Katija Rothbächer und Ralf Kuchheuser spielen ein altes Paar, das sich nach einem gemeinsamen Leben immehr mehr voneinander entfernt. Foto: Haberer

"Theaterbühne im Keller" zeigt Eugène Ionescos "Die Stühle". Pessimistische Handlung.

Lahr - Eugène Ionescos tragische Farce "Die Stühle" konfrontiert das Publikum mit surrealer Theater- und Wortkunst. Mehr als die Hälfte der rund 50 Premierenbesucher nutzten die Chance zum Dialog mit dem Regisseur und den Schauspielern.

"Ohne den Impuls von Sascha hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht an den Stoff herangewagt", betonte Regisseur Christopher Kern beim Publikumsgespräch im Anschluss an die Premiere. Alexander Tschirwa, der im vergangenen Jahr verunglückte Freund aus dem Vorstandsteam des Kulturkreis Lahr, hatte sich vor gut zwei Jahren ein Stück von Eugène Ionesco, dem Meister des surrealen Theaters gewünscht. Kerns Auswahl ist auf die tragische Farce "Die Stühle" gefallen, ein Stück aus dem Jahr 1952, das die "Theaterbühne im Keller" nun als eine Art Studioproduktion inszeniert hat.

Ein Plot fast ohne Interaktion, Monologe, die sich kaum berühren, und Worthülsen, die gesellschaftliche Fragen aufwerfen und doch manchmal fast dadaistische Züge aufweisen. "Die Stühle" machen es weder dem Ensemble noch dem Publikum leicht.

Ein greises Ehepaar beschwört in einer postapokalyptischen, dem Untergang geweihten Welt seine verblassenden Erinnerungen auf. Der alte Mann hat aber eine rettende Botschaft für die Menschheit, die ein eigens geladener Berufsredner verkünden soll. Die Weltöffentlichkeit erscheint aber nur vor dem imaginären Auge der beiden Alten, die immer neue, bis zum Schluss leer bleibende Stühle herbeitragen. Der Redner tritt ganz am Ende tatsächlich auf und lässt sich wie ein Star huldigen, gibt dann aber nur ein unverständliches Gestammel von sich. Die Mission der beiden Alten ist zu dem Zeitpunkt längst erfüllt. Sie haben die scheinbare Kulisse für den Vortrag generiert, sind dann aus dem Fenster gesprungen.

Eine Inszenierung voller Intensität

Es ist bemerkenswert, wenn sich ein Amateurensemble an so einen Stoff heranwagt, beeindruckend, wenn dann auch noch eine Aufführung voller Intensität herauskommt, eine beklemmende Dichte entsteht. Ralf Kuchheuser und Katija Rothbächer spielen ein altes Paar, das sein ganzes Leben miteinander verbracht hat, nun aber immer mehr den Kontakt zueinander verliert. In einer greifbaren Beschleunigung des Geschehens gehen ihre Monologe immer mehr ins Leere. Sie rücken auseinander, werden getrennt durch eine leere Bühne, die immer mehr von einem imaginären Kaiser ausgefüllt wird. Sie verbeugen sich, huldigen ihrer Majestät, verweisen immer nachdrücklicher auf die Bedeutung ihrer unausgesprochenen Botschaft für die dem Untergang geweihte Menschheit. Die Frau wird zum Echo des Mannes. Der bestellte Redner (Reinhard Kattinger) ist aber nur nein blasierter Pfau, der gestenreich zu brabbeln und stammeln beginnt, in dadaistische Gefilde abtaucht.

Die Premiere der Inszenierung hat am Ende zwar nur knapp 50 Zuschauer in den Stiftsschaffneikeller gelockt, das Publikum aber spürbar beeindruckt und in einen Sog hineingezogen. Kaum einer geht unmittelbar nach dem Schlussapplaus nach Hause. Es entsteht im Nachklang der Aufführung ein intensiver Dialog, der die Erarbeitung des Stücks spiegelt, die Auseinandersetzung mit dem Stoff und den Ansätzen von Eugène Ionesco, seinen Vorstellungen einer absurden Welt am Abgrund, die nach wie vor überraschend aktuell wirken.

Der Autor Eugène Ionesco

Eugène Ionesco (1909 bis 1994) war ein französischer Dramatiker des 20. Jahrhunderts und einer der Hauptvertreter des "Absurden Theaters". In seinen Dramen stellte er Fragen der menschlichen Existenz ebenso in den Mittelpunkt wie die Banalität des Alltäglichen. Sein in Deutschland bekanntestes Stück, "Die Nashörner" (1959), geht auf eigene Erfahrungen in Rumänien zurück. Sie veranlassten Eugène Ionesco, sich stets gegen Konformismen, gegen das Totalitäre zu wenden.