Bei der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz ließen sich die Besucher vom Regen nicht stören. Foto: Baublies

Kundgebung erhält überraschend großen Zuspruch. Epilepsie-Patient schildert Erfahrungen.

Lahr - Die Demonstration "Keine Pflanze ist illegal" war bunt und nicht gerade leise. Mit gut 100 Teilnehmern war sie auch deutlich besser besucht, als von den Organisatoren angenommen.

Beim Beginn gegen 14 Uhr auf dem Rathausplatz zeichnete sich schnell ab, dass die Themen Hanf und Cannabis doch so viele Menschen interessieren, dass der Demonstrationszug auf den Marktplatz viel Aufmerksamkeit erhalten würde. So bunt, wie die Teilnehmer waren, waren auch die Beiträge, die sich für eine Legalisierung und kontrollierte Abgabe von Cannabis aussprachen. Unter den Rednern waren die Lahrer Stadträte Regina Sittler (FDP) und Jürgen Durke (Tierschutzpartei) sowie Enrico Schandl von der Grünen Jugend Ortenau. Außerdem Tobias Pietsch, der für seine Geschäftsidee "Hanfnah" im Vorjahr den Gründerpreis der Stadt Lahr erhalten hat, Chris Mehnert, Mitglied von "Die Partei", und ein Epilepsie-Patient.

Regina Sittler und Jürgen Durke werben für Legalisierung

Letzterer sprach auf der Abschlusskundgebung über die durchweg guten Erfahrungen, die er mit der Arznei Cannabis gemacht hat. Anstelle von Antiepileptika mit massiven Nebenwirkungen würde ihm Cannabis gegen die Anfälle und vor allem Schmerzen helfen, die er als Folge seiner Krankheit habe. Daher sei ein Überdenken der Drogenpolitik hier sehr empfehlenswert. Der Patient verwies auf andere Staaten wie die Schweiz oder die USA, wo Cannabis als Arznei längst anerkannt sei. Für seinen Satz "seit fünf Jahren bin ich anfallfrei" erhielt er viel Beifall.

Sittler sprach beim Auftakt der Kundgebung gemeinsam mit ihrem Ratskollegen Durke. Die ausgebildete Medizinerin sprach sich klar für eine Liberalisierung von Cannabis aus. Einig waren sich alle Redner in ihren Beiträgen, dass mit einer liberalen Politik gegenüber dem Rauschmittel und einer – sehr wichtig – kontrollierten Abgabe die unnötige Kriminalisierung der Konsumenten zu Ende gehen würde. Bei einer Legalisierung würde der Staat außerdem die Kontrolle über die Abgabe der Droge Cannabis haben. So aber würde es derzeit etwa vier Millionen Konsumenten geben, die außerhalb jeder Kontrolle stehen.

Tobias Pietsch zieht Vergleich mit der Droge Alkohol

"Ihr seid der Wahnsinn." Tobias Pietsch freute sich sichtlich über den großen Zuspruch beim Auftakt der Demonstration. Er prangerte "engstirniges Denken" von Politikern an und stellte die Frage, weshalb es "andere Drogen" – vor allem starke Alkoholika – an jedem Kiosk zu kaufen gebe, mit Cannabis aber so streng verfahren werde. Pietsch, der in seinem Geschäft am Kreisel Goethestraße Produkte der Nutzpflanze Hanf vertreibt, erinnerte an den ökologischen Nutzen der Pflanze zur Herstellung von Stoffen oder als nachhaltigen Ersatz für viele Kunststoffe. Hanf sei über Jahrtausende in der gesamten alten Welt eine wichtige Nutzpflanze gewesen. Erst die moderne Chemie- und Pharmaindustrie sei in Konkurrenz zu dem Rohstoff Hanffasern und dem medizinischen Nutzen des Wirkstoffes THC getreten.

Beim Marsch vom Rathausplatz über die Bismarckstraße und den Urteilslatz durch die obere Marktstraße auf den Marktplatz bekamen die Demonstranten viel Aufmerksamkeit der Passanten. Das Banner "Schaffe, schaffe, Jointle baue!" war allein durch sei Größe ein Blickfang.

Medizinische Einsatzgebiete von Hanf

Hanf (wissenschaftlicher Name Cannabis) ist ein nachwachsender Rohstoff. Aus den Stängeln lassen sich Seile und Stoff gewinnen. Aus den Samen kann Öl hergestellt werden. Haschisch und Marihuana werden aus getrockneten Blättern und Blüten gewonnen. Die pharmakologischen Wirkungen von Cannabis sind erst in jüngster Zeit in den Fokus der medizinischen Forschung gerückt. Laut Fachleuten ist eine Therapie mit medizinischem Cannabis bei diesen Krankheiten und An- wendungsbereiche denkbar: Angststörungen, Schlafstörungen, chronische Schmerzen, Spastizität bei Multipler Sklerose und Paraplegie, Epilepsie, Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapie sowie zur Appetitsteigerung bei HIV/AIDS.