Die Probleme im Gesundheitswesen werden sich verschärfen: Darüber waren sich die rund 30 Zuhörer im Treffpunkt Stadtmühle – darunter sechs Ärzte – einig. Foto: Baublies

Der Mediziner Johannes Fechner nennt alarmierende Zahlen

Lahr - Wie sieht die Zukunft der Kliniken des Kreises und der niedergelassenen Ärzte aus? Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Fechner hatte zu dem Thema in die Stadtmühle eingeladen. Das Fazit: Es droht ein akuter Ärztemangel.

Der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes, der Mediziner Johannes Fechner, stellte dazu Zahlen vor. Die Namensgleichheit der Referenten war kein Zufall: Der Arzt ist der Vater des Abgeordneten.

Fechner senior stellte Zahlen vor, wie es um die medizinische Versorgung im Landkreis und im Raum Lahr bestellt ist. In der Raumschaft Lahr leben knapp 119 000 Menschen. Statistisch gibt es 73,5 Hausarztstellen. Das, so der Arzt, entspreche einem Versorgungsgrad von 108,5 Prozent. Besser sieht es derzeit im Norden der Ortenau aus. In und um Achern beträgt der Versorgungsrad mit Hausärzten 110,8 Prozent. Einzig Kehl und Umgebung würden mit 90,6 Prozent unter die statistische Maximalversorgung fallen.

Es gab aber auch andere Zahlen: In Lahr und Region sind 30 Hausärzte jetzt bereits älter als 60 Jahre. Das sind knapp 40 Prozent. Im Kreis sind Hausärzte derzeit im Schnitt 56,5 Jahre alt, bei Fachärzten beträgt der Altersdurchschnitt 53,6 Jahre. Diese Zahlen seien alarmierend, vor allem, da es an Ärzten mangelt und da auch in Zukunft keine Abhilfe in Sicht sei – Stichworte sehr hoher Numerus clausus und lange Regelstudienzeiten. Es werde einen akuten Ärztemangel also in absehbarer Zeit geben. Das betrifft allerdings gleichermaßen das Land und den Bund.

Vonseiten der KV stellte Fechner einige Ideen vor, wie man da gegensteuern wolle. Dazu gehören Werbung für den Beruf des Landarztes oder besser Strukturen als Anreize zu schaffen. Eine Idee, die der Abgeordnete Fechner junior ins Spiel brachte, wurde am Ende einer sehr sachlichen und ergiebigen Diskussion verworfen. Der Bundestagsabgeordnete stellte die Frage, wie es wäre, wenn man junge Mediziner zu einigen Jahren Landarztpraxis verpflichten würde. Einer der insgesamt sechs anwesenden Ärzte sagte, dass man damit "junge Ärzte garantiert zur Migration motiviert". Außerdem stehe das in einem krassen Gegensatz zur Freiheit der Berufswahl.

Die Ideen der Kassenärztlichen Vereinigung, eine Art Ferndiagnose mittels der neuen Medien zu etablieren, um jeden – eventuell auch unnötigen – Gang zum Arzt zu sparen, stieß bei allen anwesenden Medizinern auf einhellige Ablehnung. Die Ärzte, darunter Allgemeinmediziner und Fachärzte, hatten alle entsprechende Erfahrung mir dem persönlichen Kontakt. Berufsanfänger waren unter den Gästen nicht – oder gaben es nicht an.

Bei der Diskussion waren sich alle einig, dass es beim Gesundheitssystem Probleme bereits in der Gegenwart gebe und sich vorhandene Mängel in der Zukunft durch weniger Ärzten steigern würden. Eine Krankenschwester, 40 Jahre alt und an den Standorten Lahr und in Ettenheim im Dienst, beklagte den Umgang der Patienten mit medizinischen Fachkräften. Warum würden Menschen, die Hilfe suchen und vielleicht auch wirklich brauchen, gleichzeitig den Anspruch stellen, wie in einem Fünf-Sterne Hotel behandelt zu werden, fragte sie. Der Arzt Fechner gab dazu an, dass an einem Montagmorgen bundesweit laut einer Zählung etwa acht Millionen Menschen einen Arzt aufsuchen würden.

Info: Zur Person

Der promovierte Mediziner Johannes Fechner war 1982 bis 2011 Hausarzt in Emmendingen. Seit 1989 ist er Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Südbaden und Baden-Württemberg. 2011 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg gewählt. Sein Sohn ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Fechner.