Jürgen Grässlin gilt als Kenner der Rüstungsindustrie und informierte die Lahrer über viele Hintergründe. Foto: Masson

Rüstungsexperte und Aktivist Jürgen Grässlin spricht sich bei Vortrag gegen Ansiedlung am Flugplatz aus

Der Widerstand gegen eine Munitionsfabrik in Lahr am Flugplatz wächst. Rüstungsexperte Jürgen Grässlin hat bei einem Vortrag die Gegner mit fachkundigen Argumenten bestärkt.

Lahr. Annähernd 100 Zuhörer fanden sich am Donnerstag zu dem Vortrag des bundesweit bekannten Waffenkritikers Jürgen Grässlin im Haus zum Pflug ein. Das Thema: "Der Tod ist ein Meister aus Baden-Württemberg – und bald auch aus Lahr?" Eingeladen dazu hatte das Lahrer Friedensforum. Derzeit sammelt es Unterschriften gegen eine geplante Munitionsfabrik in Lahr (siehe Info), und deshalb sollte Grässlin als intimer Kenner der Rüstungsindustrie darüber Hintergrundinformationen liefern.

Das tat der auch in der Friedensbewegung und dem Freiburger Rüstungsinformationsbüro engagierte Lehrer ausführlich mit beeindruckenden Fakten und Zahlen. Kernpunkt seiner detaillierten Ausführungen: Deutsche Rüstungsgüter- und Waffenexporte gehen nicht nur legal an Mitgliedsstaaten der EU und der Nato samt weiteren 100 Ländern. Darüber hinaus habe der dafür zuständige Bundessicherheitsrat immer wieder Sonderausnahmegenehmigungen auch für Lieferungen in Staaten wie Israel (U-Boote als Atomwaffenträger), Mexiko, Algerien und vielen anderen erteilt. Auch verteilte er Nachbaulizenzen für die deutschen Sturmgewehre G 3 und G 36 vom führenden Oberndorfer Handfeuerwaffenhersteller "Heckler & Koch" etwa für Saudi-Arabien, das im Verdacht steht, islamische Terroristen zu unterstützen. Von solchen "Endverbleibsländern" werden Waffen immer wieder illegal in Drittländer weiter verschoben, bevorzugt in Krisen- und Kriegsgebiete, so Grässlin. "Spätestens in solchen Fällen machen sich die Mitglieder des Bundessicherheitsrates, allen voran die Bundeskanzlerin, Finanzminister Wolfgang Schäuble und seit neuerer Zeit Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries in diesen Fällen der Beihilfe zum Mord schuldig." Das gilt auch für exportierte Kleinwaffen, die im Rüstungssprachgebrauch der "Eliminierung von Weichzielen" dienen und erwartungsgemäß oft in falsche Hände weitergereicht werden, manchmal an verfeindete Bürgerkriegsparteien zugleich. Hier schließe sich der Kreis, denn diese Waffen brauchen Munition. Die Schweizer Firma Saltech will solche nun zusätzlich in Lahr herstellen.

Im Programm hat sie auch verschiedene Kaliber für die gesamte Palette von Sturm-, Maschinen- und Scharfschützengewehren. Dass Saltech nur die baden-württembergische Polizei mit Lahrer Munition beliefern will, wie Gerüchte mit unbekannter Quelle besagen, zieht Grässlin vehement in Zweifel. Immerhin sei Saltech auch auf der weltweit wichtigsten Rüstungsmesse "IDEX" in Abu Dhabi jährlich vertreten. Da sei äußerst unwahrscheinlich, dass die Schweizer Firma mit neuer Lahrer Produktion nur ein vergleichsweise kleines Munitionsgeschäft im eh "gesättigten" deutschen Markt anstrebt, so Grässlin. "Ladet doch mal Firmenvertreter von Saltech ein, um in Lahr Rede und Antwort zu stehen", schlug Grässlin vor.

In der anschließenden Diskussion betonte der Rüstungsexperte, dass es im Falle einer Lahrer Munitionsfabrik jedenfalls keinerlei Möglichkeiten gäbe, den Endverbleib der Patronen zu kontrollieren.

Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller, bisher Befürworter der Saltech-Ansiedlung, ließ sich am Abend aus Termingründen entschuldigen. Für das Lahrer Friedensforum berichtete Klaus Schramm schließlich von der Unterschriftenaktion. Man wolle sich weiter bemühen, sowohl den OB als auch den Gemeinderat zu einem "Nein" zu bewegen. Von den dortigen Fraktionen hätten sich SPD, Grüne und Linke Liste schon positioniert. Schramm: "Wir müssen alles tun, damit die Munitionsfabrik in Lahr nicht gebaut wird."

INFO

Friedensforum

Das Friedensforum Lahr sammelt Unterschriften, um eine Ansiedlung der Munitionsfa-brik am Flugplatz zu verhindern. Die Resolution haben bisher 859 Bürger unterschrieben (Stand: 15. September). Für Mittwoch, 20. September, von 13 bis 18 Uhr lädt das Friedensforum zu einem Infostand und einer Kundgebung mit dem Friedens-Mobil der DFG/VK auf den Sonnenplatz ein.