Azubi-Stellenbörsen wie hier bei der "Beruf & Co." in der Sulzberghalle sind wegen Corona außer Mode. Jetzt soll es die Ausbildungsplätze per digitaler Plattform geben, auf dem Handy. Foto: Archiv

Keine Messen und Praktika-Aktionen wegen Corona. Hilfestellung bei der Berufsorientierung.

Lahr - Mit einer neuen Digital-Plattform will die Stadt Lahr Jugendlichen Hilfestellung bei der Berufsorientierung bieten. Dies soll mittelfristig ein Ersatz für Berufsmessen und Praktikumsangebote sein, die wegen Corona nicht stattfinden können.

Vor der Pandemie gab es in der Stadt mehrere attraktive Angebote für Schulabgänger, sich über verschiedene Berufe kompakt und schnell zu informieren. "Beruf & Co." hieß eine Ausstellung, die über Jahre hinweg in der Sulzberghalle in Sulz angeboten wurde. Firmen präsentierten sich und ihre Ausbildungsplätze. Schulklassenweise kamen die Jugendlichen dorthin und sammelten Kontakte und Auskünfte.

Nur zwei von sieben Azubi-Plätzen sind belegt

Auch die mittelständische Industrie in Lahr, zusammengeschlossen in der Almi, hatte in Sachen Azubi-Werbung massiv aufgerüstet und eine "Job-Expedition" erfunden und über einige Jahre ausgerichtet. Dies, weil schon vor der Pandemie die Azubi-Zahlen bedenklich sanken und geeigneter Firmennachwuchs überall fehlte. Die "Job-Expedition" bot als Ferien-Praktikum über Ostern die Gelegenheit, in wenigen Tagen gleich in mehrere und völlig unterschiedliche Industriebetriebe hineinzuschnuppern. Das lief mit gutem Erfolg.

Doch die Pandemie bremste diese und andere Berufsorientierungen komplett aus. Die Angebote fielen ersatzlos aus und die Betriebe spüren die Folgen nun hautnah. "Wir haben von sieben Azubi-Plätzen bei uns in der Firma derzeit nur zwei belegt", schilderte Markus Kaufmann vom gleichnamigen Lahrer Druckhaus im Sozialausschuss des Gemeinderates am Dienstagabend in der Mehrzweckhalle. "Wir wissen nicht, wo die Schüler jetzt alle geblieben sind, sie sind einfach verschwunden", meinte er. So wie in seiner Firma sehe es bei den meisten anderen Lahrer Industriebetrieben aus: Auszubildende? Fehlanzeige oder zumindest Mangelware.

Dies soll nun durch eine neue digitale Plattform gemildert werden, um die sich die Lahrer Stadtverwaltung kümmern will. Madeleine Bohnert aus dem Rathaus stellte das digitale Projekt vor. Die Plattform solle Praktika und Lehrstellen anzeigen, die es in Lahr gebe. Auch Praktikastellen für Gymnasiasten und Realschüler würden gelistet. Dazu gebe es Informationen über die Firmen, was sie suchen, wen sie brauchen, wie die Anforderungen für Ausbildungen dort seien. Vorteil der Plattform: Die Auskünfte seien nicht nur kurzzeitig, wie bei einer Berufemesse live abrufbar, sondern jederzeit. Gleichwohl seien Messen langfristig natürlich sinnvoll, sagte sie. Das neue Angebot solle über das Netzwerk von "Beruf & Co.", die Almi-Mittelständler mit ihrer "Job-Expedition" und der Agentur für Arbeit präpariert werden. Wobei die Arbeitsagentur keine finanzielle Unterstützung geben werde, weil es sich bei der Plattform "nur" um eine Vernetzung handle und nicht um konkrete Vermittlungen.

Für Schüler, die sich auf der Digital-Börse tummeln, sollten "die Hürden so niedrig wie möglich sein", erklärte Bohnert. Möglichst leicht abrufbar, am besten auf dem Handy. So erreiche mal die Jugend am besten.

Verschiedene Anbieter würden Lösungen parat halten. 15 000 Euro laufende jährliche Kosten seien zu erwarten, plus die Anschubfinanzierung, erklärte Bohnert. Über den Sommer soll das Angebot festgezurrt werden. Im Herbst, bald nach Start des neuen Schuljahrs, sollten dann die Schulen für das Projekt begeistert werden.

Früh raus am Morgen wollen nicht mehr viele

Im Ausschuss gab es breite Unterstützung für diese Ideen. Allerdings klang an, dass auch die Eltern der Schüler gefordert seien, sich um die Berufswahl ihrer Schützlinge zu kümmern, dies nicht nur ein Projekt von Wirtschaft und Stadt sei. Allerdings hätten sich die Zeiten geändert und das Anspruchsdenken der Jugend "Morgens früh raus, im Winter in der Kälte, im Sommer draußen in der Hitze, dreckige Hände: "Das wollen viele jungen Leute heute nicht mehr", meinte Rudolf Dörfler (CDU), selbst Handwerksmeister.

Der Azubi-Mangel erreiche Lahr mit rund zehn Jahren Verspätung, sagt Unternehmer Markus Kaufmann. In den vergangenen Jahren habe Lahr ganz klar vom Zuzug der Spätaussiedler in früheren Jahren profitiert. Kinder aus diesen Familien seien vielfach zur Ausbildung in heimischen Unternehmen bereit gewesen und hätten ausgeglichen, was andernorts im Land längst ein Riesenproblem sei: der Mangel an Fachkräften für die Zukunft der Betriebe. Kaufmann: "Da hatten wir lange Glück, das ist jetzt vorbei".