Günter Kern, stellvertretender Leiter des Polizeireviers, dankte Wolfgang Sieburg (rechts) für seine Arbeit. Foto: Haid Foto: Lahrer Zeitung

Wolfgang Sieburg verabschiedet / Beim Lahrer Polizeirevier Sachbearbeiter für häusliche Gewalt

Von Marion Haid

Lahr. Wolfgang Sieburg übernahm vor 13 Jahren die Sachbearbeitung des damals neuen Bereichs "Häusliche Gewalt" beim Lahrer Polizeirevier. Später kam die Bearbeitung von Stalkingfällen hinzu. Jetzt ist das "Urgestein mit sozialem Engagement" in den Ruhestand verabschiedet worden.

Auf Druck von Frauen im Bundestag und Frauenverbände wurden Anfang des Jahrhunderts landesweit bei der Polizei eigene Sachbearbeitungen für häusliche Gewalt eingeführt. In Lahr wurde Wolfgang Sieburg, der zuvor als Kontaktbereichsbeamter im Kanadaring gearbeitet hatte, mit der Aufgabe betraut.

Sieburg ist fast ein Zwei-Meter-Mann, der dem Gegenüber allein mit seinem Äußeren Respekt einflößt. Aber im Gespräch wird schnell ersichtlich: In ihm schlummern ein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit und ein großes Einfühlungsvermögen für die Opfer, aber auch für die Täter.

Häusliche Gewalt sei kein Vergehen bildungsferner Schichten oder ethnischer Gruppen, sie ist überall anzutreffen, in allen sozialen Milieus, Religionen und Nationalitäten, berichtet Sieburg.

Seine Arbeit auf dem Polizeirevier in Lahr begann mit einem Eingangsbericht seiner Kollegen, die zu häuslicher Gewalt gerufen worden waren. Wenn der Fall nicht an die Kriminalpolizei weitergeleitet werden musste, bearbeitete Sieburg die Strafanzeige für die Staatsanwaltschaft. Um sich ein Bild zu machen, sprach er dabei zuerst mit den Zeugen. Dann wandte er sich den Opfern zu, in den meisten Fällen Frauen, ganz selten auch Männer. Langsam erforschte er die Ursachen der Gewaltausübung. "Ein Beratungsgespräch ist das A und O. Viele wissen gar nicht, wie ein Strafverfahren verläuft", sagt Sieburg.

Die Opfer haben oft Schreckliches erlebt

Die oft traumatisierten Opfer hätten teils langandauernde Erfahrungen mit häuslicher Gewalt gemacht, Schreckliches erlebt und in Angst gelebt. Für Sieburg bedeutete das, sich das Vertrauen der Opfer erarbeiten zu müssen. Dabei endete seine Aufgabe nicht damit, ihnen nur Hilfsadressen auszuhändigen und sie dann alleine zu lassen. Ihm war es wichtig, die Opfer intensiv zu beraten und wenn nötig bis zu einem Prozess vor Gericht zu begleiten, mit ihnen gemeinsam den Kontakt zu Hilfestellen zu suchen und sie eventuell in ein Frauenhaus, das auch schon mal am Bodensee liegen kann, zu fahren. Im Blick hatte der Beamte auch immer die Kinder, die häusliche Gewalt teilweise als Normalität erlebten. Den "Lawineneffekt", dass die betroffenen Kinder später Gewalt in ihren eigenen Familie anwenden, galt es für ihn zu durchbrechen.

Aber auch dem Täter bot Sieburg Hilfe an, sofern diese gewollt wurde. "Jeder Täter hat eine Chance", so sein Credo – mit der Betonung auf "eine". Der Beamte sprach mit Arbeitgebern über Alkoholprobleme, zeigte mögliche Wege aus der Sucht und suchte auch schon einmal einen Job für den prügelnden Ehemann oder Freund. Dies alles floss in den Bericht an die Staatsanwaltschaft ein.

"Wolfgang Sieburgs Einsatz ging weit über den Dienst hinaus", lobte Günter Kern, stellvertretender Leiter des Polizeireviers, bei der Verabschiedung. Sieburg habe über die Polizeiarbeit hinaus gewirkt, betonte Joachim Ohnemus, stellvertretender Leiter des Bezirksdienstes.

Der bisherige Arbeitsbereich Sieburgs wird auf dem Lahrer Polizeirevier künftig von zwei Personen, einer Frau und einem Mann, betreut.

Im Jahr 2013 hatten die Beamten des Polizeireviers Lahr übrigens 56 Einsätze wegen häuslicher Gewalt zu absolvieren, wobei sie 35 Platzverweise gegen prügelnde Partner aussprachen. 2014 waren es 59 Einsätze und 30 Platzverweise.