Jürgen Durke vor dem Betriebsgelände der Firma Mosolf. Er schlägt vor, dort Parkplätze zu überdachen und auf den Dachflächen Solarmodule zu installieren. Foto: Schabel

Jürgen Durke sieht auf der Freimatte das Potenzial, umweltfreundlich Strom zu produzieren.

Lahr - Auch OB-Bewerber haben Wünsche. Zur Wahl hat unsere Redaktion alle Kandidaten gefragt, welchen Ort sie verändern würden, wenn sie OB werden würden. Sie zeigen uns ihren "Wunsch-Ort". Heute: Jürgen Durke und die Freimatte.

Es geht darum, dass die Bewerber am Beispiel eines konkreten Ortes ihren Gestaltungs- oder Veränderungswillen dokumentieren. Bei Jürgen Durke von der Tierschutzpartei ist dies die Freimatte, die, am Südrand von Lahr gelegen, zu Kippenheim gehört. Auf dem früheren Fiat-Gelände ist seit 1982 der Automobillogistiker Mosolf ansässig.

Durke hat sich mit dem Berichterstatter vor dem Betriebsgelände verabredet, um gemeinsam einen Spaziergang neben dem Riesen-Areal zu unternehmen. Dabei betont der 44-Jährige, dass es ihm nicht darum geht, Mosolf in ein schlechtes Licht zu rücken. Er wähle dieses Beispiel lediglich, um zu zeigen, welche Möglichkeiten es gibt, etwas für die Umwelt zu tun, wenn man es nur will.

94 Hektar groß ist die Freimatte. Das Problem daran ist aus Durkes Sicht, dass es sich um ein weitgehend versiegeltes Gebiet handelt. Denn als Fiat Anfang der 1970er-Jahre dort baute, waren Parkflächen mit Schwabengitte noch unbekannt, bei denen durch nach oben offene Waben Gras wachsen kann.

"Für Tiere und Pflanzen ist das eine lebensfeindliche Landschaft", sagt der 44-Jährige und zeigt auf die geschlossene Betondecke, auf der unzählige Autos stehen. An Tagen mit viel Sonnenschein würde sich diese Fläche stark aufheizen. Das gehe so weit, dass Wolken bei Hitzgewittern lokal verdrängt werden.

Durke ist studierter Industrie-Designer. Menschen mit diesem Beruf machen sich viele Gedanken über technische Produkte. Wie sie aussehen sollen, wem sie dienen sollen. Denn Industrie-Designer müssen verstehen, wie die jeweilige Technik funktioniert, ehe sie damit beginnen können, ein Produkt zu designen.

Durke hat ein Faible für Naturwissenschaften und kennt sich mit umweltfreundlicher Energiegewinnung gut aus. In seinen Augen bietet die Freimatte das Potenzial für große Kollektorflächen für eine Energie-Wärme-Gewinnung. Er spricht von einer "gewaltigen, schattenspendenden Solarenergiefläche als Gemeinschaftsprojekt von Mosolf und der Verwaltungsgemeinschaft Lahr/Kippenheim", der Durke in seiner Funktion als Mitglied des Gemeinderats angehört. Konkret schlägt er vor, die Parkflächen zu überdachen und auf den Dächern Solarstrom zu erzeugen.

Durke denkt an Langzeit-Warmwasserspeicher, die die Abwärme bis in den Winter hinein speichern, und an Power-to-Gas-Anlagen, um die Überproduktion an Strommengen aufzufangen. Dazu wird der überschüssige Ökostrom genutzt, um aus Wasser mittels Elektrolyse Sauerstoff und Wasserstoff zu gewinnen. Letzteres wird mit Kohlendioxid zur Reaktion gebracht, sodass Methan entsteht. Diese Flüssiggase könnten über Tanklaster verteilt werden. Mit ihnen könnten aber auch direkt vor Ort Busse für einen umweltfreundliche ÖPNV betankt werden, so Durke.

Der OB-Kandidat spricht bewusst von einer "Vision", die aber keine Utopie sei. Zum Beleg zählt er Beispiele für Power-to-Gas-Anlagen in Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart auf, die erfolgreich arbeiten würden. Wie so eine Anlage auf der Freimatte finanzierbar sei? Durke hält es für möglich, dass sie schrittweise gebaut werden könnte, unter Beteiligung des Zweckverbands und von Mosolf.

Beim Spaziergang auf dem Radweg neben der B 3 sieht Durke eine Plastikflasche im Gebüsch liegen, die wohl ein Autofahrer achtlos aus dem Seitenfenster geworfen hat. Er hebt sie auf und nimmt sie mit. Durke erzählt, wie er durch eine Reportage, die hinter die Kulissen der industriellen Tierhaltung blickte, wachgerüttelt worden ist. Er sei Veganer und lehne es ab, dass Tiere oder die Natur ausgebeutet werden.

Er wolle "in einer Welt leben, die klimaneutral funktioniert", sagt Durke. Für dieses Ziel wolle er sich stark machen, als Stadtrat und als OB, sollte er gewählt werden. Dagegen würde er sich keineswegs für den Bau eines Güterverkehrszentrums in Lahr einsetzen, wie er betont – damit seien die Versiegelung einer weiteren großen Fläche und außerdem mehr Straßenverkehr in der Region verbunden.

Beim Spaziergang treffen Durke und der Berichterstatter auf Stefan Ganz, den stellvertretenden Niederlassungsleiter von Mosolf. Es ist eine zufällige Begegnung, man ist nicht verabredet. Sofort entsteht ein gutes Gespräch, bei dem Durke von seinen Ideen erzählt und Ganz verdeutlicht, dass Mosolf bereits eine Menge für die Umwelt tut: Auf den Dächern der Produktions- und Verwaltungsgebäude seien Solarmodule montiert worden, mit denen umweltfreundlich Strom produziert werde. Ein Viertel des eigenen Strombedarfs erzeuge man selbst. Überschüssiger Strom werde ins öffentliche Netz eingespeist. Die Beleuchtung auf der vier Hektar großen Erweiterungsfläche, die 2017 fertiggestellt wurde, werde komplett mit Solarstrom betrieben, so Ganz. Gleichzeitig habe man auf einer Ausgleichsfläche, so groß wie zweieinhalb Fußballfelder, ein Biotop geschaffen.

Mosolf sei sich seiner Verantwortung für die Umwelt bewusst, so Ganz. Eine Auskunft, über die Durke sich freut. Die beiden vereinbaren, in Verbindung zu bleiben.

Das ist die Freimatte

 Freimatte: Einst eine freie Weide und Wiese, stehen auf der Freimatte seit Jahrzehnten Autos, soweit das Auge reicht. 1971 hatte Fiat dort den zentralen Umschlagplatz für seine Fahrzeuge gegründet, weshalb viele Lahrer heute noch vom Fiat-Gelände sprechen. 1982 übernahm Mosolf dort die Verantwortung, 1994 ging das Gelände komplett in den Besitz des Fahrzeugl-Logistikers über.

Die Serie zur OB-Wahl

 Die Serie: Im Wahlkampf lädt die Lahrer Zeitung alle Kandidaten ein, ihren "Wunsch-Ort" vorzustellen, den sie bei einem Wahlerfolg am 22. September oder 6. Oktober dann in ihrer Amtszeit verändern möchten. Das kann ein konkreter Ort, ein Platz, ein Gebäude oder ein Gelände sein. Die Kandidaten sind in ihrer Wahl ganz frei.