Esther Krüger (links) und Heide Fischer lesen in der Thora. Foto: Decoux-Kone Foto: Lahrer Zeitung

Erstmals seit 1938 finden in Kippenheim wieder jüdische Gottesdienste statt / Jeder ist willkommen

Von Andrea Bär

Kippenheim. 1938 wurde die Kippenheimer Synagoge während der Novemberpogrome verwüstet. Am vergangenen Wochenende fanden nun erstmals wieder jüdische Gottesdienste in den historischen Mauern statt.

Eingeladen hatten die Egalitäre Jüdische Gemeinde Gescher aus Freiburg und der Förderverein Ehemalige Synagoge. Gefeiert wurde der höchste jüdische Feiertag: Jom Kippur – der Tag der Versöhnung.

Dass dieser erstmals in der Kippenheimer Synagoge stattfand, geht auf eine Begegnung in Sulzburg zurück, wo die jüdische Gemeinde das Fest bisher gefeiert hat. Jürgen Stude vom Förderverein freute sich besonders, dass wieder Leben in Form von Gottesdiensten in die Synagoge eingezogen ist. Eine Wiederholung an besonderen Feiertagen hält er für möglich. Für Heide Fischer, die Kulturbeauftragte der Jüdischen Gemeinde, war es ein sehr emotionaler und intensiver Moment, die Atmosphäre im Raum bezeichnete sie in einem Pressegespräch als eine besondere. Der Name "Gescher" bedeute Brücke. Er stehe nicht nur dafür, Brücken für ein lebendiges Judentum zu bauen, sondern auch für den Kontakt und den Austausch mit allen Konfessionen.

Die sechs Jom-Kippur-Gottesdienste waren eingebettet in ein verlängertes Wochenende, das am Donnerstagabend begann und am Sonntag mit einer Führung über den jüdischen Friedhof endete. Esther Krüger, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, hatte einen Meditationsweg entlang des Mühlbachs eingerichtet. Denn der Jom- Kippur-Tag fordere innere Einkehr. An diesem Tag gedenke man der eigenen Fehlbarkeiten sich selbst und den anderen gegenüber. Dazu wird 25 Stunden gebetet, gesungen und gefastet.

Höhepunkt war am Freitagabend mit dem Kol Nidre und dem Ma’ariv-Gottesdienst. Zelebriert wurde er von der Bibelwissenschaftlerin und Dozentin für Liturgie Annette Böckler. Der Gottesdienst wird auf Hebräisch und Deutsch gehalten, die Gebetshefte beinhalten russische und deutsche Übersetzungen sowie eine Lautschrift, sodass jeder mitbeten und teilnehmen kann. Man trägt eine Kippa und legt sich einen weißen Gebetsschal um. Materielle Gegenstände wie Schmuck oder Lederschuhe sind nicht erwünscht. Im Mittelpunkt des Gottesdiensts steht der Thoraschrein. Der Holzschrank ist mit vielen bunten Perlen und dem Davidstern geschmückt. Er ist eine Leihgabe des Künstlers David Ernst. Mehrmals wird dieser Schrein im Gottesdienst geöffnet, die Thorarolle mit den fünf Büchern Moses herausgeholt, gesungen und gebetet. Dem Hauptgottesdienst folgten am Samstag fünf weitere Gottesdienste. Bis die Tage der inneren Einkehr mit dem Fest des "Anbeißens", sprich dem Fastenbrechen endeten.