Spektakulärer Prozess vor unscheinbarer Kulisse: Hinter diesen Mauern einer Nebenstelle des Mannheimer Landgerichts wird über den Fall des Lahrer Ex-Dekans Markus Erhart verhandelt. Er kündigte an, bald umfassend zu gestehen. Fotos: Braun/Schabel Foto: Lahrer Zeitung

Justiz: Überraschende Wende im Verfahren gegen Markus Erhart in Mannheim

Unerwartete Wende im Fall des früheren Lahrer Dekans Markus Erhart: Der Geistliche plant, vor Gericht ein umfassendes Geständnis abzulegen. Das kündigte sein Anwalt an. Damit würde sich der Mammut-Prozess wohl deutlich verkürzen.

Mannheim/Lahr. Mit einem Paukenschlag begann der dritte Verhandlungstag vor der Großen Wirtschaftskammer am Landgericht Mannheim am Montag. Ganz unerwartet kündigte Verteidiger Edgar Gärtner an, dass sein Mandant bereit sei, sich auf eine "verfahrensbeschleunigende Verständigung" einzulassen, um den Prozess abzukürzen. Auf gut Deutsch: Markus Erhart hat vor, ein Geständnis abzulegen. Gegen ihn läuft derzeit das Hauptverfahren vor dem Mannheimer Landgericht, das auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert ist. Erhart wird vorgeworfen, mehrere kirchliche Einrichtungen um rund 230 000 Euro betrogen und Gelder veruntreut zu haben. Am Montag gab es zahlreiche weitere Details.

Mindert Auspacken Strafe? Anwalt Edgar Gärtner räumte gegenüber der Lahrer Zeitung ein, dass hinter dem Angebot eines Geständnisses die Hoffnung stecke, vom Gericht das Strafmaß gesenkt zu bekommen. Wenn ein Angeklagter mit der Justiz kooperiere, könne sich das auf die Strafe positiv auswirken. Was droht dem Ex-Dekan? Wie hoch die Strafe wegen der dutzendfachen Betrugsvorwürfe am Ende ausfallen könnte, mag sein Verteidiger Edgar Gärtner nicht abschätzen. Gegenüber unserer Redaktion erklärte der Anwalt nur: "Zwischen sechs Monaten und zehn Jahren ist alles möglich." Einen solchen Fall habe er in dieser Form noch nicht erlebt. Klar sei aber: Einen Freispruch für den Geistlichen aus Lahr erwartet der Anwalt nicht.  Wo blieb das Geld? Auch am dritten Verhandlungstag blieb völlig im Dunkeln, wie Erhard das mutmaßlich unrechtmäßig erworbene Geld der kirchlichen Einrichtungen verwendet hat. Dazu gab es auch am Montag von ihm keine Silbe. Auch sein Anwalt wollte hierzu nichts sagen.

 Wie kam alles ans Licht? Erhart soll auch den Mannheimer Ursulinen-Orden um mehr als 20 000 Euro betrogen haben. Über viele Jahre hatte er dort Beratungsprojekte, die er für Extra-Entlohnung erledigte. Seine chronische Geldnot sei dort bekannt gewesen. "Ich habe teils Geld von den Ordensschwestern einfach so bekommen", gab Erhart zu Protokoll. Ohne Belege, ohne Leistungen. Geldgeschäfte rund um diesen Orden haben dann die Ermittlungen der Erzdiözese aussgelöst, hieß es jetzt vor Gericht.   300 dubiose Belege: Am Montag ging es viel um Eigen-Belege, die der Geistliche der Caritas für angebliche Ausgaben selbst ausgestellt haben soll. Ohne Rechnung, einfach so, nach eigenem Ermessen. Tobias Biendl, der Chef der Rechnungshofs der Freiburger Erzdiözese, gab im Zeugenstand an, bei den Prüfungen der Erhart’schen Finanzen auf mehr als 300 Belege gestoßen zu sein, die fragwürdig gewesen seien. "Da wurden Zigaretten abgerechnet, jede Menge Benzin, Hotels und Treffen mit angeblichen Gruppen." Bei der Überprüfung dieser fragwürdigen Belege seien viele Fragen offen geblieben. Dies habe dann für die Kirchenleitung den Ausschlag gegeben, auch die weltliche Gerichtsbarkeit einzuschalten und Anzeige gegen den Ex-Dekan zu erstatten.  Projekt oder Urlaub? Für Mitarbeiter der Caritas bot Erhart Wander-Aktionen auf dem Jakobsweg in Spanien an. Dieses "Pilger-Projekt" war ein Steckenpferd des Geistlichen, wurde deutlich. Er bekam dafür kräftig Geld und leistete sich unter anderem teure Abendessen in Barcelona, berichtete Rechnungshof-Chef Biendl. Manche der abgerechneten Kosten seien rein vorgegaukelt gewesen. Es stelle sich die Frage, ob dieses "Pilger-Projekt" nicht eigentlich ein netter Urlaub gewesen sei. Mit dem Gebot von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sei es jedenfalls nicht vereinbar.  Griff in die Handkasse: Die Barkasse der Seelsorgeeinheit Lahr war vor Erhart offenbar auch nicht sicher. Bis kurz vor seiner Festnahme soll er darauf Geld entwendet und privat verbraucht haben, hieß es.

Warum muckte keiner auf? Erhart war eigentlich nur der Chef des Caritas-Aufsichtsgremiums, nicht der Geschäftsführer. Doch am Ende hatte er intern klar den Ruf, "der Chef" zu sein, wurde am dritten Verhandlungstag deutlich. Anfangs hätten Mitarbeiter noch kritisch nachgefragt, etwa wegen seltsamer Belege. Doch die Bedenken habe Erhart vom Tisch gewischt und deutlich gemacht, dass er zu entscheiden habe. "Was der Chef macht, hinterfragt man nicht", habe es am Ende geheißen. Und aus dem restlichen Vorstand der Caritas traute sich offenbar keiner, ihn zur Rede zu stellen oder kritische Projekte wie die Pilger-Aktion in Spanien zu stoppen.  Anonyme Hinweise: Auch während des laufenden Verfahrens gab es anonyme Hinweise zum Fall, die beim Mannheimer Gericht gelandet sind. Sie wurden von Richter Oliver Ratzel noch nicht ausgewertet, sollen aber in die Akten einfließen.

Insgesamt 19 Verhandlungstage hat die Große Wirtschaftskammer des Landgerichts Mannheim für den Fall Erhart angesetzt. Vermutlich wird es aber deutlich schneller gehen. Diese Woche noch will das Gericht darüber entscheiden, ob ein umfassendes Geständnis Erharts das Hauptverfahren abkürzen könnte. Viele Zeugen aus Lahr und Freiburg bräuchten dann nicht mehr nach Mannheim reisen und vor Gericht aussagen. Am Donnerstag dieser Woche ist der nächste Sitzungstag angesetzt, an dem es dann Klarheit geben dürfte. Einige Zeugen will das Gericht aber noch vorladen. Auch, um kirchenrechtliche Folgen zu beleuchten.