Susanne Böhme springt hier mit dem "Wingsuit" von einem Felsen in den Alpen ab, gleitet in der Luft und öffnet zur Landung rechtzeitig den mitgeführten Fallschirm. Foto: privat

Susanne Böhme springt trotz einer Behinderung mit dem "Wingsuit"

Trotz Querschnittlähmung durch einen missglückten Sprung ist Susanne Böhme mit ihrem Team sehr erfolgreich im Fallschirmsport. Am Flugplatz in Lahr betreibt sie eine Reparaturwerkstatt.

Lahr. Mit 16 Jahren ist Susanne Böhme das erste Mal mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug gesprungen. Seither absolviere sie jährlich etwa 100 Sprünge, sagt sie. Als sich irgendwann der Start wegen schlechten Wetters verzögerte, habe sie den Finnen Jari Kuosma kennengelernt, der mit einer damals noch unbekannten Ausrüstung abspringen wollte, dem sogenannten Wingsuit: Das ist ein spezieller Anzug mit Stoff-Flächen zwischen Beinen, Armen und Oberkörper, die sich im Freifall mit Luft füllen und dann wie Tragflächen funktionieren. Während der Wartezeit ließ sich Susanne in die Sprungtechnik einweisen und absolvierte gleich anschließend den ersten Wingsuit-Sprung ihres Lebens. Das war vor etwa 17 Jahren. Seither hat sie diese Leidenschaft nicht mehr losgelassen.

Inzwischen betreibt sie das Springen als Wettkampfsport. Als Ersatzspringerin gewann sie mit ihrem Team "Bad Birds" im vergangenen Jahr in Eschbach die Deutsche Meisterschaft. Ein Wingsuit-Acrobatic-Team besteht aus zwei Performern und einem Kameramann. Für die Bewertung sind sowohl die vorgeführten Manöver und geplanten Berührungen der Akrobaten als auch die Leistung des Videospringers maßgeblich, der durch gekonntes Umfliegen die Kunststücke aufzeichnet. Bei deutschen Meisterschaften in Neustadt-Glewe wird das in Lahr trainierende Team Ende August versuchen, seinen Titel zu verteidigen.

Darüber hinaus arbeitet Böhme als Fallschirmtechnikerin, Sprunglehrerin und Wingsuit-Instructorin. Am Flugplatz in Lahr betreibt sie ihr kleines Unternehmen, das sich zusammen mit "Skydive Black Forest", dem Breisgau-Verein für Fallschirmsport, 2016 in der Fritz-Rinderspacher-Straße angesiedelt hat.

Böhme handelt mit allem, was man zum Fallschirmspringen braucht, packt und repariert Schirme (Rigging) sowie andere Ausrüstungsgegenstände. Dafür hat sie spezielle Nähmaschinen angeschafft, mit denen sich sowohl der dünne Nylonstoff als auch die dicken Gurte flicken lassen. "Der Laden läuft", sagt sie, "ich bin ganz zufrieden". Ihr Sport wird durch das Sanitätshaus Storch und Beller in Karlsruhe unterstützt. Dort lebt sie auch mit Mann und Sohn.

Seit einem Unfall beim Springen ist sie von der Hüfte abwärts teilweise gelähmt

Das Springen mit dem Wingsuit gilt nach wie vor als eine der gefährlichsten Sportarten der Welt. Mit dem speziellen Anzug kann man sowohl aus dem Flugzeug (Skydive) als auch von anderen hoch gelegenen Punkten auf Gebäuden oder Bergen abspringen (Basejump) – immer in der Kombination mit einem Fallschirm für die Landung. Spezielle Schulungen sind erforderlich, denn die Horizontalbewegung, die bei einem Fallschirmsprung so nicht vorkommt, ist eine komplexe Angelegenheit. Auch das Öffnen des Schirms bedarf besonderer Übung.

Susanne Böhme kennt die Gefahr aus eigener Erfahrung: Ende 2012 stieß sie sich bei einem Base-Sprung nicht weit genug vom Berg ab und schlug gegen die Felswand. Zum Glück öffnete sich der stark beschädigte Fallschirm trotzdem. Seither aber ist sie durch eine schwere Rückenverletzung von der Hüfte abwärts teilweise gelähmt.

Mit Rollator und Beinschienen übt sie das eigenständige Gehen. Auch dabei kommen ihr die Ausdauer und die Disziplin zugute, mit der sie für ihren Sport trainiert: Seit 2013 springt sie wieder, seit 2016 sogar mit dem Wingsuit. Zwar habe sie nicht nur gute Tage, sagt sie, aber: "Meine Zuversicht und Lebensfreude sind geblieben, ebenso meine Arbeit als Fallschirmtechniker. Auch in der Luft fühle ich mich wieder zu Hause, als eine von weltweit nur etwa zehn querschnittgelähmten Solo-Springern."

Weitere Informationen: www.wingsuit.de.

INFO

Buchvorstellung

Über ihren Sport, ihren Unfall und über ihren Weg zurück auf die eigenen Beine bis hin zum Wingsuit-Sport hat Susanne Böhm ein Buch geschrieben. Es heißt "Steh auf und flieg!" und ist vor vier Monaten erschienen. Mit ihrer Lebensgeschichte ist sie inzwischen sogar im SWR- Fernsehen aufgetreten. Am Samstag, 6. Mai, wird sie zwischen 11 und 14 Uhr in der Buchhandlung Schwab in Lahr ihr Buch und ihren Sport vorstellen, Bücher signieren und die ein oder andere Geschichte aus ihrem aufregenden Leben erzählen.