Als neunjähriger Junge hat LZ-Leser Peter Zahs den Bombenangriff auf die Serre-Kaserne miterlebt. Foto: Sadowski

Weltkrieg: 60 Menschen starben am 19. Februar 1945 beim schwersten Fliegerangriff auf die Stadt / Peter Zahs erinnert sich

Lahr - Heute vor 75 Jahren warfen 64 Flugzeuge 250 Bomben hauptsächlich auf die Serre-Kaserne und das Friedensheim ab. Damit erlebte die Stadt Lahr ihren schwersten Fliegerangriff. 60 Menschen starben, zahlreiche weitere wurden verletzt.Ein Zeitzeuge schildert seine Erinnerungen.

Fliegeralarm faszinierte kleinen Jungen

Fliegeralarm war für Peter Zahs, als er neun Jahre alt war, etwas ganz Besonderes: "In meiner jugendlichen Naivität habe ich mich dann immer gefreut, dass ich an diesem Tag nicht schon um 19 Uhr ins Bett gehen muss", erinnert sich der heute 84-Jährige.

So auch an jenem Montag, 19. Februar 1945. Es war "ein strahlender Frühlingstag mit tragischen Ende" wird der Lahrer Stadtchronist Emil Baader an diesem Tag in sein Kriegstagebuch schreiben.

Das passierte am 19. Februar 1945

Gegen 15 Uhr warfen 64 amerikanische Langstreckenbomber des Typs Martin B-26 Marauder 250 Bomben auf die Serre-Kaserne. Sie und auch das Wasserwerk wurden durch den Angriff vollkommen zerstört. Auch das Friedensheim wurde getroffen. 60 Menschen verloren ihr Leben.

Für Peter Zahs ist jener Tag auch 75 Jahre später noch präsent. Damals wohnte er mit seiner Mutter, Großmutter und jüngeren Schwester in der oberen Weiherstraße, unterhalb des Friedensheims, der heutigen Badischen Malerfachschule.

Der folgenschwerste Fliegeralarm

Zahs erinnert sich: An jenem Tag habe er im hinteren Hof der Wohnung gespielt, als er gegen 15 Uhr mehrere Bomber am Himmel entdeckte. Das sei zur damaligen Zeit aber nichts Besonderes gewesen. Nahezu jeden Tag sei Fliegeralarm gewesen.

An diesem 19. Februar flogen die Jagdbomber jedoch viel tiefer als sonst. "Ich sah, wie sie über der Oststadt Bomben auslösten". Kurz darauf fing es "fürchterlich an zu pfeifen".

Der damals Neunjährige merkte, dass etwas nicht stimmte. "Ich rannte ins Treppenhaus und rief ›Bomben, Bomben‹!" Sofort eilten die Familie sowie einige Nachbarinnen in den Luftschutzkeller. "Das ganze Haus wackelte, die Erschütterungen waren riesengroß", erinnert er sich.

Erschütterungen wie bei Erdbeben

Tiefflieger jagten die Anwohner in ihre Häuser, schildert Baader eindrucksvoll.

Wenig später wagte sich der Chronist kurz ins Freie, um Eindrücke zu sammeln: "Rauch und Staubwolken in Richtung Kaserne und Hohberg. Da neue Verbände sich nähern, geht es wieder in den Keller. Schon dröhnt die zweite, nach einiger Pause die dritte und dann die vierte Serie der Bomben auf die Stadt. Wie bei einem Erdbeben sitzt man im Haus, 500 Meter von der Kaserne entfernt."

Erst später wagten sich die ersten Menschen an die Unglücksstätte: "In hellen Flammen brüht die mit Heu und Stroh und Proviant aufgefüllte Reithalle in der südöstlichen Ecke des Kasernenviertels", beschreibt Baader den Anblick, der ihm sich bot.

Serre-Kaserne wird in Trümmern gelegt

Die Serre-Kaserne wurde zwischen 1936 und 1938 erbaut. "Im Februar 1945 wurden die Kasernen in Trümmern gelegt", hält Baader am darauffolgenden Tag in seinem Tagebuch fest.

Auch das Friedensheim, der zivil bewohnte umgebaute Teil der ehemaligen Artilleriekaserne, wurde schwer getroffen: "In Trümmern liegen Teile des Friedensheims-Wohnblocks, darunter Tote", beschreibt Baader.

Zum damaligen Zeitpunkt zählte das Lazarett im Friedensheim 60 Verwundete. Sie alle konnten jedoch rechtzeitig in den Keller und in Sicherheit gebracht werden.

Sicherheit im Luftschutzkeller - Familie hatte Glück

Nur wenige Meter vom Friedensheim entfernt verschanzte sich Zahs mit seiner Familie im Luftschutzkeller. Erst nach den Angriffen trauten sie sich nach oben. "Wir hatten Glück im Unglück", sagt er.

Erst später erfuhren sie, dass die Flieger, die über dem Kasernenareal ihre Bomben auslösten, zuvor einen Teil ihrer tödlichen Fracht über das Friedensheim, ganz in der Nähe ihres Wohnhauses, abgeworfen hatten.

"Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätten die Piloten ein, zwei Sekunden später auf ihre Auslösetaste gedrückt. Wir wären weg gewesen."

Immer noch Unklarheit über Angriff vor 75 Jahren

Bis heute ist unklar, ob der Fliegerangriff vom 19. Februar beabsichtigt war oder es sich um einen Irrtum der amerikanischen Luftaufklärung handelte. Denn: Aus der Luft sah das damalige Friedensheim ebenfalls wie eine Kaserne aus.

Möglich ist auch, dass die Bomber vor dem Rückflug noch ihre Last loswerden wollten, stellt der Lahrer Stadt-Archivar Thorsten Mietzner in seinem Buch "Kleine Geschichte der Stadt Lahr" fest.

"Das Friedensheim war nach meiner Einschätzung deshalb im Fadenkreuz der feindlichen Flugzeuge, da auf dem Dach des Gebäudes ein großes rotes Kreuz auf weißen Grund aufgemalt worden ist", vermutet indes Zahs.

Umzug auf den Langenhard

Nach diesem Tag sollte er nicht länger in der oberen Weiherstraße wohnen. Am Tag nach dem verheerenden Angriff ging er mit seiner Mutter auf den Langenhard, um dort bei einen Bauern eine sichere Bleibe zu suchen, die sie nach langem Suchen auch fanden. Dort durfte er in relativer Sicherheit das Kriegsende erleben.

Damit blieb er nicht alleine. Nach den 19. Februar, den Chronist Emil Baader später als einen "Schreckenstag für Lahr" bezeichnen wird, wollten etliche Lahrer raus aus der "Stadt des Grauens, in der ihr Leben nicht sicher ist", schreibt er. "Lahr wandert aus, aber Lahr lebt – und sei es unter Trümmern", so der Stadtchronist.

Schwerster Fliegerangriff des Zweiten Weltkriegs

Der 19. Februar sollte für Lahr der schwerste Fliegerangriff des Zweiten Weltkriegs bleiben. Doch bereits einige Tage zuvor, am 14. Februar, war die Serre-Kaserne Ziel feindlicher Jagdbomber geworden.

Zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Trotz allem ging in der Stadt an diesem Tag der Alltag weiter. "Die Kinder spielen, als ob nichts wäre, vor dem Luftschutzkeller. Unser Bub hat sich eine Sammlung von Granatsplittern zugelegt", schreibt Hans Lehmann, ein weiterer Stadtchronist, an diesem Tag in sein Tagebuch.

Briefträger stellt Post im Bombenhagel zu

Selbst am Tag des größten Angriffs ging der Alltag für einige Lahrer beinahe nahtlos weiter: Stadtchronist Baader berichtet von einem Briefträger, der im Bombenhagel durch die Trichter sprang und die Post ablieferte.

"Er tut seinen Dienst mitten im Schreckensgebiet, als ob nichts Besonderes geschehen sei. Sie lebten noch, die Leute, denen er die Post zu bringen hatte", schreibt er. "Die Leute gehen zurück ins Haus und suchen Pappdeckel, um die zertrümmerten Scherben zu ersetzen."

Die Bilanz des Ereignisses: 60 Tote

Erst in den Tagen nach dem verheerenden Angriff wurde die Zahl der Opfer bekannt. 43 Tote meldet der Polizeibericht am Freitag, 23. Februar 1945. Später kamen noch 17 weitere Tote dazu. Am Dienstagmorgen, dem Tag nach dem Großangriff, wurden über Lahr erneut Flieger gesichtet. "Sie mögen den Erfolg der gestrigen Angriffe festgestellt haben", schätzt Baader.

Lachen und nicht weinen

Heute, 75 Jahre später, spricht Zahs nicht mehr oft über seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Mit seinen 84 Jahren ist er noch sehr aktiv, fährt regelmäßig in Grundschulen und in Seniorenheime, um vorzulesen.

Meist hat er dann das Buch "Max und Moritz" mit im Gepäck. "Ich lese heute überwiegend lustige Geschichten vor. Die Leute sollen ja lachen und nicht weinen."

Chronik: Bombenangriffe auf Lahr

  • 10. August 1944: Acht Bomben  auf den Güterbahnhof. Weitere Bomben treffen den Dinglinger Bahnhof. Zwei Menschen werden verletzt.
  • 10. September: Angriff auf das Bähnle zwischen Meißenheim und Ottenheim. Sechs Menschen sterben.
  • 17. Dezember: Bombenabwurf; zwei Kinder  verletzt.
  • 19. Dezember: Acht Tiefflieger werfen 16 Bomben ab. Das E-Werk wird zerstört. Sechs Tote, zehn Verletzte.
  • 26. Dezember: Zehn Bomben fallen in Dinglingen.
  • 1. Januar 1945: 30 Bomben treffen Sulz, zwei Tote.
  • 4. Februar: Artillerie schießt 50 Granaten auf Dinglingen und  Richtung Serre-Kaserne.
  • 8. Februar: Neun Flugzeuge werfen 30 Sprengbomben in die Geroldsecker Vorstadt. Die Lederfabrik Emil Waeldin wird  zerstört. 19 Tote, dutzende Verletzte.
  • 14. Februar: Angriff auf die Serre-Kaserne, drei Tote.
  • 19. Februar: 250 Bomben hauptsächlich auf die Serre-Kaserne und das Friedensheim. 60 Tote, zahlreiche Verletzte.
  • 21. Februar: Die Fabrik Nestler wird zerstört. Zehn Tote, Dutzende Verletzte.
  • 17. April: Flieger- und Artillerieangriff: Zwei Menschen sterben.