Landtagswahl: Neben Boser schafft’s auch Gentges in den Landtag / Sittler beschert FDP deutliches Plus
Lahr - Sieger oder Verlierer? Diese Frage fällt nach der Landtagswahl bei FDP, SPD und AfD im Wahlkreis eindeutig aus. Bei der CDU ist man erleichtert, dass Marion Gentges trotz Verlusten im Landtag bleibt. Unsere Redaktion sammelte Reaktionen.
Gentges gelangt über Zweitmandat in Landtag
Gentges holte 24,5 Prozent und musste damit wie schon 2016 hinter der Grünen-Bewerberin Sandra Boser (33,1) zurückstecken. Dennoch hatte sie am Wahlabend gegenüber der LZ die Hoffnung geäußert, ihre Arbeit im Landesparlament fortsetzen zu dürfen. Darf sie. Bei der Zweitauszählung ergatterte die 49-Jährige im CDU-internen Ranking des Regierungsbezirks Freiburg einen der begehrten Plätze.
Aufatmen bei der CDU
Erst um 0.40 Montagfrüh hatte Gentges Gewissheit – als der letzte Kreis (Ostalb) seine Wahlergebnis an das Statistische Landesamt gemeldet hatte. Sie hatte sich zwar schon Stunden vorher gute Chancen aufs Zweitmandat ausgerechnet. "Die Erleichterung war aber natürlich riesig", berichtet die Kinzigtälerin. Als die LZ sie am Tag nach der Wahl erreicht, hat Gentges gerade die Krisensitzung in der CDU-Fraktion hinter sich gebracht.
"Wir haben dramatisch verloren, entsprechend war die Stimmung", berichtet die Politikerin. Die historische Pleite im Land sei "offen analysiert" worden, nun gelte es, "zu schauen, welche Konsequenzen wir ziehen". Eine klare Meinung hat Gentges indes bereits zur Frage, wer künftig das Sagen im Land haben sollte. "Der Ball liegt natürlich bei den Grünen, aber ich denke, der Ministerpräsident weiß, was er an der bisherigen Koalition hat", zeigt sie sich mit Blick auf die bevorstehenden Gespräche zur Regierungsbildung kämpferisch: "Die Arbeit der vergangenen fünf Jahre war inhaltlich ganz ordentlich, die würde ich gerne fortsetzen."
Ende der Woche, prognostiziert die 49-Jährige, könnte schon klar sein, ob weiter Grün-Schwarz regiert oder Winfried Kretschmann am Ende doch auf eine "Ampel" mit Rot und Gelb setzt. Sollte Letzteres der Fall sein, "werden wir auch die Oppositionsrolle gut ausfüllen". Lieber wäre es Gentges freilich ihre bisherigen Schwerpunkte Wissenschaft und Justiz weiter aus der ersten Reihe zu beackern.
Ilona Rompel, CDU-Sprecherin im Gemeinderat, nahm die Verluste ihrer Partei zum Anlass, den Blick nach vorn zu richten, schließlich wird im September ein neuer Bundestag gewählt. "Das Management der Corona-Pandemie muss besser werden", wünscht sie sich. Die Juristin hätte es lieber gesehen, wenn Friedrich Merz zum Parteivorsitzenden gewählt worden wäre, da er für etwas stehe, was in der CDU-Führungsspitze in der Regierungszeit von Angela Merkel selten geworden sei: ein Konservativer mit Sinn für die Marktwirtschaft.
In eine ähnliche Kerbe schlägt die Lahrer Parteichefin Annette Korn: Die CDU müsse sich auf ihren Wesenskern besinnen, eine "Volkspartei der Mitte" sein. Unter Merkel ist die Partei nach dem Geschmack Korns zu weit nach links gerückt. Wichtig ist ihr die Feststellung, dass die CDU "Politiker mit Bodenhaftung braucht, die auf die Basis hören".
Freude bei den Liberalen
Regina Sittler im Glück: Zwar hat die FDP-Kandidatin den Sprung nach Stuttgart ins Parlament nicht geschafft, doch es war "sehr knapp", wie Sittler am Montagmorgen mit leicht heiserer Stimme im Gespräch mit der Lahrer Zeitung sagt. Kein Wunder, sie hatte noch in der Wahlnacht jede Menge Telefonate geführt und Glückwünsche von vielen Parteifreunden entgegengenommen.
Die Zahnärztin ist merklich stolz auf ihr Abschneiden im Wahlkreis und vor allem auch in Lahr. Dort hätten sich die Gewichte klar zur FDP verschoben. Ein Vorzeichen auch für kommende Wahlen? Die 30-Jährige hofft es jedenfalls. Glücklich ist sie auch darüber, die AfD im Wahlkreis Lahr/Kinzigtal hinter sich gelassen zu haben. Dass sie nicht in den Landtag wechseln kann, sei für sie kein Beinbruch. "Wir werden mit unserer Zahnarztpraxis umziehen und sie vergrößern, außerdem werde ich sie von meinem Vater übernehmen, da wartet jede Menge Arbeit auf mich." Ob sie bei der nächsten Landtagswahl nochmals für die FDP antreten werde? "Wer weiß schon, was in fünf Jahren ist."
Gemischte Gefühle bei der SPD: Der Lahrer Stadtrat Roland Hirsch (SPD) blickt "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" auf die Wahlergebnisse. Er freue sich über den Sieg der SPD im Nachbarbundesland, in der hiesigen Grünen-Hochburg habe er sich aber etwas mehr erhofft. "Der Bonus des grünen Ministerpräsidenten hat hier voll und ganz durchgeschlagen", so Hirsch.
Das politische Urgestein Walter Caroli, der von 1988 bis 2006 für die Sozialdemokraten im Landtag saß, ist nicht überrascht vom schlechten Wahlausgang seiner Partei. "Es war auch diesmal ganz klar eine Persönlichkeitswahl, da hatte es die SPD schon schwer, denn Kretsch- mann hat alles überragt", sagt er. Das Ziel der SPD in Lahr sei es in Zukunft, auch die Deutschen aus Russland, die mit der AfD sympathisieren, wieder stärker anzusprechen.
"Ich hatte in meiner Zeit im Landtag einen recht guten Zugang zu allen Bevölkerungsschichten, habe allerdings auch gemerkt, wie schwer das bereits da war." Ein bekannter Lokalmatador sei für die Bevölkerung nach Einschätzung Carolis deutlich attraktiver als jemand, der nicht direkt in Lahr wohnt.
"Karl-Rainer Kopf hat sich sehr bemüht, die Pandemie hat ihm seine Präsentation aber nicht leicht gemacht", sagt Caroli. Am wichtigsten seien künftig nicht ein paar Prozent mehr oder weniger, sondern die Zusammenarbeit mit den anderen demokratischen Parteien. Caroli hofft wie Hirsch auf eine Ampelkoalition mit den Grünen und der FDP.
Wundenlecken bei der AfD
Johannes Erling hatte es nach Bekanntgabe der Ergebnisse die Stimmung verhagelt. Der 33-jährige Lahrer holte für die AfD im Wahlkreis zehn Prozent, satte fünf Prozent weniger als Thomas Seitz vor fünf Jahren. Dabei gibt es sie noch, die AfD-Hochburgen. Man findet sie in Lahrer Stadtteilen, in denen viele Deutsche aus Russland wohnen. In Dinglingen, der Südstadt, Mietersheim, Kippenheimweiler und Langenwinkel war die AfD am Sonntag stärkste Kraft, mit Anteilen von teils mehr als 30 Prozent.
Auf das Thema, dass Deutsche aus Russland offenbar unbeirrt zu seiner Partei stehen, wollte Erling sich im Gespräch mit unserer Redaktion aber nicht einlassen: "Meine Wähler haben den deutschen Pass, das zählt für mich." Ein besseres Gesamtergebnis verdarben ihm vor allem die Resultate aus dem Kinzigtal, wo die AfD weiter auf keinen grünen Zweig kommt. Tiefpunkt sind die 5,9 Prozent in Haslach.
Wahlbeteiligung ist überall gesunken
61 Prozent aller Wahlberechtigten gaben im Wahlkreis Lahr ihre Stimme ab, 2016 waren es noch 66 Prozent. Die Stadt Lahr bildet hier das Schlusslicht. Mit 50,6 Prozent machte nur gut jeder Zweite von seinem Stimmrecht Gebrauch – sieben Prozent weniger als letztes Mal.
Den Spitzenplatz im LZ-Gebiet belegt die Gemeinde Schuttertal: 69,1 Prozent der Schuttertäler warfen ihren Wahlschein in die Urne oder den Briefkasten. Am deutlichsten ging die Wahlquote in Kippenheim zurück: Lag die Gemeinde beim letzten Mal mit 76 Prozent noch an der Spitze, beteiligten sich in diesem Jahr nur noch rund 60 Prozent.