Eines der ersten Feuer nach Wiederaufflammen der Serie: Am Waldrand von Kippenheim brannte am 24. September ein Golf ab. Foto: Feuerwehr Kippenheim Foto: Lahrer Zeitung

Autobrandserie: Polizeipräsident spricht über Strategien, Druck und seine Rolle

Südliche Ortenau. 39 Fälle rechnen die Ermittler der Reihe von Autobränden zu, die seit September vergangenen Jahres Polizei und Bevölkerung in Atem halten. Im Interview mit unserer Zeitung erklärt Polizeipräsident Reinhard Renter, was die Serie einmalig macht und warum sie so schwer zu stoppen ist. Außerdem verrät er: Es gab schon mehrere Verdächtige.

Herr Renter, wie sehr nagt es an Ihnen, dass solch ein öffentlichkeitswirksamer Fall so lange ungeklärt ist?

Es nagt nicht an mir. Bei uns herrscht auch keine schlechte Stimmung. Aber ist natürlich eine Herausforderung für uns. Klar ist, dass wir bei solchen Fällen, die einen langen Atem erfordern, topmotivierte Kollegen brauchen.

Und das sind die Kollegen noch?

Definitiv. Der Drang, den Täter zu fassen, ist ungebrochen hoch. Die drei Kollegen der Ermittlungsgruppe kümmern sich nur um diesen Fall. Dazu setzen wir natürlich Beamte aus dem Streifendienst ein. Und wir werden unterstützt vom Polizeipräsidium Einsatz.

Wie viele Polizisten sind insgesamt dabei?

Das will ich nicht sagen. Weil wir auch mit Kräften in Zivil und im operativen Bereich unterwegs sind, da kann ich nicht alle Karten offen auf den Tisch legen. Was ich sagen kann, ist, dass wir sehr zufrieden sind mit der Zahl der uns zur Verfügung stehenden Kräfte.

Gibt es Druck von oben?

Nein.

Einen Austausch?

Ja. Wir sind in personeller Hinsicht mit dem Innenministerium in Kontakt und mit dem Landeskriminalamt, das uns im technischen Bereich und in der Beurteilung des Falles unterstützt. Alle sind sich der Situation bewusst, in der wir uns befinden. Dementsprechend wird gehandelt.

Kommt die Verunsicherung, die in der Bevölkerung herrscht, bei Ihnen an?

Ja. Viele Kollegen wohnen im Süden der Ortenau. Die werden von Verwandten und Freunden darauf angesprochen. Wir wissen, dass die Leute besorgt sind.

Wie tief sind Sie in dem Fall drin?

Ich bin in die strategischen Überlegungen involviert, nicht ins Tagesgeschäft. Da darf ich sagen, dass ich mich ganz stark auf die Fachkompetenz meiner Mitarbeiter verlasse. Aber ich bin für das Lagezentrum 24 Stunden erreichbar, das weiß immer, wo ich bin und ich erfahre sofort, wenn es einen Brand gibt.

Ist Ihnen ein ähnlicher Fall bekannt?

Wir haben uns in Baden-Württemberg umgeschaut. Die Brandserie, die wir gerade in der südlichen Ortenau erleben, ist sowohl von der Fläche, der Zeitspanne und der Zahl der Fälle einmalig.

Das heißt, dieser Fall kommt – wenn er denn mal gelöst ist – ins Polizeilehrbuch?

Wenn wir Täter und Motiv kennen, ist das durchaus denkbar.

Was macht es denn so schwer, den Täter zu fassen?

Mehrere Dinge. Zunächst natürlich der riesige Aktionsradius: 30, 40 Quadratkilometer kann man nicht pausenlos überwachen. Hinzu kommt, dass wir keine Täter-Opfer-Beziehung haben, der Brandstifter offensichtlich willkürlich Autos anzündet. Und dann noch die Art und Weise, wie der Täter vorgeht. Er legt den Brand und hat Zeit zu verschwinden, weil es eine gewisse Zeit dauert, bis das Feuer bemerkt wird.

Dazu kommt die Gefahr der Trittbrettfahrer. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle 39 Fälle auf das Konto eines Täters gehen?

Da kann ich Ihnen keinen Prozentsatz nennen. Aber wir haben Ermittlungserfolge: Wir wissen, dass der Busbrand in Seelbach nicht zur Serie gehört und halten es für denkbar, dass der Autobrand beim Mahlberger Rathaus eine Beziehungstat war. Wenn wir den Täter einmal haben, könnte sich möglicherweise zeigen, dass noch weitere Feuer nicht von ihm gelegt wurden und wir in diesen Fällen noch einmal neu ansetzen müssen. Aber klar: Leichter machen es uns Trittbrettfahrer nicht.

Hatten Sie schon Tatverdächtige im Auge?

Ja, sowohl über Hinweise aus der Bevölkerung als auch über unsere Ermittlungen. Aber es blieb bisher immer beim Verdacht.

Es gibt Stimmen, die behaupten, die Polizei läuft in dem Fall nur hinterher und wirkt bisweilen ratlos. Ist das so?

Nein, weder noch. Wir agieren, mit einem sehr, sehr großen personellen und technischem Aufwand. Wir lassen nicht locker und lassen uns auch nicht von der Zeitdauer einschüchtern, sondern ermitteln mit einem kühlen Kopf.

Gibt es noch einen Plan B zum Streife fahren und auf einen Fehler des Täters hoffen?

Es gibt Plan B, C, D, E und so weiter. Ermittlungsarbeit ist immer ein fortlaufender Prozess mit immer aktualisierten Konzepten, neuen Ansätzen und Ideen. Wenn wir merken, dass wir auf einem Weg nicht weiter kommen, gehen wir einen anderen. Glauben Sie mir: Wir reagieren auf jeden neuen Fall, auch wenn wir nicht immer alles nach außen kommunizieren können.

Die Bevölkerung dürfte in jedem Ihrer Konzepte eine wichtige Rolle spielen, oder?

Absolut. Wir bauen auf die Wachsamkeit der Menschen und sind dankbar für jede noch so unwichtig erscheinende Beobachtung. Lieber einmal zu viel anrufen als zu wenig und vor allem: so schnell wie möglich. Der Zeitfaktor spielt in dem Fall eine ganz große Rolle.

Fragen von Felix Bender                 und Jörg Braun

Reinhard Renter hat am 1. September 2017 die Leitung des Polizeipräsidiums Offenburg übernommen. Er war bis dahin Vizepräsident. Renter ist Jahrgang 1957 und trat 1975 in den Polizeidienst ein. Ab 2005 war er Leiter der Polizeidirektion Offenburg, 2014 wechselte er als Projektleiter ins Innenministerium.