Der Name "Henkershiisli" mag bei so manchem Betrachter dieser Station des Wickertsheimer-Wegs ein leichtes Gruseln und Gedanken an die Scharfrichter hervorrufen. Tatsächlich wohnte in dem Haus aber nie ein Henker. Foto: Maier

Wickertsheimer-Weg: "Henkershiisli" trotzte beim "Großen Brand" 1677 den Flammen

Etwas mehr als drei Wochen, dann wird der Wickertsheimer-Weg eingeweiht. Der Schwarzwaldverein will damit an den Kunstmaler Wilhelm Wickertsheimer erinnern. In einer Serie stellen wir Stationen des Wegs vor – heute das "Henkershiisli".

Lahr. Im sogenannten Holländischen Krieg, in dessen Verlauf sowohl die kaiserlichen Truppen unter dem Kommando des Herzogs von Lothringen als auch der französische Gegner schreckliche Verwüstungen im Breisgau und in der Ortenau anrichteten, erlebte Lahr am 15. September 1677 den wohl schwärzesten Tag seiner Geschichte. Nachdem die Truppen des französischen Marschalls Créquy unter anderem Dinglingen und Hugsweier in Schutt und Asche gelegt hatten, zerstörten sie die Stadt.

Wie viele Häuser in Lahr damals dem verheerenden "Großen Brand" zum Opfer fielen, ist umstritten. Doch scheint das kleine, eigentlich unscheinbare "Henkershiisli" – in welchem Zustand auch immer – das Inferno überstanden zu haben.

Der Name "Henkershiisli" erweckt bei dem die Stadt erkundenden Spaziergänger gruselige Gefühle, denkt er doch an den Scharfrichter, der für die Folter, das Henken und die Enthauptung mit dem Henkersbeil zuständig war. Den gab es in der Tat auch in Lahr. Die Namen Heidenreich und Frank stehen beispielhaft für Lahrer Henkersfamilien.

Der Scharfrichter war, wie anderswo auch, außerdem mit Aufgaben betraut, die eher unangenehmen Charakter hatten. So hing er Gehenkte ab, schnitt Selbstmörder vom Baum, reinigte Kloaken, verpasste Körperstrafen und war Wasenmeister, das heißt, er kümmerte sich um die Tierkörperbeseitigung.

Zu der Enthauptung mit dem Schwert benötigte er eine gehörige Portion Geschicklichkeit, denn der Kopf sollte nach Möglichkeit mit einem Schlag vom Rumpf getrennt werden. Bei diesen als unehrenhaft geltenden, halb verrufenen Arbeiten war die gesellschaftliche Stellung des Henkers und seiner Familienmitglieder von sehr niederem Rang. Zwei Hinrichtungen seien genannt: Am 7. September 1655 wurden in Lahr auf dem Richtplatz beim "Stumpenlindle" der Leinenweber Georg Wälde und die Hugsweiererin Regina Zierlin mit dem Schwert hingerichtet und dann verbrannt.

Sollte nun den vor dem "Henkershiisli" stehenden Betrachter leichtes Grausen gepackt haben – zu Recht besteht dieses nicht, denn in dem Haus wohnte nie ein Henker. Vielmehr erwarb es ein Nachfahre der Henkersfamilie Frank, der Wein- und Branntweinhändler Karl Friedrich Frank, im Jahr 1855. Auf ihn geht die Essigfabrik Frank (später Hengstenberg) zurück.

Das "Henkershiisli" wurde nicht als Wohnstätte des Lahrer Scharfrichters erbaut, sondern als Trotten- oder Fasshaus der renommierten Lahrer Familie Vinther, die im 18. Jahrhundert ausstarb. Die Vinthers waren die Erben der Rechte und der in der Stadt verstreuten Besitztümer der Bannherren von Burgheim (der Schenken von Burgheim, später der Stollen von Staufenberg).

Vermutlich irrt Winfried Knausenberger, der angenommen hat, dass das Fasshaus 1564 vom Nassauischen Rat und Landschreiber Johann Vinther und dessen Ehefrau Agnes Jörger erstellt wurde. Denn das Allianzwappen über dem Eingang zum Kellergewölbe besteht links aus dem Wappen der Familie Vinther, das einen bärtigen Meergreis zeigt, und rechts aus dem Wappen des Straßburger Patriziergeschlechts der Müllenheims. Dieses Doppelwappen existiert noch an anderer Stelle in der Stadt: Es ziert nämlich das Grabmal der im Jahr 1600 gestorbenen Katharina Vinther, geborene Müllenheim, und befindet sich, wie auch das Grabmal des 1573 gestorbenen Andreas Vinther, im Denkmalhof an der Stiftskirche. Somit sind Katharina Vinther, geborene Müllenheim, und ihr Ehemann Johann Vinther die Erbauer und ersten Nutzer des Fasshauses.

Wie kam es zu den heutigen Besitzverhältnissen? 1873 erwarb der Rentier und Witwer Friedrich Schulz das kleine Haus. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Teil des Anwesens Gerichtsstraße 1 und gehörte Robert Steiger. Dessen Nachfahren verkauften das Hinterhaus, das "Henkershiisli", an den TV Lahr.

Das restaurierte Vinther-Wappen am "Henkershiisli" hat leider den Mangel, dass der Kopf des Meergreises verloren gegangen ist. Das kleine Haus in der Gerichtsstraße, in dem sich heute die Geschäftsstelle des TV befindet, ist gleichwohl ein besonders reizvolles Stück Alt-Lahr und erinnert an einst bedeutende und einflussreiche Lahrer und Straßburger Familien.