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Unwetter: Feuerwehren wehren sich gegen Kritik an ihrem Vorgehen / Einsatzkräfte müssen Prioritäten setzen

Südliche Ortenau. Der Starkregen vom Samstag hat nicht nur materiellen Schaden angerichtet. Feuerwehrleuten schlug bei ihren Einsätzen teils harsche Kritik entgegen. Gegenüber der Lahrer Zeitung nehmen sie Stellung.

Als der Himmel am frühen Samstagabend seine Schleusen öffnete und sintflutartiger Regen über dem Süden der Ortenau niederging, löste das Emotionen aus. In Kippenheim, Rust und Kappel-Grafenhausen, wo die Bürger um ihr Hab und Gut fürchteten, mischte sich zu nachvollziehbarer Betroffenheit Unverständnis und Wut. Das bekamen die Einsatzkräfte vor Ort zu spüren.

"Als ich Samstagnacht nach Hause kam, habe ich mich gefragt: Warum tust du dir das eigentlich an?" Auch zwei Tage nach dem Großeinsatz ist der Ärger bei Kippenheims Kommandant Andreas Hurst nicht verflogen. "Teilweise wurden wir angeschnauzt, warum wir erst nach drei Stunden kommen, obwohl wir vorher klar kommuniziert hatten, dass wir nicht überall gleichzeitig sein können." Eine Einliegerwohnung genieße nun mal höhere Priorität als ein leerer Kellerraum, sagt Hurst, der mit seinen Kameraden an diesem Abend mehr als 30 Einsätze zu meistern hatte.

Mitunter sei er sogar persönlich angegangen worden, berichtet der Kommandant, zugleich Wassermeister und stellvertretender Bauhofleiter der Gemeinde. "Mir wurde mit einer Anzeige gedroht, weil wir angeblich untätig waren. Da hieß es, uns könne man nur gebrauchen, wenn es ums Feiern geht." Hurst erzählt zwar auch von "positiven Erlebnissen, wo wir dankbar empfangen wurden, aber unterm Strich bleibt das Negative hängen".

Das scheint auch in Rust der Fall zu sein. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb die Feuerwehr am Montag: Statt Hilfe aus der Bevölkerung zu erfahren, "mussten sich die Einsatzkräfte zum Teil übelst beschimpfen lassen". Ein Verhalten, das Bürgermeister Kai-Achim Klare als "nicht tolerabel gegenüber den Ehrenamtlichen" bezeichnet. Der Rathauschef stellt klar: "Es ist nicht erste Aufgabe der Feuerwehr, Keller auszupumpen, sondern Gefahren für Menschen abzuwehren." Dem seien die Ruster Kameraden "höchst professionell nachgekommen", als sie zunächst überflutete Straßen gesperrt und sich dann erst um materielle Schäden gekümmert hätten.

Klare hält es zudem für bedenklich, "dass Leute, bei denen zwei Zentimeter hoch das Wasser steht, die 112 wählen und so die Rettungsleitung für wirklich ernste, lebensbedrohliche Fälle blockieren."

In Kappel-Grafenhausen hat Einsatzleiter Timo Hilß ähnlich "unschöne Erlebnisse" gemacht. "Einige haben uns wieder weggeschickt, als wir ihnen erklärt haben, dass sie möglicherweise für unseren Einsatz bezahlen müssen." Zur Erklärung: Sich von der Feuerwehr den Keller auspumpen zu lassen, ist nur kostenlos, wenn ein sogenannter Notstand vorliegt. Das dürfte am Samstag zwar der Fall gewesen sein. "Die finale Entscheidung trifft aber die Gemeinde als Kostenträger und nicht wir", sagt Hilß. "Deshalb war es sicher nicht angebracht, wenn einige ihren Ärger darüber an uns ausgelassen haben." Immerhin hätten die Menschen in der Doppelgemeinde "größtenteils akzeptiert", dass die Feuerwehrleute sich nicht teilen können: "Wir haben die Einsatzstellen vorab inspiziert und dann mitgeteilt, wann wir ungefähr da sein werden. Das hat Druck aus der Sache genommen."

Mit den Anfeindungen, denen sich Helfer bei ihren Einsätzen immer öfter konfrontiert sehen, müsse man sich wohl abfinden, zeigt sich Hilß desillusioniert: "Es geht ja nicht nur uns so, auch bei Rettungskräften und der Polizei liest man ständig davon. Das ist heute leider Alltag."

Info: Keine absolute Sicherheit

Nicht nur die Feuerwehren, auch die Gemeinden wurden im Zuge des Unwetters kritisiert. Der Vorwurf der Bürger: Die Kanäle sind zu klein oder werden nicht ausreichend gereinigt. 

> Kippenheims Bürgermeister Matthias Gutbrod berichtet von "zahlreichen Beschwerden" am Montagmorgen. Seine Antwort: "An den jetzt betroffenen Stellen hatten wir noch nie Probleme. Die schiere Masse an Wasser war einfach zu viel." Die Kanäle und Schächte würden von den Bauhofmitarbeitern regelmäßig überprüft und sauber gehalten, versichert Gutbrod.

> Richard Liebetruth, Sachgebietsleiter Kommunales Abwasser beim Landratsamt, bestätigt auf LZ-Nachfrage: "Aus wirtschaftlichen Gründen können Entwässerungssysteme bebauter Gebiete nicht so ausgelegt werden, dass bei Regen ein absoluter Schutz vor Überflutungen gewährleistet ist."

> Die stellvertretende Bürgermeisterin von Kappel-Grafenhausen, Rebecca Wild, weiß zwar, "dass die Infrastruktur nicht überall auf dem neuesten Stand ist". Doch zeige das Beispiel der frisch sanierten Ortsdurchfahrt von Grafenhausen, dass dies nicht der Grund für die Überschwemmungen sei: "Dort liegen Leitungen und Kanäle nach modernsten Standards und trotzdem stand das Wasser in der Straße."

> Bürgermeister Kai-Achim Klare erklärt, das Entwässerungssystem in Rust habe "einwandfrei funktioniert", das habe eine Überprüfung am Montag gezeigt. Wie sein Kippenheimer Kollege macht Klare darauf aufmerksam, "dass solche punktuellen Starkregenereignisse sicher nicht weniger werden". Das werde man bei künftigen Baumaßnahmen zwar miteinplanen, "aber wir sollten nicht nur Symptome bekämpfen, sondern in erster Linie unser Klima schützen".