Kippenheim - Im Rathaus hatte man erst gar nicht versucht tiefzustapeln: Das Bürgerhaus sei eine "Jahrhundertchance" für Kippenheim. Seit Montagabend steht fest, wo es gebaut wird. Die Entscheidung pro Ortseingang fiel überwältigend deutlich aus.

Dass sich ein Bürgermeister für einen Tagesordnungspunkt bei einer Gemeinderatssitzung entschuldigt, kommt nicht oft vor. Matthias Gutbrod tat es am Montag. Er hätte den Kauf eines neuen Beckensaugers für das Freibad am liebsten weggelassen. "Aber der alte ist kaputt und die Schwimmbadsaison beginnt bald." So winkte das Gremium die Anschaffung für rund 18 000 Euro schnell durch, auch wenn dafür kein Geld im Haushalt bereit steht.

Der Grund für Gutbrods, sagen wir, marginales Interesse an einem Reinigungsgerät ist nicht in einer abschätzigen Haltung gegenüber dem Freibad zu suchen, sondern vielmehr in der ungleich bedeutenderen Entscheidung, die der Rat Minuten zuvor getroffen hatte. Nach Jahrzehnten der Gedankenspiele steht fest: Kippenheim bekommt ein neues Bürgerhaus – und zwar am nördlichen Ortseingang. Der Standortentscheidung vorausgegangen war ein Beteiligungsprozess, der in der Geschichte der Gemeinde seinesgleichen sucht, was die Verantwortlichen am Montag noch einmal bestätigten.

> Die Moderatorin: Judith Nägeli hat die sechs Bürgerinformationsveranstaltungen als neutrale Begleiterin moderiert – vom sogenannten Kick-off-Termin bis zur Ortsbegehung. Sie habe Gemeinderat, Verwaltung und Bürgern "den Spiegel vorgehalten, um herauszufinden, was wir wirklich wollen", betonte Matthias Stulz (FW) Nägelis wohl größten Verdienst. Denn: Erst durch den Einfluss einer unvoreingenommenen Dritten hat sich – das wurde bei den Wortmeldungen der Räte deutlich – der Standort an der B 3 aus dem Schatten von Fest- und Sportplatz herausgekämpft und zum Top-Favoriten gemausert.

> Der Gemeinderat: Wie offenbart sich die Bedeutung eines kommunalpolitischen Themas? Indem bei einer Gemeinderatssitzung alle Mitglieder anwesend sind und wirklich alle Stellung beziehen. So geschehen am Montagabend in Kippenheim. Die beiden einzigen, die sich dabei gegen den Standort Ortseingang aussprachen, waren Otto Hebding (CDU) und Ortsvorsteher Michael Hartmann (Letzterer freilich ohne Stimmrecht). Beide hätten das Bürgerhaus gerne am Sportplatz gesehen – und damit so nahe wie möglich an Schmieheim. Hebding: "Das würde die Ortsteile weiter zusammenwachsen lassen, außerdem könnten wir die Synergien mit Mühlbachhalle und Freibad nutzen."

Viele Räte sahen und sehen das ähnlich, schwenkten im Laufe der einjährigen Findungsphase aber doch um. Stellvertretend Carola Richter (CDU): "Ich bedauere, dass die symbolische Lage wegfällt, aber an der B 3 sind die Entwicklungsmöglichkeiten einfach besser." Andere wie Jörg Kölble (FW) hatten sich zunächst für einen Neubau an alter Stätte ausgesprochen: "Ich war wahrscheinlich der hartnäckigste Verfechter des aktuellen Standorts, musste aber irgendwann einsehen, dass es bis auf Erinnerungen an schöne Feste keine Argumente dafür gibt." Ähnlich beschrieb Matthias Studer, seit 19 Jahren im Rat und somit einer, der die Debatte von Anfang an hautnah miterlebt hat, seine Wandlung: "Vor zwei Jahren noch hätte ich mir nie vorstellen können, irgendwo anders hinzubauen als an den Festplatz." Das habe sich geändert, als er den Standort an der B 3 in Augenschein genommen hatte: "Die Vorstellung, an diesem Platz mit seiner herrlich Aussicht ein Weinfest zu feiern, hat meine Emotionen komplett umgekrempelt." Irene Preschle (SPD) indes argumentierte pragmatischer: "Wenn wir sagen, dass die Anwohner des aktuellen Festplatzes besser geschützt werden müssen, dann gilt das auch für die in der Schmieheimer Straße. Deswegen ist der Ortseingang für mich die beste Wahl." Und Klaus Braun von der Bürgerliste ließ sich wegen der "doch eingeengten Situation am Sportplatz" vom Standort an der Bundesstraße überzeugen.

> Die Verwaltung: Für Rathauschef Gutbrod  waren drei Punkte ausschlaggebend. Erstens: Es gebe immer Lärmbetroffenheiten, am Ortseingang seien sie aber am verträglichsten zu lösen. Zweitens: "Auch die Erschließung ist hier mit Abstand am einfachsten." Drittens: die städtebauliche Sicht. Der Bau des Bürgerhauses an der B 3 sei nach der Sanierung der beiden Ortseingänge, der Poststraße sowie dem Anlegen des Parkplatzes in der Querstraße "das konsequente Weiterverfolgen unseres Ziels, Kippenheim weiter aufzuwerten".

Info: Klare Pläne

> Bürgerhaus: Der Gemeinderat beauftragte das Büro Mathis und Jägle, einen Bebauungsplan auf den Weg zu bringen und die notwendige Änderung des Flächennutzungsplans vorzubereiten. Parallel dazu bereitet die Verwaltung eine bei Projekten dieser Größenordnung erforderlich EU-weite Ausschreibung vor, den sogenannten Architektenwettbewerb. Bürgermeister Gutbrod hofft, beides in rund einem Jahr über die Bühne zu bringen, "sodass wir noch 2019 mit dem Bau beginnen können".

> Festhalle: Sie wird so lange stehen bleiben, bis das neue Bürgerhaus in Betrieb geht. Anschließend soll sie abgerissen werden. An ihrer statt schwebt der Verwaltung Wohnbebauung vor.