Die Marktstraße in Zeiten weitgehend geschlossener Läden. Eine belebte Einkaufsmeile sieht anders aus. Foto: Köhler

Wirtschaft: Chef des Deutschen Einzelhandels äußert seine Sorgen / Videokonferenz mit SPD-Mann Fechner

Lahr/Emmendingen - Der stationäre Handel leidet besonders unter der Coronakrise. Über die Probleme der Branche hat Stefan Genth, Präsident des Deutschen Einzelhandelsverbands, bei einer Videokonferenz mit Johannes Fechner gesprochen.

In dem Online-Gespräch hagelte es Kritik an den Corona-Hilfen der Bundesregierung: Sie seien nicht ausreichend, ungerecht und kämen vor allem zu langsam an. Das bezeichnete Fechner als "Riesenärgernis". Es "kotze" ihn an, dass die Auszahlungen so lange brauchen. Auf Druck der Abgeordneten seien aber Verbesserungen umgesetzt worden. So sei die monatliche Höchstsumme pro Unternehmen auf 1,5 Millionen verdreifacht worden.

Vielen Einzelhändlern drohe angesichts des andauernden Lockdowns ohne staatliche Hilfen das Aus, warnte Genth. Der studierte Diplom-Verwaltungswirt ist seit 2007 Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, der Spitzenorganisation des deutschen Einzelhandels mit rund 400.000 Mitgliedern.

Einzelhandel braucht dringend Unterstützung

Die Ladenschließungen abseits des Lebensmittelhandels würden zahlreiche Unternehmen ohne Staatshilfen nicht überstehen, warnte er. Dagegen habe der Online-Handel erheblich zugelegt, mit Zuwachsraten von bis zu 30 Prozent. Auch der Lebensmittelhandel würde vom Lockdown profitieren, da die Restaurants geschlossen seien. "Der Einzelhandel wurde aber seit letztem Jahr so hart getroffen, dass er dringend Unterstützung braucht. Besonders hart war es für die Händler, an Weihnachten schließen zu müssen."

Genth sprach die Überbrückungshilfe 3 an, für die Anträge innerhalb der ersten Februarwoche gestellt werden könnten. Diese gelte vor allem bei stark saisonabhängigen Waren, wie im Modehandel. Das Wirtschaftsministerium würde außerdem den KfW-Schnellkredit zur Zwischenfinanzierung empfehlen. Er sei sofort nutzbar und schnell zurückzahlbar, wenn ein Unternehmen dann schließlich im März die Überbrückungshilfe bekommen würde, was "für viele aber viel zu spät" sei.

Genth betonte, dass es nicht nur um Überbrückungshilfen gehe, sondern auch um die Zeit danach. Man müsse den Verbrauchern zeigen, dass sich der stationäre Handel in Innenstädten lohne, da sie sonst veröden würden. "Wir brauchen eine Öffnungsstrategie", sagte er deshalb. Man könne nicht von einem Lockdown in den nächsten gehen. So lange zu warten, bis die 7-Tage-Inzidenz – Fälle pro 100. 000 Einwohner – auf unter 50 sinkt, zog er in Zweifel. Denn auch wirtschaftliche Interessen müssten berücksichtigt werden.

Waren sind saisonabhängig

Aus Sicht des Einzelhandelsverbands gebe es auch gar keine Notwendigkeit für einen harten Lockdown in den Geschäften. Die Kontakte in den geöffneten Lebensmittelgeschäften und Drogerien, aus denen kaum Infektionen resultieren würden, seien Beweis genug, dass die Hygienekonzepte funktionieren. Deshalb sollte auch der restliche stationäre Handel wieder öffnen dürfen, forderte der Präsident des Deutschen Einzelhandelsverbands.

Guido Barth sprach für Friseure. Die Überbrückungshilfe würde nicht alle Kosten decken, denn als Dienstleister habe er schließlich keine Ware zum Abschreiben. Barth betreibt einen Friseursalon in Emmendingen.

Annette Jundt führt in Emmendingen ein Modehaus. Ihre Waren seien saisonabhängig, sie müsse jetzt für das nächste Jahr bestellen. Die Regelung, den Handel abhängig vom Inzidenzwert zu öffnen (oder zu schließen) nehme ihr die Planungssicherheit. Die wirtschaftlichen Verluste im Textilhandel seien hoch, deshalb müsse dringend etwas passieren.

Insgesamt zeigte die Videokonferenz, dass die Händler einen perspektivlosen Zustand mit einem endlosen Lockdown fürchten, den Teile des innerstädtischen Einzelhandels ihrer Meinung nach nicht überleben werden.

Die Überbrückungshilfe sei bis zum Juni geplant, doch Fechner sagte, es könne keine Perspektive sein, dass bis dahin alles geschlossen bleibe, insbesondere, da man gute Hygienekonzepte habe. Statt alles von einer Inzidenz von unter 50 abhängig zu machen – bis zu diesem Wert sollen Infektionsketten nachverfolgbar sein – sollten die Gesundheitsämter besser ausgerüstet werden.

"Ich bin optimistisch, dass wir ab März/ April mit Lockerungen rechnen können, unter dem Vorbehalt, dass die Impfstoffe wie geplant kommen und die Mutationen verhalten bleiben. Die Impfungen sind ein großes Licht im Dunkel", so Fechner.

Hilfe für Lahrer Einzelhändler

Die Probleme, die zwei Geschäftsleute aus Emmendingen in der Videokonferenz mit Stefan Genth geschildert haben, gelten deckungsgleich auch für Lahr. Deshalb hilft die Lahrer Werbegemeinschaft ihren Mitgliedsbetrieben während des Lockdowns durch einen kostenlosen Lieferdienst.

Außerdem verzichtet die Werbegmeinschaft auf die Mitgliedsbeiträge im Februar. Bereits die Januarbeiträge waren nicht eingezogen worden, um die Mitgliedsbetriebe zu unterstützen.