Bei den Medizinern ist die Lage dramatischer: Laut Kassenärztlicher Vereinigung sind knapp 120 niedergelassene Ärzte in der Ortenau 65 oder älter und damit nicht impfberechtigt. Die Landesärztekammer gibt sich zurückhaltend, bestätigt aber, dass es "einige Rückmeldungen" gegeben habe. Tenor: "Ein gewisses Unverständnis."

Impfzentrum zurückgepfiffen

In Lahr kam es trotz durchgetakteter Termine in den vergangenen Tagen immer wieder vor, dass einzelne Impfdosen übrig blieben. Um diese zeitnah zu verimpfen, kam im Impfzentrum die Idee auf, Gemeinden in der südlichen Ortenau zu bitten, Kontakt mit impfwilligen Senioren aufzunehmen und diese zu melden.

Das Problem: Die Terminvergabe in Eigenregie widerspricht der Impfstrategie des Landes, alles zentral über die Hotline 116 117 beziehungsweise www.impfterminservice.de abzuwickeln. "Deswegen mussten wir das kurzfristig stoppen", erklärte Kreissprecher Kai Hockenjos auf LZ-Nachfrage.

"Wir arbeiten aber gerade intensiv in Absprache mit dem Sozialministerium und den ärztlichen Leitungen der Impfzentren an einer Strategie für alle Gemeinden des Ortenaukreises und sind zuversichtlich, zeitnah eine Lösung anbieten zu können."

Das tut auch not – denn: Die vom Land eingeführte Warteliste funktioniert laut Hockenjos derzeit "noch nicht perfekt". Alleine in Baden-Württemberg gelte es, mehr als 100.000 Menschen zurückzurufen. Die gute Nachricht: Die über 80-Jährigen, die auf die unkonventionelle Weise in Lahr einen Impftermin erhalten haben, dürfen diese auch wahrnehmen, so das Landratsamt.

Astrazeneca "ist sicher"

Dem Vakzin von Astrazeneca wird teilweise nachgesagt, mehr Nebenwirkungen zu haben als der von Biontech. Dem sei nicht so, sagt die medizinische Leiterin der Kreisimpfzentren Doris Reinhardt: "Der Astrazeneca-Impfstoff ist sicher ist und schützt vor einer schweren Covid-Erkrankung."

Rund ein Viertel der Geimpften klage über vorübergehende Reaktionen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen oder Muskel- und Gliederschmerzen. Das sei nichts Unnormales, "zeigt, dass der Körper reagiert und der Impfstoff wirkt", betont die Ortenauer Pandemie-Beauftragte. Das Landratsamt weist darauf hin, dass Neu-Impfberechtigte eine Arbeitgeber-Bescheinigung über ihre Tätigkeit brauchen. Vorlagen gibt es unter www.sozialministerium.baden-wuerttemberg.de.