Die Ruhe selbst: ein Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdiensts war einer der Ersten, der sich an die Bombe wagte. Für ihn Routine. Foto: Goltz/Braun

3000 Menschen mussten ihre Häuser beim Bahnhof verlassen / Entwarnung nach 22 Uhr

Eine 500 Kilogramm schwere Fliegerbombe ist am Donnerstag am Lahrer Bahnhof entdeckt worden. 3000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, damit der Sprengkörper entschärft werden konnte. Die Bombe wurde kurz nach 22 Uhr entschärft.

Lahr. Ausnahmezustand im Lahrer Westen: Bei Bauarbeiten wurde gegen 5.30 Uhr nördlich des Bahnhofs eine 500 Kilogramm schwere Bombe entdeckt. Sie befand sich direkt neben den Gleisen. In ungefähr einem Meter Tiefe steckte der Blindgänger im Boden. Die benachbarten Hochhäuser sind nur wenige Schritte entfernt.

Experten des Kampfmittelbeseitigungsdiensts rückten an, begutachteten gegen 10 Uhr die Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie legten das Geschoss teilweise frei, doch dann ist erstmal Schluss: Wegen der Größe der Bombe musste für die vollständige Bergung ein Bagger anrücken.

Gegen Mittag hieß es erst einmal Aufatmen, die Experten finden den Zünder der Bombe. "Es handelt sich um einen mechanischen Zünder, bei einem chemischen würde hier deutlich mehr Anspannung herrschen", sagte Joachim Leippert vom Kampfmittelbeseitigungsdienst. Dennoch sei absolute Vorsicht angesagt, betonte der Experte. Transportfähig sei die Bombe nicht.

Jetzt ging es um die Frage, welche Gebäude evakuiert werden. Je nach Größe der Bombe werde ein Evakuierungs-Radius festgelegt, so Leippert. "In diesem Fall handelt es sich um 500 Meter. Alle Gebäude, die sich innerhalb dieses Kreises befinden, müssen in den kommenden Stunden geräumt werden", erklärte der Kampfmittelbeseitiger um 13 Uhr. Die Evakuierung, die rund 3000 Anwohner betrifft, erstreckte sich auf den Bereich zwischen der Straße "Beim weißen Stein", dem Bahnhofsplatz, der Tullastraße, der Hansjakobstraße und dem Kanadaring. Ab 18 Uhr mussten die Menschen innerhalb der Evakuierungszone ihre Wohnungen und Arbeitsstellen verlassen.

"Ab 21 Uhr soll die Bombe vor Ort entschärft werden. Dafür müssen wir in Kooperation mit der Landespolizei, der Bahn und der Stadt den Gefahrenbereich räumen", sagte Dieter Hutt, Pressesprecher der Bundespolizei Offenburg am Mittag. "Um eine Vollsperrung der Bahnstrecke kommen wir nicht herum. Wie lange sie dauert, hängt vom Zünder ab, ob er leicht zu trennen ist oder ein höherer Arbeitsaufwand nötig wird", so der Polizeisprecher.

Bis zur Bombenentschärfung hatten Vertreter der Bundes- und Landespolizei, der Bahn und der Stadt alle Hände voll zu tun. "Die Stadt muss sich um Notunterkünfte für die Anwohner kümmern, wir müssen dafür sorgen, dass die Evakuierung ohne Probleme läuft, und die Bahn muss sich um die Änderungen ihrer Fahrpläne kümmern", hob Hutt hervor.

Die Stadt sagte jenen Hilfe zu, die an diesem Abend nicht bei Bekannten und Freunden Unterschlupf finden. Deshalb wurden die Sporthalle im Mauerfeld und die Sulzberghalle freigemacht. Ein Buspendelverkehr brachte die Betroffenen dorthin. Bürgermeister Guido Schöneboom schaute in der Sporthalle Mauerfeld vorbei, wo Evakuierte versorgt wurden.

Die Evakuierungsmaßnahmen liefen äußerst ruhig ab. Die Polizei war mit allen verfügbaren Einsatzkräften rund um die Bombenstelle präsent und riegelte die Zufahrtsstraßen ab. Unterstützt wurde sie von Kräften der Feuerwehr und der Technischen Hilfswerks, das für die Ausleuchtung der Fundstelle sorgte. Der Kreisverband Lahr des Roten Kreuzes übernahm mit vielen Kräften die Betreuung der Anwohner in den beiden bereitgestellten Hallen und war auch am Bahnhof mit Einsatzwagen präsent.

Die Polizei forderte die Anwohner mit Lautsprecherdurchsagen aus Feuerwehrfahrzeugen heraus auf, ihre Häuser zu verlassen. Dem kamen auch viele Bürger nach. Viele ließen sich aber Zeit, vor allem ältere Menschen mit Gehbehinderung. Nicht alle durften das Gefahren-Areal verlassen haben, wurde am Abend deutlich. Nach Auskunft der Bundespolizei konnten jedoch Bürger, die sich weigerten, notfalls auch mit richterlicher Anordnung gegen ihren Willen zwangsabgeführt werden. Zwei Bürger waren davon betroffen.

Ruhig bereiteten sich auch die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdiensts auf ihren sensiblen Einsatz vor. "Das ist Routine für uns", erklärte ein älterer Entschärfer. Die Lahrer Bombe sei eine für ihren Bereich durchaus gängige. Sie stamme aus US-Beständen.

Kurz nach 22 Uhr war dann die Gefahr gebannt, sodass Entwarnung gegeben wurde: Den Experten des Kampfmittelbeseitigungsdiensts war es gelungen, die Fliegerbombe zu entschärfen. Joachim Leippert, der Entschärfer der Lahrer Bombe, war zufrieden: "Ist alles glatt gelaufen, es gab keine Probleme." Nicht nur er war sichtlich zufrieden. Reinhart Renter, der Vizepräsident des Offenburger Polizeipräsidiums, meinte: "Gute Arbeit, wir sind sehr zufrieden."

INFO

Anwohner berichten

> Vor Ort: »Durch Zufall habe ich von der Bombe erfahren. Das war ein großer Schock. Ich bin nochmal kurz hoch in meine Wohnung im zwölften Stock, habe das Nötigste gepackt und wollte mich nur noch in Sicherheit bringen«, erzählte Sandra Nenne, die im benachbarten Hochhaus wohnt. Auch Benjamino Lorenzi und Roland Scherer wollten nicht länger in ihren Wohnungen bleiben. »Das sieht man sonst nur im Fernsehen und plötzlich steht man selbst mitten im Geschehen«, sagte Lorenzi. Scherer beschäftigte noch eine weitere Sache: »Da kommen einem Gedanken an die Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg in den Sinn. Menschen – wie wir –, auf die einfach die Bomben hinabfielen. Schrecklich.«

> In der Sulzberghalle: Um 19.30 Uhr waren nur rund 20 Betroffene in die Unterkunft in Sulz gekommen. Eine Zahl, die laut den Verantwortlichen noch steigen dürfte. Unter denen, die schon da waren, war die Familie Federer, die in der Eisenbahnstraße wohnt. Vater Wolfgang und die zwei Kinder spielten Karten. »Wir haben per Lautsprecherdurchsage von der Evakuierung erfahren und sind daraufhin hier her gefahren«, sagte der Vater. Zu ihrem Bedauern mussten sie die beiden Katzen zu Hause lassen. »Aber wir fühlen uns hier wohl und sind guter Dinge, dass wir bald in unsere Wohnung zurück können«, meinte Wolfgang Federer.

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Kommentar von Jörg Braun

Gut vorbereitet

Nochmal gut gegangen: Die Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die 72 Jahre unbemerkt im Boden direkt neben der vielbefahrenen Rheintalstrecke schlummerte, wurde problemlos entschärft. Aufatmen bei den Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, Anwohnern und den zahllosen Helfern und Einsatzkräften. Die Bombe war noch scharf, war gestern Abend von den Bombenexperten zu erfahren. Der gestrige Tag zeigte,
dass die zuständigen Behörden und Hilfsorganisationen für solche Fälle gut vorbereitet sind. Evakuierung und Entschärfung liefen generalstabsmäßig, ruhig und höchst professionell. Ein Dankeschön an alle, die dazu beigetragen haben, diese Extremlage gut zu bewältigen.