Der Lahrer Helmut Schönberger organisiert die Treffen der GEZ-Boykotteure. Foto: Breuer

Kritiker treffen sich monatlich / Sie jammern nicht, sondern klagen

Lahr. Alle paar Wochen lädt Helmut Schönberger zum runden Tisch in Blanks Genussarena ein. Oft sitzt er allerdings alleine oder mit gerade mal einem oder zwei Mitstreitern da. Dabei gibt es viele, die sich gegen die Zwangsgebühr der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wehren. Der Lahrer hat selbst  kein Fernsehgerät, bezeichnet die darin ausgestrahlten Sendungen  als Verdummung.  Trotzdem muss  er die Gebühr berappen. »Ich sehe aber nicht ein, wofür«, sagt der Rentner. Deshalb hat er die Zahlungen der monatlich 17,50 Euro schon lange eingestellt. Fast 1000 Euro hat er momentan auf seinem Beitragskonto noch offenstehen –  allerdings  hat  er  auch eine Klage angestrengt, um die GEZ-Gebühr, die jetzt „Rundfunkbeitrag“ heißt,  loszuwerden.

Damit ist Schönberger nicht allein. Rund 4,5 Millionen Mahnverfahren gibt es laut der Internetseite www.online-boykott.de bundesweit. Rund zehn Prozent der Bürger würden als aktive Verweigerer des Rundfunkbeitrags gelten.

Dazu merkt der in Köln ansässige Beitragsservice, die einstige GEZ, an, dass sich zehn Prozent der Beitragskonten zum Stichtag 31.12.15 im Mahnverfahren befanden. „Da mag der ein oder andere „Verweigerer“ dabei sein. Aber: Es ist davon auszugehen, dass darunter in erster Linie Menschen und Unternehmen fallen, die unpünktlich zahlen, in finanzielle Not geraten sind oder es vielleicht nicht besser wissen. Außerdem handelt es sich um eine stichtagsbezogene Zahl – also lediglich um eine Momentaufnahme. Aus der Zahl zehn Prozent die Motivation, „zehn Prozent der Bürger gelten als aktive Verweigerer“ abzuleiten, ist falsch. Zum Vergleich eine Zahl: Im Jahr 2015 gab es 3900 (nicht mehrere Millionen) eingereichte Klagen zum Rundfunkbeitrag – und selbst hier ist die Motivation nicht gleichzusetzen mit der von „aktiven Verweigerern“: Die Klagegründe sind vielfältig und beziehen sich beispielsweise auf fehlerhafte Beitragsbescheide oder Befreiungssachverhalte“, erklärt der Beitragsservice.  

»Vor dem Bundesverfassungsgericht werden zurzeit 50 Klagen verhandelt, vier oder fünf davon werden genauer geprüft. Die Entscheidung, ob die Zwangsgebühren verfassungskonform sind, soll in den nächsten Tagen fallen«, berichtet Schönberger. Er hofft auf einen Präzedenzfall, auf den sich alle anderen Kläger dann berufen könnten.

Auch das will der Beitragsservice nicht unkommentiert stehenlassen. Richtig sei, dass das Bundesverfassungsgericht (BVG) sich „wahrscheinlich noch in diesem Jahr mit der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags beschäftigen“ werde. „Sollte das BVG entscheiden, dass der Beitrag nicht verfassungskonform ist, wäre das kein Präzedenzfall, sondern das Gesetz müsste geändert werden. Bislang haben im Übrigen sämtliche Verwaltungsgerichte die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags und einzelne Regelungen dazu bestätigt – höchstinstanzlich zuletzt das Bundesverwaltungsgericht am 25.1.17.“, merken die Kölner Rundfunkgebühren-Eintreiber an.

Der größte Vorwurf, den Boykotteure wie der Lahrer den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten machen, ist die Verwendung der rund 8,3 Milliarden Euro Gebühreneinnahmen. »Da werden unglaubliche Löhne und Pensionen gezahlt«, schimpft Schönberger. Allein Tom Buhrow, Intendant des WDR, soll ein Gehalt von 370 000 Euro pro Jahr bekommen, ärgert sich  der Rentner.

Jedoch: Die Gebühr muss bezahlt werden. Wer sich weigert, kann auf Dauer richtig Stress bekommen. Werden Erinnerungs- und Mahnschreiben ignoriert, steht irgendwann der Gerichtsvollzieher vor der Tür. Bleibt auch dieser erfolglos, kann sogar ein  Haftbefehl ausgestellt werden. In Thüringen war eine zweifache Mutter 61 Tage inhaftiert – wegen knapp 300 Euro nicht bezahlter Rundfunkgebühren. »Die Frau wurde erst auf Druck der Öffentlichkeit aus dem Gefängnis entlassen«, so  Schönberger.

Können die Gebühren-Eintreiber Menschen ins Gefängnis bringen?  Auch dazu nimmt der Beitragsservice Stellung: „Weder ARD noch ZDF, Deutschlandradio oder der Beitragsservice lassen Menschen wegen nicht gezahlter Rundfunkbeiträge verhaften“. Die von der Lahrer GEZ-Gruppe erwähnte Thüringerin sei verhaftet worden, weil sie sich gegenüber einer Vollstreckungsbehörde geweigert habe, ihr Vermögen offenzulegen. „Sie hätte die Haft also jederzeit selbst abwenden können“, erklärt die Kölner Einrichtung. Das wäre nach Ihrer Einschätzung auch passiert, hätte die Frau Kita-Gebühren, Strafzettel oder auch ihr Zeitungsabo nicht bezahlt. Auch würden die Beitragsschulden der Thüringerin nicht bei 300 Euro liegen, sondern weit darüber, betont der Beitragsservice.

Die kleine Gruppe der GEZ-Boykotteure in Lahr wünscht sich mehr aktive Beteiligung. Viele würden den Klageweg scheuen, bedauern sie. Dabei koste die erste Klage nur 100 Euro. Ein Anwalt sei in der Phase nicht notwendig. »Jeder klagt alleine vor sich hin«, bedauert Schönberger. Dabei sei man in der Gruppe doch stärker. Außerdem würde die Gruppe einen informellen Austausch und Hilfe bei der Formulierung von Klageschriften bieten.  Das nächste Treffen der Lahrer GEZ-Boykotteure  findet am Montag, 10. April, 19 Uhr, in Blanks Genussarena in der Schwarzwaldstraße statt.

ARD-Argumente

Die öffentlichen Rundfunkanstalten nennen die Rundfunkgebühren einen »Solidarbeitrag«. Wie es ihrem gesetzlichen Auftrag entspreche, produzierten die ARD-Sender mit den  Einnahmen ein vielfältiges  Programmangebot sowie Videotext- und Onlineangebote,  argumentiert etwa die ARD. Außerdem  verweist die  ARD darauf, »dass die Bürger selbstverständlich auch den privaten Rundfunk finanzieren, nämlich durch die in den Preisen für Waren und Dienstleistungen enthaltenen Aufwendungen für die Werbung, aus der sich der private Rundfunk finanziert.«

Der „Rundfunkbeitrag“ hat 2013 die „Rundfunkgebühr“ abgelöst, der „Beitragsservice“ die „GEZ“. Dabei handelt es sich nicht nur um eine neue Begrifflichkeit, sondern um einen neue gesetzliche Grundlage und ein völlig neues System der Rundfunkfinanzierung.

Anmerkung der Redaktion:

Im Sinne einer möglichst ausgewogenen Berichterstattung, die beide Seiten beleuchtet, wurde dieser Bericht noch ergänzt. Die ergänzten Passagen sind kursiv dargestellt.