Erdogan erhält nun mehr Macht, was auch in Lahr kritisiert wird. Foto: Symbolbild

Linken-Politiker als Wahlbeobachter vor Ort. "Es war keine freie Wahl"

Lahr - Recep Tayyip Erdogan bleibt nach der Wahl Präsident der Türkei. Offiziellen Angaben zufolge setzte er sich mit 52 Prozent gegen seine Herausforderer durch. Durch den Sieg erhält Erdogan nun deutlich mehr Macht. Das wird auch in Lahr kritisiert.

Im Vergleich zu vielen deutschen Großstädten blieb es ruhig am Sonntagabend in Lahr. In Duisburg, Berlin oder Stuttgart feierten hingegen viele Tausende Türken hupend und fahnenschwenkend den Wahlsieg der AKP und ihres nun mit deutlich mehr Macht ausgestatteten Vorsitzenden. Dennoch gibt es viele kritische Stimmen – auch aus Lahr und der Region. Sie zweifeln das Ergebnis der Wahlen an, nennen die Wahlen nicht demokratisch, offen und frei und bestätigen die im Raum stehenden Wahlmanipulationen. "Ich bin enttäuscht, dass Erdogan gewonnen hat, das ist sicher nicht gut für die Demokratie in der Türkei", sagt etwa Tunahan Yildirim von der SPD Lahr. Er bemängelt, dass Erdogan im Wahlkampf zehnmal mehr mediale Präsenz hatte als beispielsweise sein Hauptkonkurrent Muharrem Ince. Der Grund dafür: Erdogan kontrolliert viele Sender. Gerecht ging es im Wahlkampf also augenscheinlich nicht zu, sagen Beobachter. Unter diesen Umständen sei das Ergebnis der Opposition mehr als ein Achtungserfolg. Genauso sieht es auch Yildirim. "Die Opposition ist zusammengerückt und vielfältiger, ein gutes Ergebnis für die Opposition um die CHP und die prokurdische HDP, trotz schwieriger Bedingungen." Die HDP hat die Parlamentshürde von zehn Prozent geknackt. Sie wird 67 Abgeordnete nach Ankara senden. Sie soll der einzige Lichtblick der türkischen Opposition in dieser Wahlnacht bleiben.

Yildirim wünscht sich vor allem eines: eine vereinte Opposition. Diese könnte dann zu einer starken Stimme gegen Erdogan und seiner Regierungspartei AKP werden.Yildirim sagt auch, dass allein im Konsularbereich Karlsruhe – die Türken in Deutschland mussten in den Konsularen wählen – die Zustimmung für Erdogan bei etwa 65 Prozent lag. Deutschlandweit lag die Zustimmung auf einem Rekordniveau bei mehr als 60 Prozent.

Ein tief gespaltenes Land hat Tobias Pflüger vorgefunden. Der Bundestagsabgeordnete der Linken für die Region Südbaden war auf Anfrage der HDP als Wahlbeobachter in der osttürkischen Stadt Van. "Alle Wahllokale wussten, dass wir kommen", sagt der 53-Jährige noch in Ankara weilend auf eine Telefonanfrage unserer Zeitung. "Es es sind keine freien und offen Wahlen gewesen", resümiert er. Zwei sehr auffällige Vorkommnisse habe es laut Pflüger gegeben. Vor oder manchmal auch in den Wahllokalen habe Militär, Polizei oder sogar Paramilitärs patrouilliert, um "Bürger zu kontrollieren". Unvorstellbar ist so etwas in Deutschland. "Einige wollten sich nicht kontrollieren lassen und gingen dann auch nicht wählen."

Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, sagt Pflüger, der die Soldaten danach explizit gefragt, jedoch keine Antwort erhalten habe. In diesem Zusammenhang sei es auch immer wieder zu "erheblichen Einschüchterungen" von Bürgern durch Militär und Polizei gekommen, berichtet Pflüger. Zudem seien einige Wahllokalen von Dörfern in größere Städte verlegt worden. "Diese haben teilweise mehr als 35 Kilometer entfernt vom ursprüngliche Wahllokal gelegen." Wahlergebnisse seien bekannt gegeben worden, obwohl die Auszählung vielerorts noch mitten im Gange war. "In der Stadt Van lief die Auszählung noch, da liefen schon die Ergebnisse für diese Stadt über den Fernseher", sagt Pflüger.

Mehmet Tanriverdi von der Kurdischen Gemeinde Deutschland hat kein Verständnis für das Wahlverhalten der in Deutschland lebenden Türken. "64,8 Prozent der Wähler in Deutschland stimmten für Erdogan und das von ihm für sich selbst maßgeschneiderte Präsidialsystem. Sie lieferten damit die entscheidenden Prozentpunkte für seinen Sieg und verhinderten eine Stichwahl." Die türkische Gemeinde in Lahr wollte sich zu den Wahlen auf Nachfrage nicht äußern.