Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie war es manchmal nicht möglich, kranke und sterbende Menschen auf dem letzten Weg zu begleiten. Foto: Archiv

Pandemie: Claudia Hillig und Dorothee Moldenhauer sprechen über Trauerbegleitung

Lahr - Die Pandemie hat soziale Kontakte stark eingeschränkt. Besonders getroffen hat das Sterbende sowie ihre Angehörigen und Freunde. Denn ein "normales" Abschiednehmen war unter Lockdown- und Quarantänebedingungen oft nicht möglich.

Besuchsverbote in Kliniken und Pflegeeinrichtungen; Kommunikation mit Maske oder durch die Glasscheibe oder beides; Umarmungs- und Berührungsverbot – die Pandemie und ihre Bekämpfung hat zwischen Menschen Distanz geschaffen. Am härtesten bekamen das hochbetagte, schwerstkranke und sterbende Menschen sowie ihre Lieben zu spüren. Denn genau jene Dinge, die wichtig sind, wenn ein Mensch stirbt – vertraute Kommunikation, Momente der Nähe, ein bewusster Abschied – waren zu Pandemiezeiten schwer verfügbar geworden, insbesondere, wenn Pflegeheim oder Krankenhaus der Schauplatz sind.

Sterbebegleitung über das Telefon

"Ich kann mich noch erinnern, als vom ersten Pflegeheim die Nachricht kam, dass sie jetzt Besuchsverbot haben und die Ehrenamtlichen nicht mehr kommen sollen. Bald folgten auch alle anderen", erzählt Claudia Hillig. Sie ist eine der drei hauptamtlichen Koordinatorinnen im Hospizverein Lahr. Der Verein begleitet Sterbende und deren Angehörige zu Hause, im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen. Dabei stützt er sich maßgeblich auf den Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Mit Beginn der Pandemie machten Pflegeheime und Krankenhäuser für Besucher, inklusive Hospizteam, erst einmal "dicht". Erst später, als man schon mehr wusste und Hygieneregime eingerichtet waren, wurden Sterbebegleitungen vereinzelt wieder möglich. "Was wir schon gemacht haben, sind Telefonkontakte", berichtet Claudia Hillig. Wobei da ein "großes Bedürfnis nach persönlichem Kontakt, nach Berührung, nach Nähe" deutlich wurde.

Und dort, wo persönliche Begegnungen stattfinden konnten, seien diese beträchtlich erschwert gewesen: "Ältere Menschen leiden häufig an Schwerhörigkeit, so dass man sich auch mit Mimik verständigen muss, was natürlich mit der Maske kaum geht." Auch seien schwer kranke Menschen manchmal nur noch über Berührung zu erreichen, da brauche es auch mal eine Hand, die man halten kann. Da wird es schwierig mit dem Telefonieren.

Sterbende Patientin verabschiedet sich übers Tablet von ihrer Tochter

Hin und wieder seien auch Kreativität und Improvisation nötig gewesen. So brachte ihre Kollegin einmal ein Tablet mit ins Krankenhaus, damit eine sterbende Frau noch einmal mit ihrer Tochter im Ausland kommunizieren konnte. "Es ging darum, das zu ermöglichen, das letzte Mal. Denn die Tochter durfte wegen Corona nicht ausreisen. Aber es bleibt unbefriedigend, weil es der Abschiedssituation nicht genügt", so Hillig.

Wie es generell um das öffentliche, gemeinsame Trauern und Abschied nehmen bestellt sei, ließe sich, so die Palliative Care Fachkraft, zurzeit an jeder Traueranzeige ablesen: "nur im engsten Familienkreis", steht da fast immer. So, als bestünde das Umfeld eines Menschen nicht auch aus Freunden und anderen Wegbegleitern.

Die pandemiebedingte Distanz ist aber nicht bloß eine staatlich und institutionell verordnete, sondern etwas, das sich fürsorgliche Menschen seit über einem Jahr selbst verordnen. "Wir konnten nicht einfach anbieten, dass wir kommen als Hospizverein, weil wir ja auch die Ehrenamtlichen schützen müssen. Da muss erst mal viel berücksichtigt werden", gibt Claudia Hillig zu bedenken.

Besuche unter Brücksichtigung aller Schutzmaßnahmen

Diese Erfahrung hat auch Dorothee Moldenhauer gemacht. Sie ist Klinikseelsorgerin und normalerweise auf sämtlichen Stationen des Lahrer Krankenhauses unterwegs: "Das war schon etwas, das mich das ganze Jahr über begleitet hat, diese Sorge, dass ich das Virus als potenzielle Trägerin irgendwo hin schleife, diese Verantwortung zu spüren, mich selber zurückzunehmen und zu sagen: Ich gehe jetzt nur noch zu Patienten, wenn ganz konkrete Anfragen kommen und suche mir eine Schwerpunktstation aus, auf der ich regelmäßig bin."

Ob denn Sterbende im Lahrer Krankenhaus Besuch empfangen dürften, wo doch lange Besuchsverbot herrschte? "Ja", bestätigt Dorothee Moldenhauer, da habe man seit Beginn der Pandemie schon dazugelernt und messe dem jetzt eine größere Bedeutung zu. In Absprache mit den behandelnden Ärzten dürfen einzelne Familienangehörige kommen, natürlich mit allen Schutzmaßnahmen, gerade auf der Covid-Station.

Im Übrigen habe sie festgestellt, dass sowohl Patienten als auch Angehörige die Notwendigkeit der Einschränkungen anerkennen würden, dass die Menschen auch über eine gute psychische Widerstandskraft verfügten. Aber sie sagt auch: "Ich vermute, dass, wenn die Pandemie vorbei ist und die Menschen in die Entspannung kommen, vielleicht so manches an innerer Trauer zu Tage kommt, in welcher Form auch immer."

"…und niemand ist vergessen"

Einen kleinen Beitrag zur Bewältigung der Trauer will der Hospizverein Lahr leisten. "Wir haben schon letztes Jahr beschlossen, etwas für die Angehörigen zu machen, die unter diesen Umständen Familienmitglieder verloren haben. Denn es ist auch unsere Aufgabe, für sie da zu sein." Man wisse heute, dass ein bewusstes Abschied nehmen von geliebten Menschen, etwa in Form von Ritualen, für die Trauerbewältigung sehr wichtig sind. Unter dem Titel "…und niemand ist vergessen" wird es daher am Donnerstag, 24. Juni, in der Stiftskirche eine Gedenkveranstaltung des Hospizvereins geben, mit Musik, Lesungen, aber auch stillem Gedenken.

"Kürzlich hat mir jemand erzählt", so Claudia Hillig, "was sie an der Gedenkveranstaltung von Bundespräsident Steinmeier gestört hat, nämlich dass man nur derer gedacht hat, die an Corona verstorben sind. Wir wollen, dass unsere Veranstaltung allen Menschen gilt, die während dieser Zeit verstorben sind, denn unter den Einschränkungen hatten alle zu leiden. Eingeladen sind alle, die sich in dieser Zeit nicht so verabschieden konnten, wie sie es wollten, wie es gut gewesen wäre."

Auch Dorothee Moldenhauer hält so ein Gedenken für wirklich sinnvoll: "Es wurde ja viel in Einsamkeit oder im Alleinsein erlebt, deshalb ist es gut, miteinander zu gedenken und so auch ein Empfinden dafür zu bekommen: Ich bin nicht allein mit dieser Trauer."

Gedenkfeier

Unter dem Titel "…und niemand ist vergessen" lädt der Lahrer Hospizverein zu einer Gedenkfeier für verstorbene Angehörige ein – am Donnerstag, 24. Juni, von 18 bis 19.30 Uhr in der Stiftskirche in Lahr.